NPD-Verbot

Debatte zur Ablenkung vor der eigenen Unwilligkeit, in den eigenen Reihen aufzuräumen

Erneut wird über ein NPD-Verbot debattiert. CSU-Chef Horst Seehofer hat es ausgelöst. Aber nicht die NPD ist das Problem, sondern Politiker, die Wählern fremdenfeindliche Parolen auf die Wahlzettel projizieren.

Niemand käme auf die Idee, über ein NPD-Verbotsverfahren zu sprechen, wenn sie in Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern nicht im Landtag vertreten wäre und den Landtagseinzug in Sachsen-Anhalt nur knapp verpasst hätte. Ein NPD-Verbot würde nicht diskutiert werden, wenn sie bei den letzten Bundestagswahlen nicht 635.000 Wählerstimmen eingeheimst hätte.

Nicht die NPD ist das Problem, sondern Wähler, die ihre Stimme an diese Bande verschwenden. Und weil die Wähler auch nach einem NPD-Verbot immer noch dieselben Wähler wären, wäre das Problem nicht aus der Welt geschafft. Wenn es keine NPD mehr gibt, gibt es Alternativen genug. Fakt ist: Diese Wähler würden auch bei den nächsten Wahlen ihre Stimme abgeben.

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Eine Wählerschicht, die laut Studien vergleichsweise ungebildet, arbeitslos und jung ist. Eine mit Parolen und verkürzten Sachverhalten leicht zu manipulierende Wählerschaft, die ausgerechnet dort am stärksten ist, wo die wenigsten „Fremden“ leben. Eine Wählerschicht, die nicht aufgrund eigener negativer Erfahrungen mit „Fremden“ ihre Stimme der NPD gibt, sondern weil ihr Fremdenfeindlichkeit von außen – meist über die Medien – eingehämmert wird.

Und nicht die NPD allein hämmert, nein! Medial wirksame Debatten über vermeintliche Integrationsverweigerer oder ebensolcher Schock-Studien über gewalttätige radikale muslimische Jugendliche wurden nicht von der NPD angestoßen. Nein, kaum eine ausländerfeindliche Debatte wurde von der NPD angestoßen. Sie reitet allenfalls auf dieser Welle, profitiert davon.

So war es Hans-Jürgen Irmer, der schulpolitische Sprecher der CDU in Hessen, der Muslime erst kürzlich kollektiv der Lüge bezichtigt hat, in seiner „Wetzlar Kurier“ ausländerfeindliche Reime veröffentlicht und diese kostenlos an Haushalte verteilt hat, ohne dafür von seiner Partei auch nur gerügt zu werden. Nein, er bekam sogar Rückendeckung mit großem Eifer. Beispiele wie diese gibt es viele – von der Basis bis in die Spitzen der großen Parteien aller couleur.

Es war SPD-Politiker Thilo Sarrazin, der die wohl ausländerfeindlichste Debatte in der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte angestoßen hat ohne ein Parteiausschlussverfahren. Es waren Beamte in den Innenministerien, die NSU-Akten vernichtet haben und Sicherheitsdienste, die jahrelang lieber weggeschaut und vertuscht haben. Es sind wiederum Innenministerien, die ausländer- und islamfeindliche Internetseiten trotz offener Hetze nicht beobachten und weiter gewähren lassen; die Moscheebesucher jahrelang verdachtsunabhängig auf offener Straße mit schwer bewaffneten Polizisten kontrolliert haben; die für Lehrer Broschüren drucken, in denen aufgefordert wird, (auffällige) muslimische Schüler zu melden. Über die Wirkung dieser Maßnahmen, scheinen sich die Verantwortlichen keine Gedanken zu machen. Kurz: Es sind die Innenministerien, die Muslime fast nur noch im sicherheitspolitischen Kontext thematisieren, als potenzielle Gefahrenquelle darstellen. Es sind die Innenministerien, die durch Geldzahlungen an V-Leute rechtsextreme Strukturen geschaffen haben.

Das besonders Bedrohliche daran ist: Bei der NPD weiß der Wähler wenigstens, welche Ideologie dahintersteckt und hinterfragt kritisch. Die Farbe ist klar braun. Was soll aber der Wähler über den „Fremden“ denken, wenn der braune Stoff im sozial-christlichen Gewand schwarz/rot verpackt und als Volkspartei daherkommt? Die Auswirkungen machen sich nicht nur bei den Wahlen bemerkbar, sondern in den Amtsstuben, in den Personalabteilungen, in der Schule oder bei der Wohnungsvergabe, in der Bahn, an der Diskotür… Ist die Debatte einmal entfacht, helfen auch beschwichtigende Statements von Parteispitzen nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt hat die NPD bereits übernommen, der Wähler längst registriert.

Und deshalb ist der Kampf gegen die NPD ist kein Kampf gegen den Rechtsextremismus. Sie lenkt von der eigenen Unfähigkeit und Unwilligkeit ab, in den eigenen Reihen aufzuräumen, Ämtern zu entnazifizieren. Diese Debatte wird geführt, um sich als Bekämpfer des Rechtsextremismus zu präsentieren und so dem braunen Hämmern in den eigenen Reihen, einen bürgerlichen/unauffälligen Anstrich zu verpassen.

So auch CSU-Chef Horst Seehofer, der am Sonntag eine weitere NPD-Verbotsdebatte ausgelöst hat. Derselbe Seehofer, der sich noch im März 2011 gegen Zuwanderung „aus fremden Kulturkreisen“ ausgesprochen und angekündigt hat, sich dagegen „bis zur letzten Patrone“ zu sträuben. Nach dem Bekanntwerden der NSU-Tatwaffe würde er diese Worte so wahrscheinlich nicht mehr in den Mund nehmen. Nur, was nützt es? Auch hier hat die NPD schon längst übernommen [ganz oben!] und selbst der im entlegensten Eck der Republik weilende Wähler sein Statement vernommen – eine Wirkung und Verbreitung, von der NPD-Politiker nur träumen können; eine Steilvorlage, Brühe auf die Mühlen der NPD.

Ich wiederhole mich: Die NPD ist das kleinere Übel. Das Problem sind Politiker aus der vermeintlichen Mitte, die Wählern fremdenfeindliche Parolen auf die Wahlzettel projizieren.