Optionspflicht

Sachverständigenrat fordert Aussetzung der Optionspflicht

2013 müssen sich die ersten optionspflichtigen Jugendlichen entscheiden: die deutsche oder die ausländische Staatsangehörigkeit. Der Sachverständigenrat sieht darin ein integrationspolitisch verheerendes Signal. Unterdessen wirbt Böhmer für die deutsche Staatsbürgerschaft.

Montag, 14.01.2013, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 17.01.2013, 1:29 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Seit Jahresbeginn werden die ersten optionspflichtigen jungen Menschen 23 Jahre alt und müssen bis zu ihrem Geburtstag nachweisen, dass sie aus der anderen Staatangehörigkeit entlassen wurden, um den deutschen Pass behalten zu können. Wenn dieser Nachweis bei Vollendung des 23. Lebensjahres nicht vorliegt und sie keinen Anspruch auf eine Beibehaltung der ausländischen Staatsangehörigkeit haben, verlieren sie automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft. In Verfahren zur Optionspflicht zu Jahresbeginn zeigt sich erstmals, dass dadurch integrationspolitisch unerwünschte Härten für die Betroffenen entstehen.

„Ein Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft gegen den Willen der Betroffenen ist ein integrationspolitisch verheerendes Signal an junge Menschen, die sich grundsätzlich für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden haben, sich aber nicht frühzeitig um die Entlassung aus der anderen Staatsangehörigkeit bemüht haben“, mahnte die Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), Prof. Christine Langenfeld. „Statt ihre Zugehörigkeit zu stärken, schlagen wir diesen jungen Deutschen mit Doppelpass die Tür vor der Nase zu“, sagte die SVR-Vorsitzende am Freitag in Berlin.

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Hoher Verwaltungsauffwand
Die größte Gruppe der Betroffenen sind Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund. Bekannt geworden ist der Fall einer 23 Jahre alten Hanauerin, die in Hessen geboren und aufgewachsen ist und sich für die deutsche Staatsangehörigkeit entschieden hatte. Sie hatte allerdings den Antrag auf Entlassung aus der türkischen Staatsangehörigkeit so spät gestellt, dass sie den deutschen Behörden zum Stichtag nur ihren Antrag vorlegen konnte, aber noch keine Entscheidung aus der Türkei. Ihr wurde daher die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. In einem solchen Fall kann die deutsche Staatsbürgerschaft nur in einem Einbürgerungsverfahren wieder erlangt werden.

Für die deutschen Behörden entsteht durch die Optionspflicht ein hoher Verwaltungs- und Beratungsaufwand. Denn in jedem Einzelfall sollte beraten werden, wie ab dem 18. Lebensjahr am besten vorgegangen werden kann. Die Optionspflicht betrifft auch junge Menschen, deren Eltern aus einem EU-Staat stammen. Sie können einen Beibehaltungsantrag stellen, um die doppelte Staatsangehörigkeit behalten zu können.

Beibehaltungsgenehmigung stellen!
Aber auch Nicht-EU-Bürger sollten prüfen, ob in ihrem Fall eine Beibehaltung ihrer ausländischen Staatsangehörigkeit neben der deutschen möglich ist, etwa aus finanziellen oder rechtlichen Gründen. Die Bertelsmann Stiftung hat hierzu vorformulierte Musterformulare für alle Bundesländer zur Verfügung gestellt. Doch muss so ein Antrag rechtzeitig gestellt werden. Denn die Verfahrensdauer für die Entlassung aus der ausländischen Staatsangehörigkeit wird häufig unterschätzt. Zum Teil zieht sich dies über Jahre hin.

Linktipps: Die vorformulierten Musterformulare der Bertelsmann Stiftung für die Beibehaltungsgenehmigung mit weiteren wichtigen Informationen zum Antrag gibt es hier, eine Informationsbroschüre der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung zur Optionspflicht hier.

„Die Optionsregelung ist verwaltungstechnisch aufwändig und anfällig für Rechtsstreitigkeiten. Für die Betroffenen führt sie zu Rechtsunsicherheit in der zentralen Frage der Staatsangehörigkeit. Der SVR empfiehlt daher, das Optionsmodell auszusetzen“, sagte die SVR-Vorsitzende Christine Langenfeld. „Das Aussetzen des Optionsmodells sollte genutzt werden, um ein Staatsangehörigkeitsrecht zu entwickeln, das den Anforderungen eines modernen Einwanderungslandes entspricht und zugleich den rechtlichen Problemen der Mehrstaatigkeit Rechnung trägt“, empfahl die SVR-Vorsitzende.

Böhmer appelliert
Unterdessen appellierte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), am Donnerstag an die optionspflichtigen Jugendlichen, sich für die Beibehaltung der deutschen Staatsbürgerschaft zu entscheiden. „Gerade für junge Menschen ist es wichtig zu wissen, wo man sich emotional gut aufgehoben fühlt. Den Jugendlichen versichere ich: Sie sind wichtiger Teil unseres Landes, sie gehören zu uns! Entscheiden Sie sich dafür, die deutsche Staatsangehörigkeit zu behalten“, so Böhmer. (bk) Aktuell Politik

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  1. Werner sagt:

    Ach der Sachverständigenrat … zeitgemäß wäre, wenn die Kinder von Einwanderern qua Geburtsort die deutsche Staatsangehörigkeit bekämen. Und Punkt. Nix türkisches Hintertürchen. Es sagt viel über die Bananen(?)republik Türkei, dass Menschen nach mehreren Generationen immer noch von ihr vereinnahmt werden. Was soll das? Von den rhetorischen Geschützen (Verbrechen gegen die Menschheit), die hierbei von der Türkei aufgefahren werden, mal ganz zu schweigen.

    Zur Zeit wird das Wahlrecht überarbeitet. Dort soll auf einmal möglichst jede (!) Stimme zählen. Die zurvor vorgeschlagene (m.E.) vernünftige minimale Veränderung Richtung Mehrheitswahlrecht wurde vom Verf-Gericht gekippt. Da hätte man dann vielleicht eine gewisse Unschärfe beim Wahlvolk dulden können. Jetzt geht das nicht mehr.

    Durch Aussetzen der Optionspflicht würde man einen Unsicherheitsfaktor bei der Festlegung der Wahlberechtigten erhalten – vielleicht/sehr wahrscheinlich würde die Wahl anfechtbar. Schon die Wahl damals zur zweiten Legislatur bei Schröder war nicht ganz koscher. Es wird also kein Pardon geben (können). 23 Jahre sind nun wahrlich lange genug, um sich zu überlegen, ob man Bürger dieses Staates sein möchte. Welcher andere Staat räumt einem diese Bedenkzeit ein? Es sind immerhin 5 Jahre Wahlrecht bei ungeklärter Staatsangehörigkeit!