Racial Profiling 2/3

Der Staat nimmt eine Klassifizierung vor

In Deutschland kontrolliert die Polizei gezielt Schwarze Menschen und erfüllt damit den Tatbestand des „Racial/Ethnic Profiling“. Ende Oktober geht ein Prozess in Berufung. Der Fall des Klägers ist kein Einzelfall, wie drei Erfahrungsprotokolle zeigen. Heute: Belit Onay

Belit Onay ist in Goslar geboren. Der 31-Jährige promoviert in Jura, arbeitet im Landtag und ist Ratsherr für die Grünen der Stadt Hannover.

Ich habe eine sehr prägende Erfahrung gemacht, als ich Anfang des Jahres am Flughafen in Hannover gelandet bin. Als Teil des Vorstands der türkischen Gemeinde in Niedersachsen kam ich von einer Hilfsaktion für die Erdbebenopfer in der Türkei zurück. Wie üblich stand ich in der Passschlange für EU-Bürger. Das geht normalerweise ganz schnell, doch als ich an der Reihe war, dauert die Prüfung länger.

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Der Grenzpolizist sagte mir, dass sich sein Kollege gerne mit mir unterhalten wolle. Dieser stellte sich als Staatsschutz vor und fragte mich urplötzlich, wo ich herkomme, ob ich Kontakt zu Islamisten gehabt habe oder in Deutschland Kontakt zu Islamisten hätte. Ich war irritiert – irgendwie auch beschämt, fühlte mich schuldig gesprochen, was durch den Faktor bestärkt wurde, dass dieses Gespräch direkt neben der Passkontrolle stattfand und alle Fluggäste mithören konnten.

Nachdem sich das unangenehme Gefühl etwas gelegt hatte, wurde ich ärgerlich: „Ich war in der Türkei und da gibt’s Moscheen“, habe ich patzig gesagt. Da kippte die Stimmung. Ich fragte den Beamten vom Staatsschutz, warum er mich herausgepickt hätte – was mit den anderen in der Reihe sei. Er meinte nur, dass die Kontrolle Routine sei. Später – zu Hause – fiel mir auf, dass ich der einzige in der EU-Reihe war, der wohl irgendwie „türkisch“ ausgesehen haben muss. Ich passte wohl ins Raster mit meinem Namen, meinem Alter und meinem Geschlecht.

Es ist ein scheiß Gefühl, wenn man nach Hause kommt und so etwas passiert. Für mich ist die polizeiliche Willkür, einfach kontrolliert werden zu können, nicht nachvollziehbar. Mit der Erlaubnis verdachtsunabhängiger Kontrollen erlaubt der Staat eine Klassifizierung. Dabei sind Rasse, Religion und Herkunft die bestimmenden Kriterien. Das finde ich fatal, denn die Botschaft damit lautet, dass es Bürger zweiter oder dritter Klasse gibt. Zudem gibt es keine objektiven Sicherheitskriterien, wenn sie sich an Stereotypen und rassistischen Vorurteilen festmachen. Diese werden dadurch nur noch mehr geschürt und manifestiert.

Echte Sicherheitspolitik geht anders, was auch die Erkenntnisse rund um die NSU-Morde deutlich machen. Sie sind die Spitze des Eisberges dessen, was sich institutioneller Rassismus nennt. Darin zeigt sich auch der Bruch in der Gesellschaft mit der Botschaft: Du gehörst nicht dazu. Diese zieht sich für viele durch den Alltag: an der Diskotür, bei der Wohnungssuche, bei Behördengängen und am Ende eben auch im Kontakt mit der Polizei. Doch wird bei einem Staatsorgan wie diesem der gesellschaftliche Rassismus noch durch eine gesetzliche Rechtsprechung untermauert. So wird paranoiden, stereotypen und rassistischen Bildern – wie den einseitigen Bildern von Drogenhändler aus Afrika und Islamisten aus arabischen Ländern – Recht gegeben.

Ich finde keine Worte dafür, welcher Sog sich in diesem Polizeikontrollen spiegelt. Schließlich kommt doch auch – glücklicherweise – keine deutsche Sicherheitsbehörde auf die Idee alle Ostdeutschen Menschen in diesem Land gesondert und verstärkt zu kontrollieren, nur weil die NSU aus Ostdeutschland kam und insbesondere die neuen Bundesländer seit Jahren mit einem flächendeckenden Neonazi-Problem zu kämpfen haben. Warum geht das bei Menschen mit „Migrationshintergrund“ dann so einfach? Wo ist der gesellschaftliche Aufschrei und warum wagt sich keiner an den Kern des Problems zu gehen?