Arbeitsmarkt

Höhere Bildung verschlechtert Job-Chancen von Migranten

Erstmals berichtet die Bundesagentur für Arbeit über die Entwicklungen am Arbeitsmarkt nach Migrationshintergrund. Die ersten Zahl zeigen: Migranten mit akademischer Ausbildung sind deutlich häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen als Migranten mit betrieblicher Ausbildung.

Freitag, 31.05.2013, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 06.06.2013, 6:22 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Bundesagentur für Arbeit (BA) berichtet erstmals über die Entwicklungen am Arbeitsmarkt nach Migrationshintergrund. Möglich macht dies eine freiwillige Vollerhebung unter Arbeitsuchenden, Arbeitslosen und erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Für 70 Prozent der Befragten konnten entsprechende Angaben zum Migrationshintergrund erhoben werden. Erste Ergebnisse wurden nun in einem Bericht vorgelegt.

Danach haben 35 Prozent der Arbeitslosen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Der Vergleich zu ihrem Anteil (19,5 Prozent) an der Gesamtbevölkerung Deutschlands zeigt, dass Migranten am Arbeitsmarkt häufiger Probleme haben als Menschen ohne Migrationshintergrund. „In Bezug auf die in den letzten Jahrzehnten erfolgte Zuwanderung und gemessen am Bevölkerungsanteil der Migrantinnen und Migranten in Deutschland zeigt sich, dass Menschen mit Migrationshintergrund häufig nicht hinreichend erfolgreich am Erwerbsleben teilhaben können. Es bleibt weiterhin Herausforderung, gleiche Chancen für alle zu ermöglichen“, so die Bundesagentur für Arbeit (BA).

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Bildung entscheidet, höhere Bildung auch
Wie aus der Auswertung weiter hervorgeht, spielen Bildungsmerkmale für Chancen am Arbeitsmarkt eine entscheidende Rolle. Der Anteil arbeitsloser Migranten ohne Hauptschulabschluss liegt mit 54 Prozent leicht über dem Anteil derjenigen ohne Migrationshintergrund (46 Prozent). Der Anteil arbeitsloser Migranten mit Hauptschulabschluss hingegen liegt mit 32 Prozent schon deutlich unter dem Anteil derjenigen ohne Migrationshintergrund (68 Prozent). Und unter denen, die eine mittlere Reife vorweisen können, machen Migranten nur noch knapp 23 Prozent der Arbeitslosen aus.

Überraschend ist allerdings, dass Migranten mit (Fach-) Hochschulreife wiederum stärker von Arbeitslosigkeit betroffen sind, als jene, die einen niedrigeren Schulabschluss haben. Hier liegt der Anteil arbeitsloser Migranten bei 38 Prozent und damit sogar über denen, die einen Hauptschulabschluss (32 Prozent) vorweisen können. Ein ähnliches Phänomen ist auch im Hinblick auf die abgeschlossene Berufsausbildung zu beobachten. So liegt der Anteil arbeitsloser Migranten mit einer betrieblichen Ausbildung bei niedrigen 18 Prozent (82 Prozent bei Menschen ohne Migrationshintergrund); der Anteil von arbeitslosen Migranten mit einer akademischen Ausbildung hingegen liegt bei 34 Prozent.

Ein Migrationshintergrund liegt vor, wenn die Person nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder der Geburtsort der Person im Ausland liegt und eine Zuwanderung nach 1949 erfolgte oder der Geburtsort mindestens eines Elternteiles der Person im Ausland liegt sowie eine Zuwanderung dieses Elternteiles nach 1949 erfolgte. Eine Teilgruppe der Personen mit Migrationshintergrund sind Aussiedler oder Spätaussiedler, sofern sie als Aussiedler oder Spätaussiedler, als dessen Ehegatte oder als dessen Abkömmling die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben und eine Zuwanderung nach 1949 erfolgte.

Regional große Unterschiede
Die höchste Arbeitslosenquote weisen Migranten in Baden-Württemberg. Dort hat mehr als jeder zweite Arbeitslose einen Migrationshintergrund (51 Prozent); es folgen Hessen und Hamburg mit je 49 Prozent sowie Bremen und Nordrhein-Westfalen mit je 46 Prozent. Im Vergleich dazu machen Migranten in Sachsen-Anhalt nur 7,7 Prozent der Arbeitslosen aus.

Der Anteil der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in der Grundsicherung („Hartz IV“) mit Migrationshintergrund liegt bei rund 42 Prozent. Dabei liegt die Spreizung zwischen 10 Prozent in Sachsen-Anhalt und 60 Prozent in Hessen.

BA: Zahlen nicht verallgemeinern!
Wie die BA mitteilt, beziehen sich diese Zahlen auf den Stand Dezember 2012. Künftig werde der Bericht jedoch quartalsweise veröffentlicht und fortlaufend weiterentwickelt, um den Informationsbedarf gerecht zu werden. Bei der Interpretation sei allerdings zu beachten, „dass es immer um die Verteilung von Chancen geht. Es sind nie Aussagen, die sich auf den Einzelnen verallgemeinern lassen. Oder anders ausgedrückt: Für den Einzelnen ist die Tatsache seines Migrationshintergrundes nicht Ausdruck eines Problems. Ganz im Gegenteil: Für ihn mag sich daraus durchaus eine Stärke und besondere Befähigung ergeben.“ (etb) Leitartikel Wirtschaft

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  1. dom 5000 sagt:

    ich habe auch das Gefühl, dass Migranten es auf dem Arbeitsmarkt deutlich schwerer haben.

  2. Saadiya sagt:

    Ich denke, dass ein hohes Maß an Diskriminierung gegenüber bestimmten Bevölkerungsgruppen für die großen Unterschiede verantwortlich ist. Die Mehrheit der Bevölkerung kann sich ohne Probleme eine Reinigungskraft oder Verkäuferin mit MH vorstellen. Offentsichtlich fehlt bei einigen Einheimischen aber diese Vorstellungskraft, wenn es plötzlich um die Besetzung einer Stelle in höher qualifizierten Bereichen geht.

  3. Kigili sagt:

    Mark Terkessidis erwähnt in seinem Buch „Die Banalität des Rassismus“ den „Auschluss durch Einbeziehung“ und verweist dabei auf Immanuel Wallerstein:

    „In diesem Sinne werden die Migranten auf eine ganz spezifische Weise in die Institutionen des Einwanderungslandes einbezogen, denn sie erhalten darin eine besondere Position: Sie sind gewissermaßen drin, aber gerade die Form ihrer Eingliederung bedeutet auch immer eine Ausgrenzung. Zwar werden die Einwanderer auf dem Arbeitsmarkt integriert, doch gleichzeitig werden sie unterschichtet – sie werden in den unteren Segementen des Arbeitsmarktes quasi eingesperrt. Zwar werden sie in das inländische Leben integriert, doch gleichzeitig bleiben sie von ihrem Status her ‚Ausländer‘.“

    Wie recht er doch hat! Ohne eine Einführung einer Minderheitenquote ist auch diese alltäglich praktizierte Diskriminierung nicht zu durchbrechen.

  4. surviver sagt:

    Traurig aber wahr.
    Hier müsste die Politik handeln.
    Zur Integration gehört auch die berufliche Integration von Menschen mit Migrationshintergrund.
    Man muss Menschen mit speziellen Fähigkeiten fördern unabhängig von ihrer ethnischen Herkunft.
    Etwas hat sich ja schon geändert im Vergleich zu den 80/90er Jahren, aber in Bezug auf türkische Mitbürger
    (Moslems) irgendwie halbherzig.
    Hier ist gewaltig was faul.

  5. Saadiya sagt:

    Menschen mit „Platz an der Sonne“ versuchen, sich diesen besonderen Platz am oberen Ende der Gesellschaft zu erhalten und Konkurrenz für sich und Ihresgleichen (z.B. die eigenen Kinder) zu verhindern. Das führt zur Platzierung rassistischer Ressentiments gegenüber gleichwertig Qualifizierten mit Migrationshintergrund. In dem man versucht ist, Argumente gegen diese Gruppe zu finden, schafft man Abgrenzung zu dieser und erzeugt ein scheinbar berechtigtes Handeln (DIE sind nicht, DIE sollen erst, DIE können nicht, usw….), dass in eine faktische Schlechterstellung oder gar in den Ausschluss dieser Gruppe mündet.

  6. Chris sagt:

    Rassismus und Diskriminierung gibt es in allen Unternehmen. Im höheren Segment der jobs findet man keine Menschen mit Migrationshintergrund oder nur selten.

    Es gibt zwar einige Alibi-Migranten, doch wenn man sich deren Werdegang anschaut, dann sieht man, dass sie deutlich besser sind und mehr gemacht haben, als vergleichbare ohne Migrationshintergrund

    Dadurch werden die Leute ruhig gestellt im Sinne von Schaut her es gibt hier Migranten.

    Vorstellungsgespräche gehabt in den letzten Monaten und immer wieder festgestellt, dass fast immer nur deutschstämmige Frauen und Männer die Personaler sind, die einen empfangen

    in einigen Unternehmen wurde ich von 5 Frauen beäugt, die alle blond oder braunhaarig waren. Auch die Namen gaben Auskunft über ihre deutsche Herkunft.
    Das ist traurig, denn es war in einer der Großstädte Deutschlands.
    Es herrschen Vorurteile ohne Ende.

    Ein gutes Beispiel ist REWE in der Verwaltung und in den Zentralen sitzen fast nur Menschen mit deutschen Ahnen. die gutbezahlten Jobs und in wichtigen Postionen findet man kaum Migranten. Aber in den Märkten das Gegenteil

    REWE ist auf Nachwuchs in den Märkten angewiesen aber in der Verwaltung haben sie keine Chance. Verlogen.

    Ich rege mich immer wieder darüber auf, dass FRAUEN BEI GLEICHER EIGNUNG BEVORZUGT werden

    Irgendwann ist auch mal Schluss oder ? Wird zeit dass die Quote für Migranten kommt