Österreichische Befindlichkeiten

Si parla…TÜRKÇE?

Die Sprache des Urlaubslieblingslandes lernt man in der Regel gerne. Nur dann nicht, wenn viele Menschen aus diesem Land in der eigenen Heimat leben. Dann kommt es zu einer sprachlichen Sympathiekehrtwende.

Die aktuelle Eurobarometer Umfrage liefert Daten über die Einstellung der EU-Bevölkerung zu Mehrsprachigkeit. Die soll weiterhin intensiv gefördert werden. Auslandsaufenthalte, zu denen auch der Urlaub zählt, begünstigen den Spracherwerb. Ein Urlaubslieblingsland zu haben, kann bedeuten, die Sprache seiner Einwohner lernen zu wollen. Wenn Migranten aus diesem Land in der Heimat der Urlaubenden leben, kommt es jedoch zu einer sprachlichen Sympathiekehrtwende.

Während nur 2% der Befragten aus den 27 EU-Ländern sich wünschen, dass ihre Kinder Italienisch lernen, sind es in Österreich 10%. Dieser bemerkenswerte Unterschied ist erklärbar durch die Meinung von 64% der Österreicher (im Vergleich zu 47% Befragten aus den anderen EU-Ländern), dass der Hauptvorteil des Lernens einer neuen Sprache ist, sie im Urlaub zu verwenden. Nicht schwer zu erraten: Italien ist des Österreichers liebstes Urlaubsland.

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Soweit, so klar. Mich hat verwundert, dass 25%(!) mehr Österreicher als Befragte der anderen EU-Länder, den Vorteil des Fremdsprachenerwerbs darin finden, Menschen anderer Kulturen zu verstehen. War ich denn Zeit meines Lebens an der Multikulti-Abteilung der Herzkammer meiner Landsleute vorbeigeirrt? Oder betraf dieses Verstehen-Wollen doch nur die begrenzte Urlaubszeit, in der man mit den freundlichen Gastgebern gerne einige Wörter in Landessprache wechselt?

Also habe ich überlegt, was im Sprachenbewusstsein Österreichs passiert, wenn die Türkei zum liebsten Urlaubsziel der Österreicher wird. Wollen sie Türkischkurse? Motivieren sie ihre Kinder dazu, Türkisch zu lernen?

Immerhin zieht es immer mehr Österreicher Richtung Südosten. Die Angebote sind günstig, weil subventioniert vom türkischen Staat (und die unterbezahlte Arbeit des Flugpersonals der Türk Hava Yolları (Turkish Airlines) trägt auch etwas dazu bei). Mit der Qualität der türkischen Hotellerie kann Italien schon lange nicht mehr mithalten. Das erklärte mir vor kurzem ein pensionierter Bankdirektor aus der Provinz und er will es wissen, denn er war da wie dort schon unzählige Male. Vor Begeisterung über den gebotenen Luxus in den türkischen Hotels konnte er kaum an sich halten. Er – ein würdiger Nutznießer des neoorientalistischen Zeitgeistes – wähnte sich darin wie ein saudischer Prinz.

Ob er auch die Sprache lernen würde, fragte ich ihn. Ja sicher, warum nicht, antwortete er im Brustton der Überzeugung. Da sei er dann doch auch dafür, dass Türkisch als Fremdsprache, gleichberechtigt neben Italienisch, an österreichischen Schulen unterrichtet wird und auch Maturafach ist, meinte ich.

Nein, da sei er gar nicht dafür, war die Antwort, das sei ganz was anderes. Als Begründung lieferte er das Anpassungsargument und weitere der Sorte „Unvereinbarkeit der Kulturen“.

Ach so. Die österreichische Gastfreundschaft gilt der zahlenden Kundschaft. Deshalb werden echte saudische Prinzen im Salzburgerischen wahrhaftig hofiert. Vielleicht ist es nicht mehr weit hin, und die Kellnerinnen setzen sich freiwillig ein Kopftuch auf, um den zahlungskräftigen Kunden zu Gesicht zu stehen. Das hält Unternehmer nicht davon ab, muslimische Frauen mit Migrationshintergrund weiterhin in der Küche zu „verstecken“. Sie müssen arbeiten, um sich den Deutschkurs zu finanzieren, um die sogenannte Integrationsprüfung zu bestehen und eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Das Management hingegen lernt Sprachen wie Arabisch und übt sich über sündteure Seminare in interkultureller Kompetenz.

Tatsächlich laufen die Dinge so parallel und so verkehrt. Wo es Profit zu holen gibt, soll Fremdsprache gelernt, kulturelle Offenheit gelebt und religiöse Vielfalt gepflegt werden.

Profit haben durchaus jene Gastarbeiter gebracht, deren mittlerweile dritte Generation damit beschäftigt ist, jene Häuser zu bauen, in denen meine Landsleute und ich leben und jene Straßen, auf denen wir nach Italien und durch ganz Europa fahren. Über ihren Beitrag zum europäischen Wohlstand wird kaum gesprochen. Ihre nachziehenden Familien sind innerhalb der Schengen-Grenzen nicht willkommen.

Freilich, die Sprache der Anerkennung lernt sich nicht von selbst. Da hilft weder ein Kurs, noch ein Urlaub an der Riviera, sei sie nun türkisch oder italienisch; – und kein EU-Barometer gibt darüber Auskunft.