Österreichische Befindlichkeiten

Israelisches Kunstprojekt will Image-Kampagne über europäische Muslime

In Graz findet im Rahmen der Kunstaktionstage „steirischer herbst“ dieser Tage eine Gala zur Vorstellung des Kunstprojekts „Rebranding European Muslims“ statt. Die Ausrichtung des Projekts regt zum Hinterfragen an.

Von Helga Suleiman Dienstag, 25.09.2012, 8:22 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 27.09.2012, 7:46 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Am 28.9.2012 wird in Graz im Rahmen der Kunstaktion „steirischer herbst“ eine große Gala vom Stapel gelassen. Sie soll das Projekt „Rebranding European Muslims“ der israelischen Künstlergruppe „public movement“ vorstellen und wohl auch finanziell ausstatten. Ein großflächiges Plakat – es wurde in Berlin/Auguststrasse und jetzt in Graz/Lendplatz angebracht – wirbt für das Projekt. Auf ihm ist ein bärtiger Mann in Lederjacke zu sehen, der seine Hände nach islamischer Art zum Bittgebet erhebt. Darunter steht: „Der Ansatz für Multikulti ist gescheitert, absolut gescheitert“, eine Aussage der deutschen Bundeskanzlerin Merkel. Dana Yahalomi, Leiterin des Projekts dazu: Wir sollten ihr die Hände schütteln, und danke sagen, für was, was wir schon wussten.

Mit diesem „branding-Auftakt“ will Dana Yahalomi anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums der Anerkennung des Islams als offizielle Religion in Österreich eine Auseinandersetzung mit der Situation der Muslime in Europa anregen. Dazu wurden von ihr drei PR-Agenturen- bzw. Strategen ausgewählt, über deren Standorte es unterschiedliche Auskünfte im Internet gibt. Bei der Gala sollen die Vorschläge für die „branding Kampagne“ der drei bislang unbekannten Agenturen vorgestellt werden und durch Publikumsabstimmung die „Siegeridee“ ermittelt werden, mit der Yahalomi dann weiterarbeiten will. Wie, in welcher Form, hält sich die Künstlerin offen.

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Man will eine Debatte inszenieren, sagt Yahalomi. Doch was soll damit erreicht werden? Einerseits liest man: damit Europa die Integration von Muslimen anerkennt, andererseits, dass die verschiedenen Definitionen Anregungen bekommen, um die Positionen zu erweitern, die wir haben. Wer ist hier mit „wir“ gemeint? Welche Anregungen, wenn verschiedene Aussagen (und welche?) einfach hingestellt werden, sodass dich jede/r erst recht bestätigt fühlen kann, in dem was er/sie sowieso denkt? Sie sei nämlich, so sagt sie gegenüber der österreichischen Tageszeitung der Standard, nicht daran interessiert, einen Konsens zu kreieren – Ziel sei, die agonistischen Beziehungen auf die Bühne zu bringen und im Mittelpunkt stehen zu lassen, ohne jemanden abzuweisen.

Es ist zu befürchten, dass damit auch die Positionen der rechtsgerichteten Freiheitlichen Partei gemeint sind, mit denen sich Yahalomi auch getroffen hat, um ihre Meinungen einzuholen, um ihre Ängste zu verstehen, wie sie sagt. Welche Ängste bitteschön? Muezzin statt Pummerin 1 oder Daham 2 statt Islam?

Welche weiteren großflächigen Plakatentwürfe sind mit so einem Zugang zu erwarten?

Branding ist ein Ausdruck aus dem Marketing-Repertoire der Werbewirtschaft, mit dem Images, und eben „Marken“ produziert werden. Auch Staaten bedienen sich solcher PR-Strategien. Die Frage ist, ob EU-BürgerInnen Bestätigungen und Wiederholungen von Vor- und Urteilen im Umgang mit MuslimInnen, die derzeit in medialen und politischen Diskursen kursieren, wirklich brauchen, um zu einer Identität zu kommen, die die MuslimInnen miteinschließt – wieder eine Position, die public movement gemäß Aussage ihrer Leiterin etablieren will.

Abseits der widersprüchlichen Aussagen zu Sinn, Zweck und Ausrichtung dieses Projekts lässt sie mit der Ankündigung aufhorchen, wer als Moderator bei der großen Gala auftreten soll. Yahalomi hat dafür den israelischen Diplomaten und ehemaligen Botschafter Israels in Deutschland, Avi Primor ausgewählt. Damit ist die offenkundige Frage auf dem Tisch: Was hat ein israelischer Diplomat mit den europäischen Muslimen zu tun?

Dana Yahalomi hat eine Antwort: Er sei der perfekte Repräsentant, wegen seiner Arbeit auf dem meeting-point zwischen Europa und dem Mittleren Osten. Nun bleibt offen, was mit meeting-point gemeint ist. Sollte damit Israel gemeint sein, stellt sich zuerst die große Frage nach dem Verhältnis Israels zu den Muslimen und muslimischen Gemeinschaften in Israel/Palästina selbst; – ein Verhältnis, das angesichts der Apartheid Politik Israels, gekennzeichnet ist durch Gewalt, Vertreibung, Menschenrechtsverletzungen. Man denke an die fortgesetzte Siedlungspolitik mit ihrem permanenten Landraub an den PalästinenserInnen, den Sperrwall, die Zerstörung ganzer arabischer Stadtviertel in Ost-Jerusalem, den Bau eines „Toleranz-Museums“ direkt auf einem muslimischen Friedhof, die Blockade und Aushungerung der Bevölkerung in Gaza.

Interessierte wissen, dass Ostjerusalem in der besetzten Westbank liegt, dass in Ostjerusalem die drittheiligste Stätte des Islam, die berühmte Al-Aqsa Moschee liegt. Der israelische Regierungschef Netanjahu hat verkündet, dass ganz Jerusalem, West- und Ost, Hauptstadt eines jüdischen Staates sein soll. Damit wiederholte er die israelische Proklamation Jerusalems zur „ewigen und unteilbaren“ Hauptstadt Israels von 1980, welche von der UNO-Vollversammlung mehrmals für illegal und „null und nichtig“ erklärt worden war. Auch die EU will keinen Status Jerusalems anerkennen, der nicht in direkten Verhandlungen zwischen israelischer und palästinensischer Seite festgelegt worden ist.

Avi Primor, als Stellvertreter Israels, soll also der richtige Mann sein, um das Verhältnis europäischer Muslime in Graz zu moderieren? Ein Mann, der sich – im Einklang mit der israelischen Regierung – gegen die Anerkennung eines palästinensischen Staates bei der UNO ausspricht.

Muss man sich angesichts dessen nicht vielmehr fragen, ob der steirische herbst in der „Menschenrechtshauptsstadt Graz“ hier Repräsentanten eines völker- und menschenrechtsverletzenden Staates ein Forum zur Selbstdarstellung bietet, zum eigenen „branding“ also, und zwar auf dem Rücken der Muslime in Europa?

Es bleibt zu hoffen, dass EU-ParlamentarierInnen und andere, die offenbar über den steirischen herbst zu einer weiteren Finanzierung der Kampagne gewonnen werden sollen, bessere Möglichkeiten finden, zivilgesellschaftliche Debatten zu fördern – solche, die ohne Kulturalisierungsklischees auskommen, partizipativ und mainstreamkritisch sind, vielfältig und parteiisch gegen Rechts.

Dafür lohnt es sich, einen Blick auf die Homepage dieser KünstlerInnengruppe zu werfen: www.gods-entertainment.org

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  1. Zara sagt:

    ein Verhältnis, das angesichts der Apartheid Politik Israels
    —–
    Kaum verhohlener Antisemitismus. In Israel gibt es muslimische Abgeordnete, Künstler, Intellektuelle, Schauspieler etc..

    Wie viele jüdische Parlamentarier gibt es in den islamischen Ländern? Wie viele hunderttausende Juden wurden aus den islamischen Ländern vertrieben oder getötet?

    Israel hat eine Fläche so groß wie Hessen, ein winziges Stück Land geschaffen um sich selbst schützen zu können, um nicht ständig in europäischen und islamischen Ländern bzw. deren Bevölkerung progromt und gevölkermordet zu werden.

    Man denke an die fortgesetzte Siedlungspolitik mit ihrem permanenten Landraub an den PalästinenserInnen, den Sperrwall, die Zerstörung ganzer arabischer Stadtviertel in Ost-Jerusalem, den Bau eines „Toleranz-Museums“ direkt auf einem muslimischen Friedhof, die Blockade und Aushungerung der Bevölkerung in Gaza.
    —————
    Der letzte Punkt sprengt wohl alles. Aushungerung? Es ist kein Gaza-Bewohner an Hunger gestorben, weil Israel und Europa Lebensmittel bereitstellen. Es gibt im Gegenteil im Gazastreifen immer mehr Menschen mit Übergewicht. Israel versorgt eine Bevölkerung rundum, bspw. auch teure Behandlungen in Krankenhäuser, die mit absoluter Mehrheit eine Terrororganisation gewählt haben in deren Charta folgendes steht:

    „Die Stunde des Gerichtes wird nicht kommen, bevor Muslime nicht die Juden bekämpfen und töten, so dass sich die Juden hinter Bäumen und Steinen verstecken und jeder Baum und Stein wird sagen: ‚Oh Muslim, oh Diener Allahs, ein Jude ist hinter mir, komm und töte ihn!’“

    Es geht wohl kaum ein Land so human mit seinen Feinden um wie Israel. Der Gazastreifen wird mit pro Kopf 300 US-Dollar pro Monat von Israel, Europa und USA finanziert.

    Hätten die Deutschen, nach dem 2. Weltkrieg weiter auf Amis, Franzosen und Engländer geschossen und ihre eigenen Gebäude in die Luft gejagt, hätte der Marshall-Plan wohl auch nicht gefruchtet.

    Und Avi Primor wird die Fähigkeit abgesprochen diese Veranstaltung zu moderieren, weil er Israeli bzw. Jude ist- aber das hat ganz sicherlich nichts mit Antisemitismus zu tun.

  2. aloo masala sagt:

    @Zara


    Kaum verhohlener Antisemitismus.

    Ihr Gegenargumente sind weder eine Begründung, dass der Autor unverhohlen antisemitisch ist noch wird damit widerlegt dass Israel kein Apartheidstaat ist.

    Um zu widerlegen, dass Israel kein Apartheidstaat ist, müssen Sie sich schon die Mühe machen, den Kern des Apartheid-Verbrechens zu entkräften. Das das Apartheid-Verbrechen ist wie folgt definiert:

    „unmenschliche Handlungen […] , die von einer rassischen, ethischen, kulturellen, religiösen oder anderen Gruppe im Zusammenhang mit einem institutionalisierten Regime der systematischen Unterdrückung und Beherrschung einer oder mehrerer anderer Gruppen in der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten“.

    Es gibt eine ganze Reihe gewichtiger Argumente, die dafür sprechen, dass Israels Politik gegen die Palästinenser ein rassistisches Verbrechen bzw ein Apartheid Verbrechen ist. Dazu zählen eben zum Teil die Argumente des Autors aber auch noch einige andere.

    Erhellend ist auch eine von Wikileaks veröffentlichte Depesche. US-Diplomaten wurde von Seiten Israels im Jahre 2008 informiert, sie wollen die Wirtschaft des Gaza-Streifens ganz im Sinne des Apartehid-Verbrechens „am Rande des Zusammenbruchs halten“:

    “Als Teil des gesamten Embargoplans gegen Gaza, haben israelische Offizielle mehrmals bestätigt (gegenüber der US-Botschaft in Tel Aviv), sie haben die Absicht die Wirtschaft des Gaza am Rande des Zusammenbruchs halten, ohne sie über den Rand zu stossen,“ steht in der Depesche vom 3. November 2008.

    Wer den Autor derart scharf angreift, sollte sich schon die Mühe machen, seine schweren Vorwürfe auch sauber zu begründen.

  3. posteo sagt:

    Ich finde die Siedlungspolitik Israels im Westjordanland auch besch…eiden.
    Nur finde ich es drollig, dass die israelische Siedlungspolitik bevorzugt von Menschen angeprangert sind, die sonst ständig den Slogan „kein Mensch ist illegal“ auf ihren Lippen tragen.
    Was das angebliche Aushungern der Bevölkerung im Gaza-Streifen angeht, kann ich Zara nur bestätigen.
    Und was hält schließlich die ca. 500 Millionen Araber ab, die 1,5 Millionen Brüder im Gazastreifen bei sich aufzunehmen? Und was hält die „Palis“ ab, ihr Getto aufzugeben und zu ihren arabischen Nachbarn zu ziehen, wo es schließlich auch wunderbare Strände und prächtige Städte gibt? Israel würde sie dabei bestimmt nicht hindern.