BAMF-Publikation

Bundesamt gegen Migration und Flüchtlinge

Propaganda über vermeintliche Asylbewerber, die den Zuzug in die deutschen Sozialsysteme beabsichtigen, ist typische NPD-Rhetorik. Erstaunlich, dass diese Rhetorik in einer Infobroschüre des BAMF auftaucht – ohne Datengrundlage, wie das MiGAZIN erfahren hat.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sollte – jedenfalls dem Namen nach – für Flüchtlinge sein. Auch laut Selbstdarstellung hat es „den Menschen im Blick“. „Schützen“ und „Integrieren“ sei das Leitbild. Da könnte man meinen, es sei jedenfalls nicht gegen Flüchtlinge oder zumindest sachlich und objektiv. Nicht akzeptabel wären in jedem Fall Behauptungen und Unterstellungen, die Vorurteile und Angst vor Flüchtlingen schüren. So weit die Theorie.

Ein Blick in die BAMF-Publikation „Das deutsche Asylverfahren – ausführlich erklärt“ zeigt aber, dass Theorie und Praxis weit auseinanderklaffen. Laut Kurzbeschreibung informiert diese Broschüre „über einzelne Aspekte des Asylverfahrens und unterstreicht diese mit statistischen Daten“. Nach Daten sucht man auf Seite 10 aber vergeblich. Vielmehr wird dort Folgendes behauptet: „Das damals kontinuierlich steigende Asylbewerberaufkommen gipfelte im Jahr 1992 in über 400.000 Asylbewerbern, von denen der weitaus größte Anteil den Zuzug in die deutschen Sozialsysteme beabsichtigte.“

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Keine Daten
Auf welches Zahlenmaterial sich die BAMF dabei stützt, geht aus der 52-seitigen „Informations“broschüre vom September 2012 nicht hervor. Auch auf Nachfrage des MiGAZIN konnte das BAMF keine Auskunft geben. Ein Mitarbeiter der zuständigen Abteilung sagte lediglich, er sei „überfragt“. Zahlen zu „Absichten“ seien ihm nicht bekannt. Ob innere Absichten überhaupt ermittelt werden könnten? Nein, das bezweifle er.

Zweifel an dieser Behauptung hat auch der migrationspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Memet Kılıç. Dem MiGAZIN erklärte er: „In dem genannten Zeitraum, Anfang 90’er Jahre, sind sehr viele Menschen wegen dem Bürgerkrieg in Jugoslawien nach Deutschland geflüchtet, um ihr eigenes und das Leben ihrer Kinder zu retten. Diese Zeit habe ich als Vorsitzender des Ausländerbeirates der Stadt Heideberg miterlebt. Diesen Menschen Schutz zu bieten war eine großartige Leistung der Bundesrepublik. Die Flüchtlinge waren dafür sehr dankbar.“ Allerdings sei es „nicht hinnehmbar, dass sich das Bundesinnenministerium, bzw. das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Aussagen der verfassungsfeindlichen NPD zu Eigen macht“.

Institutioneller Rassismus
Für die migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dağdelen, ist das „nichts anderes als institutioneller Rassismus“. Mit gezielten, völlig überzogenen Zahlen und der Mär von einer auf den „Zuzug in die Sozialsysteme“ orientierten Migration werde der rechtspopulistische Popanz vom vermeintlichen Asylmissbrauch gepflegt. „Auch und insbesondere 20 Jahre nach den pogromartigen Ausschreitungen in Rostock, Hoyerswerda, den Mordanschlägen von Mölln, Solingen und der faktischen Abschaffung des Asylrechts erneut auf diese Art und Weise gegen Menschen aus Serbien und Mazedonien zu hetzen wirft ein Schlaglicht auf das Amt und das zuständige Innenministerium“, erklärte Dağdelen dem MiGAZIN.

Statt sich den „wirklichen Gefahren für die Gesellschaft, dem Rechtsterrorismus und mordenden Nazis, zu stellen“, mache man Politik auf dem Rücken der Schwächsten in der Gesellschaft. „Das ist schlimm und schändlich“, erklärt die Linkspolitikerin und hakt nach – mit einer schriftlichen Frage. Sie möchte von der Bundesregierung wissen, was sie von der BAMF-Behauptung hält. (es)