Projekt

Baden-Württemberg erprobt das anonyme Bewerbungsverfahren

Studien belegen: Menschen mit ausländisch klingenden Namen werden bereits im Bewerbungsverfahren diskriminiert. Baden-Württembergs Integrationsministerin steuert dagegen. Ein dreiviertel Jahr lang sollen anonymisierte Bewerbungsverfahren erprobt werden.

Das Baden-Württembergische Integrationsministerium hat am Donnerstag das Projekt „Anonymisierte Bewerbungsverfahren“ vorgestellt. „Mit dieser Initiative möchte die Landesregierung zum Abbau von Diskriminierungen auf dem Arbeitsmarkt und zugleich zu dessen Öffnung beitragen“, sagte Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD).

Das Projekt greift Erkenntnisse des im Jahr 2011 von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) aufgelegten Programms auf. ADS-Leiterin Christine Lüders bei der Vorstellung des Projekts: „Jetzt ist das anonymisierte Bewerbungsverfahren auch im Herzland der deutschen Wirtschaft angekommen. Darüber freue ich mich sehr, denn ich weiß, dass dieses Verfahren erstens für die Bewerbenden Chancengleichheit sicherstellt und zweitens für die Arbeitgeber ein Gewinn ist.“

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Größere Fallzahlen
Baden-Württemberg zeige damit, dass es sich lohne, in Zeiten des Fachkräftemangels und des demografischen Wandels neue Wege zu gehen. Stefan Bürkle, Geschäftsführer der Stuttgarter Firma Bürkle + Schöck Transformatoren GmbH: „Wir nehmen teil, da wir uns durch das anonymisierte Bewerbungsverfahren eine bessere Strukturierung und eine noch größere Objektivität im Hinblick auf die Bewerberinnen und Bewerber erhoffen.“

Werden anonyme Bewerbungsverfahren sich durchsetzen?
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    Die Ministerin freut sich, dass so viele unterschiedliche Firmen und Institutionen dabei sind: „Auch in diesem Fall ist Vielfalt bereichernd. So können wir zum Beispiel von den Erfahrungen des Bosch-Konzerns lernen. Außerdem erhalten wir größere Fallzahlen, um wissenschaftliche Schlüsse ziehen zu können.“

    Diskriminierung aufgrund des Namens
    Eine Studie der Universität Konstanz von 2010 hatte gezeigt, dass es Diskriminierungen bereits in Bewerbungsverfahren aufgrund ausländisch klingender Namen gibt. Diese Arbeitssuchenden haben trotz vergleichbarer Qualifikationen deutlich seltener die Chance, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden, als ihre Konkurrenz mit deutschen Wurzeln. Konkret ist die Chance 14 Prozent geringer. Noch deutlicher fällt dieser Unterschied in kleineren und mittleren Unternehmen aus: Dort haben Bewerber mit ausländisch klingenden Namen 24 Prozent geringere Chancen auf eine Einladung zum Vorstellungsgespräch.

    „Dabei handelt es ich häufig nicht um direkte und bewusste Diskriminierung, sondern um unbewusste Pauschalurteile und Selektionsprozesse, die nicht hinterfragt werden“, so Öney. Doch auch wenn kein böser Wille dahinter stecke, bedeuteten solche Diskriminierungen einen persönlichen Rückschlag für die Bewerber. Öney: „Nicht zuletzt ist es ein Schaden für Betriebe und Volkswirtschaft, wenn Potenziale verloren gehen.“ Diese Potenziale betreffen nicht allein Migranten. Der Arbeitsmarkt ist zum Beispiel auch für Frauen sowie ältere Bewerber nicht so offen, wie er sein sollte.

    Teilnehmende Arbeitgeber: Stadtverwaltung Mannheim, Firma Bosch aus Gerlingen-Schillerhöhe, Firma Bak Kardesler (bekannt als Baktat) aus Mannheim, Sozialministerium und Integrationsministerium aus Stuttgart, Firma Bürkle + Schöck Transformatoren GmbH aus Stuttgart, Firma Strohecker und Weinbrecht GmbH & Co.KG aus Niefern-Öschelbronn, Firma Panbear GmbH aus Mannheim, Alois Reutlinger Steuerberatungsgesellschaft mbH aus Rosenfeld und die Ingenieurkammer Baden-Württemberg aus Stuttgart

    Fokus auf die Qualifikation
    Anonymisierte Bewerbungsverfahren können für Betriebe ein geeignetes Verfahren sein, um sich bei Stellenbesetzungen in der ersten, besonders heiklen Bewerbungsphase – die Einladung zum Vorstellungsgespräch – auf die Qualifikation zu fokussieren. „Mit standardisierten Bewerbungsformularen können Auswahlprozesse auch einfacher und effizienter werden. Zudem schützt ein solches Verfahren vor Klagen, die sich auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz berufen“, so Öney. Werden Bewerber zum Gespräch eingeladen, legen sie die vollständigen Unterlagen vor. Die Personalverantwortlichen können sich dann vor dem Bewerbungsgespräch detailliert mit den Daten beschäftigen.

    Für die Ministerin sind anonymisierte Bewerbungsverfahren nur ein Aspekt, wenn es um Verbesserungen für benachteiligte Gruppen am Arbeitsmarkt geht. „Es ist notwendig, die interkulturelle Öffnung und Kompetenz in den Verwaltungen und Unternehmen voranzubringen. Vielfalt ist Realität in unserer Gesellschaft und auf den Märkten. Mit dieser Vielfalt gehen wir am besten um, wenn wir sie in den Organisationen abbilden“, sagte Öney. So verstehe sie das Modellprojekt auch als Kampagne, sich als weltoffene Arbeitgeber zu präsentieren. „Wenn standardisierte Bewerbungsverfahren effizienter sind und die Bewerberauswahl verbreitern, werden sich solche Verfahren durchsetzen“, ist sich die Ministerin sicher. Einer Regelung per Gesetz bedürfe es nicht.