Ali konkret

Integrationsgipfel: Festival der heißen Luft mit Familienfoto

Seit Bundeskanzlerin Angela Merkel im Jahre 2006 „Integration“ zur Chefsache erklärt hat, finden Integrationsgipfel statt – gestern der sechste. Und zum sechsten Mal dominierten warme Worte und blumige Formulierungen den Gipfel. Probleme wurden angesprochen und gekonnt ausgeklammert.

Es war mal wieder an der Zeit über „Integration“ zu reden, bei der Chefin persönlich, so wie jedes Jahr, wenn sich alles, was in der „Integrationsszene“ Rang und Namen hat, nach Berlin begibt, um über die wirklich drängenden Probleme im Zusammenleben zwischen Mehrheit und Minderheit zu reden. Angela Merkel zumindest, das steht jetzt schon fest, kann der Öffentlichkeit so oder so mal wieder zeigen, dass es an Aktionismus bei ihr nicht mangelt, seit sie 2006 das Thema „Integration“ zur „Chefinnensache“ erklärt hat.

So stand der letzte Gipfel dieser Art unter der schwarz-gelben Bundesregierung im Jahr 2013 auch vor dem Hintergrund des 20. Jahrestages der rassistischen Brandanschläge von Solingen, wo damals 5 Menschen türkischer Herkunft ums Leben kamen. Nicht zu vergessen ist hier auch der laufende NSU-Prozess, der bisher durch die Diskussion um das Styling von Beate Zschäpe und dem Gewürge um die Presseplätze zu zweifelhaftem Ruhm gekommen ist. Eigentlich genug Themen, um dieser eher symbolischen Veranstaltung endlich mehr Schärfe und Leben einzuhauchen, könnte man meinen.

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So beklagt PRO ASYL, dass die Bundesregierung ein wesentliches Integrationshindernis, nämlich den Rassismus in unserer Gesellschaft, beim jüngsten Gipfel gar nicht thematisiert hat.

Damit spricht PRO ASYL die unbequeme Wahrheit an, auf die die Politik in Berlin bisher wenig reagiert hat. Was ist denn, wenn sich der „Migrant“ mit perfektem Deutsch und super Schulabschluss in den Arbeitsmarkt begibt? Reicht es, wenn die „Migrantin“ – ganz den Vorstellungen einer Necla Kelek – das Kopftuch in die Tonne schmeißt? Oder wenn sich die durchschnittsverdienende „Migrantenfamilie“ um eine Wohnung in einem bürgerlicheren Stadtteil bemüht? Interessante Fragestellungen, die derzeit für mächtig viel Frust bei den Betroffenen sorgen. Eigentlich bedarf es für diese Thematik gleich eines „Rassismusgipfels“. Unter der Leitung von Angela Merkel wäre das ein echter Knaller gewesen.

Auch die Konstruktion des Merkelschen Integrationsgipfels weist eine Schieflage auf. Gesprochen würde vornehmlich mit den Ministerien der Länder, die zahlreichen Vertreter der Migrantenselbstorganisationen seien da eher Zaungäste. So stellt die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende Aydan Özoguz fest: „Es kommen einfach mehr amtierende Ministerpräsidenten zu Wort, als Akteure der Zivilgesellschaft.“ Ähnlich wie die zahnlose „Islamkonferenz“ scheint sich das konservative „Top-Down“-Prinzip auch hier bestens durchzusetzen, garniert mit jeder Menge politischer Unverbindlichkeiten und warmen Worten.

Das Resümee des Gipfels ist dementsprechend vage formuliert, auch wegen dem „Nationalen Integrationsplan“, welcher beim 2. Integrationsgipfel mit 400 Selbstverpflichtungen der Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft an den Start gegangen ist. Viele dieser Selbstverpflichtungen sind bisher nur auf dem Papier vorhanden und Fortschritte, wie z.B. im Bereich Bildung und Berufsleben kommen nur sehr mühsam voran.

Für die künftige Bundesregierung, egal welcher politischer Couleur, kann das kein Vorbild sein. Neben mehr Verbindlichkeit beim Zusammenarbeiten mit der Zivilgesellschaft muss es auch ein Querschnittsministerium für Integration (eigentlich auch Inklusion) geben, welches an alle weiteren politischen Arbeitsbereiche andockt. Zu guter Letzt dürfen auch die „Klassiker“ namens „doppelte Staatsbürgerschaft“ und „Wahlrechtsreform“ nicht fehlen, damit aus dem künftigen „Integrationsgipfel“ mehr wird als nur ein „Festival der heißen Luft mit Familienfoto“.