LKA-BW Gutachten

Wieso die NSU-Mörder Ausländer sein mussten

Eine Analyse des LKA Baden-Württemberg aus dem Jahr 2007 zeigt, wieso die NSU-Mörder unbehelligt morden konnten und wieso die Täter Ausländer sein mussten – ein Konstrukt aus Normen- und Wertesystemen.

Zehn Monate sind seit dem zufälligen Auffliegen der NSU vergangen. Und immer noch sind die Sicherheitsbehörden nicht in der Lage zu erklären, wie die Zwickauer Terroristen über einen Zeitraum von zehn Jahren zehn Menschen kaltblütig und brutal erschießen konnten, ohne festgenommen zu werden.

Bisher werden bei der Aufklärung mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet. Aktenvernichten, Falschaussagen, vorenthalten von Informationen dominieren seit Monaten die Schlagzeilen. Ein Skandal jagt die andere.

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Fallanalyse aus dem Jahr 2007

Heute weiß man zwar, dass die Täter Neonazis waren und aus Fremdenfeindlichkeit gemordet haben, doch wie konnte es passieren, dass Fahnder jahrelang im Dunkeln tappten? Hat wirklich keine einzige Spur ins rechtsextreme Milieu geführt? Zwischen den Jahren 2000 und 2006 wurden bei einer Mordserie neun Menschen mit Migrationshintergrund brutal ermordet und rassistische Motive wurden nicht einmal ernsthaft in Erwägung gezogen? Wieso jagte „SOKO Bosporus“ den „Döner-Mörder“ und nicht „SOKO Zwickau“ den „Nazi-Killer“?

Fragen, auf die ein Dokument des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg (LKA-BW) aus dem Jahr 2007 zumindest Teilauskunft gibt. Dabei handelt sich um die „Gesamtanalyse der bundesweiten Serie von Tötungsdelikten an Kleingewerbetreibenden mit Migrationshintergrund“. Eine über 100-Seiten starke Fallanalyse, die im Auftrag der Innenministerien Baden-Württemberg und Bayern erstellt wurde und die dem MiGAZIN jetzt vorliegt.

Unser Kulturkreis

Darin zeichnet Kriminalhauptkommissar beim LKA-BW und hauptverantwortlicher Fallanalytiker Udo Haßmann unter anderem ein Täterprofil. Haßmann, der im Mai 2012 vor dem NSU-Untersuchungsausschuss aussagte, schreibt wörtlich:

Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturkreis mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist“. Wahrscheinlich sei daher auch, dass die Täter „im Ausland aufwuchsen oder immer noch dort leben“.

Mörder = immer Ausländer

Danach ist der Fall aus Sicht des hauptverantwortlichen Fallanalytikers des LKA-BW klar: Wann immer ein Mensch getötet wird, handelt es sich beim Täter wahrscheinlich um einen Ausländer weil „unser Kulturkreis“ Tötungen tabuisiert. Diese Behauptung durchzieht sich wie ein roter Faden durch die 100 Seiten.

Ein mögliches fremdenfeindliches Motiv wird in der Fallanalyse nicht konstruiert. (es)