NSU-Skandal

Wieder Panne, wieder Rücktritt

Der NSU-Skandal zwingt den vierten Verfassungsschutzchef zum Rücktritt. Am Donnerstag traf es Volker Limburg in Sachsen-Anhalt. Grund für den Rücktritt sind wichtige Akten über Uwe Mundlos, die jetzt aufgetaucht sind.

Freitag, 14.09.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 20.09.2012, 1:04 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Eine weitere „Panne“ im NSU-Skandal führt mittlerweile zum vierten Rücktritt an der Spitze der Verfassungsschutzämter. Nach Heinz Fromm, Thomas Sippel und Reinhard Boss folgte am Donnerstag der Chef des Landesverfassungsschutzes in Sachsen-Anhalt, Volker Limburg. Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) ist der Bitte Limburgs nachgekommen, ihn in den Ruhestand zu versetzen.

Grund für den Rücktritt ist eine Aktenkopie über den NSU-Terroristen Uwe Mundlos, die am Mittwoch in Sachsen-Anhalt aufgetaucht ist. 1995 hatte der Militärische Abschirmdienst (MAD) Mundlos verhört, weil er rechtsextremistisch aufgefallen war. Unter anderem wurde der spätere NSU-Mann gefragt, ob er den Sicherheitsbehörden Informationen aus der rechten Szene liefern wolle. Das Gespräch wurde protokoliert und an verschieden Verfassungsschutzämter weitergeleitet.

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Stillschweigen über Monate
Weder die Verfassungsschutzbehörden noch der MAD haben darüber je ein Wort verloren. Erst eine gezielte Anfrage von Christian Ströbele (Grüne) brachte Schwung. Die Akten tauchten auf. Mit dem Rücktritt Limburgs ist die Sache aber nicht erledigt. Dieser Vorfall wirft weitere Fragen auf. Unter anderem auch, wieso der MAD nicht von sich aus auf die Akten hingewiesen hat. Schließlich wurden die Originale der jetzt gefunden Akten von ihr angelegt.

Das bringt Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) in Bedrängnis. Er bedauerte die späte Entdeckung der MAD-Akte: „Ich ärgere mich darüber am allermeisten“, sagte er am Donnerstag. Das reicht dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, Sebastian Edathy (SPD), aber nicht. „Wir werden auch Vertreter des Verteidigungsministeriums vorladen. Das, was uns mitgeteilt worden ist, ist, dass die Spitze des Hauses, einschließlich des Verteidigungsministers, seit März wusste, dass es seit März 1995 Kontakt gab zwischen einer deutschen Sicherheitsbehörde und Herrn Mundlos. Das ist eine der zentralen Fragen, die uns interessieren: Gab es solche Kontakte? Dieses Wissen ist uns vorenthalten worden. Das ist eine Missachtung des Parlaments. Das ist eine Geringschätzung unserer Arbeit“, so Edathy im ZDF-Morgenmagazin.

Auflösung von MAD und Verfassungsschutz gefordert
Grünen-Chefin Claudia Roth forderte personelle Konsequenzen im Verteidigungsministerium. Der Vorgang habe eine „Tragweite, bei der es nicht genügt“, wenn de Maizière von „bedauerlichen Versäumnissen“ spreche, sagte sie der Süddeutschen Zeitung. Roth forderte ebenso wie andere Grünen-Spitzenpolitiker die Auflösung des MAD. Die Behörde habe „ausgedient“

Auch aus Regierungskreisen werden Forderungen nach Abschaffung der MAD laut. Die dpa meldet, dass sich auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) dafür ausgesprochen hat. Für die Linkspartei steht die Notwendigkeit der MAD-Abschaffung schon länger außer Frage. Linke-Vorstandsmitglied Jan Korte geht noch einen Schritt weiter und fordert gleich eine ganz neue Sicherheitsarchitektur für Deutschland. Und das schließe den Verfassungsschutz mit ein. Korte ist überzeugt: „Verfassungsschutz und MAD schützen nicht die Demokratie, sie stehen ihr im Weg.“

NSU-Beschuldigter V-Mann?
Unterdessen beklagt der NSU-Untersuchungsausschuss eine weitere Aktenpanne. Es sei bekannt geworden, dass in Berlin bereits im Jahr 2002 ein Hinweis auf den möglichen Aufenthaltsort der untergetauchten Terrorzelle vorgelegen habe. Das Land habe diese Information aber nicht an den Ausschuss weitergeleitet. Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) versprach Aufklärung: „Wir ermitteln das mit Hochdruck.“

Unter großem Druck wird Henkel auch eine weitere Frage beantworten müssen: Ein Beschuldigter im Fall NSU soll mehrere Jahre lang V-Mann des Landes Berlin gewesen sein. Edathy sagte, das Gremium sei darüber informiert worden. „Das werden wir zu klären haben.“ (bk) Leitartikel Politik

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