Integration im 16:9 Format

Dieses war der 6. Integrationsgipfelstreich und der nächste folgt sogleich

Eine Integrationsbeauftragte, die beim Integrationsgipfel kein Wort über den 20. Jahrestag des Solinger Brandanschlags und das 50-jährige Jubiläum der Marokkaner und Koreaner in Deutschland verliert, ist schlichtweg fehl am Platz.

Schon wieder hat die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung Maria Böhmer es geschafft, einen weiteren Integrationsgipfel medial in Szene zu setzen. Unter den rund 100 aufgelisteten Teilnehmern des Gipfels (laut Teilnehmerliste der Bundesregierung), war kein einziger marokkanischer oder koreanischer Verband vertreten, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum in Deutschland feiern.

Auch die Marokkaner und Koreaner haben Anteil am deutschen Wirtschaftswunder. Eine Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, die eine „echte Willkommens- und Anerkennungskultur“ fordert, aber gleichzeitig kleinere Minderheiten die Stimme verweigert und ausgrenzt, kann nicht ernst genommen werden. Böhmers chronisches Desinteresse und Gleichgültigkeit gegenüber kleinen Minderheiten beschädigt das Amt des Integrationsbeauftragten und stellt den Sinn dieses Amtes in Frage. Böhmer warnt, meldet, redet, ruft, verspricht, aber nichts davon kommt tatsächlich bei der Interessensgruppe, die sie vertritt, an.

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Der sechste Integrationsgipfel ist ein Armutszeugnis der Bundesregierung, mit Böhmer an vorderster Front. Es kommt einem so vor, als würde sich die Integrationsdiskussion nur im Kreise drehen. Denn mehr als einfallslose Floskeln, die immer wieder mit Integration in Verbindung gebracht werden, kommt am Ende nichts Produktives dabei heraus.

Immer noch wird von einer besseren Bildung gesprochen, die die Chancen auf dem Arbeitsmarkt angeblich verbessern sollen und ignoriert dabei die Bekämpfung vom institutionalisierten Rassismus und Diskriminierung in Wirtschaftsunternehmen und politischen Organisationen. Währenddessen verlassen bis zu 58.000 Jugendliche die Schule ohne einen Abschluss, die dennoch auf eine Zukunft in diesem Land hoffen.

Eine „Charta der Vielfalt“ mit der sich Unternehmen schmücken können, ist nichts weiter als ein Ablass, der sie vom Vorwurf der Diskriminierung befreit. Auch nach mehr als drei Jahrzehnten und einer gesetzlichen Quotierung schwerbehinderter Arbeitnehmer, entrichten Unternehmen lieber die Ausgleichszahlung als behinderte Menschen einzustellen. Immer noch stehen wir vor dem Problem, dass weibliche Führungskräfte in repräsentativen Führungspositionen unterrepräsentiert sind und bei gleicher Eignung und Leistung weniger Lohn erhalten, als das männliche Geschlecht.

In einem bekennenden Einwanderungsland wie Deutschland sind der Name, die Herkunft und das äußere Erscheinen eines Menschen mit Migrationshintergrund auch im 21. Jahrhundert noch immer Ausschlusskriterium für eine Anstellung. Hier würde Maria Böhmer dem Land große Dienste erweisen, wenn sie nicht nur ihre lustlos wirkenden Integrationsindikatorenberichte und Berichte zur Lage der Ausländerinnen und Ausländer verfasst, sondern den Ursachen auf den Grund geht und Lösungen findet.

Eine Frage, die dringend untersucht werden sollte, wäre, wie viele Unternehmen in Deutschland nur zum Schein, Stellenangebote ausschreiben, ohne die wirkliche Intention jemanden einzustellen? Die Unternehmen, die Stellen ausschreiben, um der Öffentlichkeit vorzugaukeln, dass sie ein florierender Betrieb sind und mit den Schicksalen von Menschen spielen, müssen aufgedeckt und hart sanktioniert werden.

Wie sieht es mit der Förderung und Einstellung von qualifizierten Menschen mit Migrationshintergrund in internationalen Organisationen aus? Deutschland ist schließlich Mitglied in rund 200 internationalen Organisationen und zielt darauf, die „Zahl deutscher Mitarbeiter“ dort zu erhöhen. Wie viele geeignete Personen mit Migrationshintergrund entsendet das Programm beigeordnete Sachverständige, dessen Federführung beim Entwicklungsministerium liegt, jährlich an die internationalen Organisationen?

Die Forderung nach „Mehr Migranten im öffentlichen Dienst“ scheint sich schlichtweg auf den „einfachen Dienst“ zu beschränken. Der gehobene und höhere Dienst scheint vorwiegend den Einheimischen vorbehalten zu sein. Wenn ich mir die Entwicklung bei den Frauen und Menschen mit Behinderung näher betrachte, die trotz einer Quote, kaum bis minimal vorankommen, dann sehe ich keine bessere Lösung, als eine „harte Quote“ für qualifiziertes Personal von Menschen mit Migrationshintergrund in diesem Land einzuführen. Nur durch „hard law“ und Zwang werden sich der öffentliche Dienst und Unternehmen dazu bewegen, die Zahl der Arbeitnehmer mit Migrationshintergrund, gemäß ihrem Anteil in der Bevölkerung zu entsprechen.

Wer in diesem Land kann eine Integrationsbeauftragte, die ihre Diskussionspartner fein säuberlich aussucht, sich aber gleichzeitig dafür ausspricht, statt übereinander, miteinander zu diskutieren, noch ernst nehmen? Eine Beauftragte, die beim Gipfel kein Wort über den 20. Jahrestag des Solinger Brandanschlags und das 50-jährige Jubiläum der Marokkaner und Koreaner in Deutschland verliert, ist schlichtweg fehl am Platz.

Böhmer hat hier die historische Chance verpasst, ein starkes Zeichen an die kleinen Minderheiten zu setzen und zu zeigen, dass auch sie in Deutschland willkommen sind. Damit sind nicht nur die Koreaner und Marokkaner gemeint. Eine „ehrliche Willkommens- und Anerkennungskultur“ wie sie von Böhmer gefordert wird, wäre, ihren Platz an eine kompetente Person mit Migrationshintergrund zu räumen, die oder der mit einer authentischen Stimme und mit großer Leidenschaft das Amt des Integrationsbeauftragten ausführt und alle Minderheiten einbezieht – Eigenschaften, die von der jetzigen Beauftragten „nur einiger ausgewählter Gruppen“ sehnlichst vermisst werden.