OECD Studie

Schlechtes Image schreckt Fachkräfte ab

Die über Jahre betriebene Abschottungspolitik wird Deutschland jetzt zum Verhängnis. Das schlechte Image von Deutschland und seine restriktive Zuwanderungspolitik führen dazu, dass Fachkräfte wegbleiben. Das zeigt ein OECD Bericht.

Deutschland ist kein Einwanderungsland. Das war bis vor Kurzem noch offizielle Regierungspolitik – im In- und Ausland. Dass zahlreiche Zuwanderungsstatistiken das Gegenteil zeigten, spielte keine Rolle. Erst seitdem sich ein gewisser Fachkräftemangel bemerkbar macht, wird auch von offizieller Seite vom Einwanderungsland Deutschland gesprochen. Von einer Willkommenskultur ist mittlerweile sogar die Rede.

Viel zu spät, wie die am Montag vorgestellte OECD Studie „Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte: Deutschland“ zeigt. Die jahrelange Realitätsverweigerung hat vor allem im Ausland Spuren hinterlassen. Deutschland gilt nicht als Land, in dem Zuwanderer willkommen sind. Die jahrelange Abschottungspolitik ist – zumindest in Bezug auf Hochqualifizierte – mittlerweile überwunden, sie wirkt aber immer noch nach. Das deutsche Zuwanderungssystem werde „im In- und Ausland als restriktiv und schwer zugänglich wahrgenommen“. Aus OECD-Sicht sollte Deutschland einen Perspektivwechsel vornehmen.

___STEADY_PAYWALL___

Imagewechsel notwendig
Die Vorsitzende des Sachverständigenrats für Integration und Migration (SVR), Prof. Christine Langenfeld fordert einen Imagewandel: „Deutschland muss sein altes Image des Nicht-Einwanderungslandes loswerden und ein klares Willkommenssignal an hoch qualifizierte Zuwanderer senden.“ Die SVR-Vorsitzende empfiehlt, in den deutschen Botschaften Migrationsbeauftragte einzusetzen.

Ähnliches fordert der migrationspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Memet Kılıç: „Bisher herrscht in Deutschland keine moderne Willkommens-, sondern eine ideologische Abschreckungskultur. Zu einem entsprechenden Klimawandel in der Gesellschaft gehören antirassistisches Engagement, vereinfachte Aufenthalts- und Einbürgerungskriterien sowie mehr politische Teilhabechancen für Eingewanderte“, so Kılıç. Er fordert ein „einfaches und unbürokratisches Punktesystem“.

Nur wenige kommen nach Deutschland
Denn im internationalen Vergleich nur wenige ausländische Fachkräfte auf Dauer nach Deutschland. Der OECD-Bericht beziffert die Zahl der Arbeitsmigranten aus Nicht-EU-Ländern auf etwa 25.000 pro Jahr. Das seien rund 0,02 Prozent der Bevölkerung in Deutschland. Andere Länder wie Australien, Dänemark, Kanada und Großbritannien verzeichneten fünf- bis zehnmal so viele beschäftigungsorientierte Zuwanderer.

Dabei gehört Deutschland nach den jüngsten Reformen des Zuwanderungsrechts laut Studie zu den OECD-Ländern mit den geringsten Beschränkungen für die Zuwanderung hochqualifizierter Fachkräfte. Mit dazu beigetragen hat die Senkung der Mindesteinkommensschwellen für Hochqualifizierte mit der Einführung der „Blauen Karte“. Außerdem fiel für bestimmte Mangelberufe die Vorrangprüfung weg. Die Bilanz ist dennoch enttäuschend. Bisher seien 2500 „Blue Cards“ vergeben worden, teilte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen am mit.

Vermächtnis des Anwerbestopps
Ein weiterer Grund für den schleppenden Erfolg liegt im Inland. Hier haben sich die neuen Zuwanderungsregeln noch nicht herumgesprochen. Laut OECD ist die deutsche Zuwanderungspolitik für die hochqualifizierte Migration eine der offensten im OECD Raum: keine zahlenmäßige Begrenzung, zügige und kostengünstige Bearbeitung, geringe Ablehnungsquote.

Download: Die deutsche Version der OECD-Studie: „Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte: Deutschland“ kann hier kostenlos heruntergeladen werden.

Doch selbst Arbeitgeber, die Engpässe melden, greifen bislang selten auf internationale Personalbeschaffung zurück. Die Überzeugung ist weit verbreitet, dass eine Personalgewinnung im Ausland komplex und unzuverlässig ist. Yves Leterme, stellvertretender Generalsekretär der OECD: „Besonders betroffen sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die es nicht gewohnt sind, Arbeitskräfte aus dem Ausland einzustellen. Das Vermächtnis des allgemeinen Anwerbestopps ist, dass Arbeitsmigration auf Ausnahmen basiert. Diese Grundeinstellung muss sich ändern.“

Arbeitgeber fixiert auf Deutschkenntnisse
Ein weiteres Manko ist: Kleine- und mittelgroße Arbeitgeber legen viel Wert auf Deutschkenntnisse. Diese Anforderung können selbst internationale Studierende in Deutschland kaum erfüllen. Einer SVR-Untersuchung zufolge kann jeder Dritte allenfalls Grundkenntnisse nachweisen. Das reicht vielen Arbeitgebern nicht. Deshalb – so die Empfehlung der OECD – müssten verstärkt berufsspezifische Deutschkurse im Ausland und auch nach der Einstellung in Deutschland angeboten werden.

Ein weiteres Problem: Deutschland braucht nicht nur Hochqualifizierte, sondern auch Fachkräfte ohne Hochschulabschluss. Der SVR empfiehlt daher, für Bereiche, in denen Fachkräftemangel herrscht, auch Nicht-Akademikern eine Arbeitsaufnahme in Deutschland zu ermöglichen. Gesucht werden nach Angaben des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) etwa Fachkräfte in der Metall- und Elektroindustrie oder im Gesundheitswesen. Die OECD empfiehlt auch hier eine Absenkung der Einkommensgrenzen.

Nützlichkeitsrassismus
Dagegen wehrt sich Sevim Dağdelen, migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Sie befürchtet „Lohndumping“ und lehnt es ab, Menschen nach ihrer ökonomischen „Verwertbarkeit“ einzustufen. Das sei „Nützlichkeitsrassismus“. Dass die Fachkräfte trotzdem nicht kommen werden, habe „nicht zuletzt mit der Politik der Ausgrenzung und Diskriminierung und staatlichen Komplizenschaft mit Nazis zu tun. Diese hat sich über die Medien auch in andere Länder rumgesprochen.“ (bk)