Internationale Gärten

In Deutschland Wurzeln schlagen

Wer als Zuwanderer nach Deutschland kommt, verfügt oft nur über wenig Wohnraum. Die „Internationalen Gärten“ eröffnen in dieser Situation neue Perspektiven. 126 „Internationale Gärten“ existieren bereits in ganz Deutschland – einer liegt in Bonn.

Durch das rostige Eisentor tritt man wie in eine andere Welt hinein. Über ein Gelände, auf dem Weiden zu Skulpturen und Gebäuden geformt und verflochten wurden, gelangt man in den Internationalen Garten. Er liegt in der Nähe der Bonner Innenstadt und ist doch ganz ruhig. Auch an diesem schönen Frühlingstag arbeiten nur vereinzelt Gärtner in ihren Parzellen oder sitzen auf dem großen Gemeinschaftsplatz in der Mitte.

Bernd Assenmacher arbeitet für den Wissenschaftsladen Bonn, der das Gelände verwaltet. Seine Arbeit für den Internationalen Garten macht er jedoch ehrenamtlich. Er ist Ansprechpartner für alle, die bei dem Projekt mitmachen, und für die, die sich dafür interessieren, ebenfalls eine der 50 Quadratmeter großen Parzellen zu bewirtschaften. 25 Stück davon gibt es im Moment. „Es wäre Platz für mehr, aber dann würde das Wasser nicht reichen“, sagt Bernd Assenmacher. „Außerdem finden wir es wichtig, dass der große Platz mit Feuerstelle in der Mitte des Geländes erhalten bleibt. Hier treffen sich die Gärtner mal in größeren, mal in kleineren Gruppen und tauschen sich aus.“

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Nachahmen ausdrücklich erwünscht
Außer am Anfang, als alles einmal gerodet werden musste, verursacht das Projekt keine Kosten: Das Gelände gehört der Stadt Bonn, die es dem Wissenschaftsladen zur freien Pacht überlässt. Bernd Assenmacher führt drei Studentinnen aus Mönchengladbach über das Gelände. Sie wollen mit Hilfe eines Professors ein ähnliches Projekt in ihrer Stadt aufbauen, für die Quartiersentwicklung, wie sie sagen. Um sich Anregungen zu holen, besuchen sie einige der schon existierenden Internationalen Gärten und fragen die Macher nach Tipps.

Seit 2007 gibt es das Projekt in Bonn, rund die Hälfte der jetzigen Gärtner sind von Anfang an dabei. Amar aus Indien zum Beispiel. Er kam 1998 nach Deutschland, der Liebe wegen. Mit seiner Frau Angelika wohnte er bis vor kurzem ganz in der Nähe in einer Wohnung und fand im Gärtnern einen schönen Ausgleich und ein Hobby. „Wir haben jetzt ein Haus gebaut, aber ich komme vom Frühling bis zum Herbst trotzdem fast jeden Tag hierher. Es fühlt sich einfach gut an“, sagt er und lächelt schüchtern. „Wir bauen Kartoffeln an, Radieschen und anderes Gemüse. Und meine Frau hat hier ihren kleinen Kräutergarten.“

Die Vielfalt der Hobbygärtner ist wichtig
Ein paar Frauen sitzen unter einer Baumgruppe im Schatten und unterhalten sich. In ihrer Mitte Fatima Wardak aus Afghanistan. Mit ihrer Mutter und ihrer Schwägerin kommt sie oft in den internationalen Garten. „Eigentlich müsste ich jetzt mein Gartenstück umgraben, aber ich finde es einfach so schön, hier zu sitzen. Die Kinder kommen gern zum Spielen. Hier können sie ganz gefahrlos herumlaufen“, sagt sie. Heute haben die Frauen mit den Kindern gegrillt und blinzeln nun träge und zufrieden in die Sonne.

„Mitmachen kann hier eigentlich jeder“, sagt Projektleiter Bernd Assenmacher. Und es wollen viele; die Warteliste ist lang. „Aber es ist natürlich auch wichtig, dass die Chemie stimmt.“ Einzige formale Einschränkung: Etwa 80 Prozent der Hobbygärtner sollten ausländische Wurzeln haben. Sonst wäre der Garten ja nicht mehr „international“ – und das ist er wirklich: Die Gärtner kommen aus der Türkei, aus Russland, der Ukraine, aus Ruanda, Marokko, Rumänien und Holland, um nur einige Herkunftsländer zu nennen. Keine Spur von Kleingärtneranlagen, in denen Ausländer nicht willkommen sind.

Eigener Boden ist gut für die Seele
Jean Ndayambaje aus Ruanda kommt ganz schick im Anzug. Er gibt direkt zu, dass der Garten eigentlich das Projekt seiner Frau ist. Dennoch zeigt er stolz auf die ersten Schößlinge der Erbsen, die sie in ihrer Parzelle gesetzt hat. „Die schmecken so gut, wenn sie direkt aus dem Garten kommen. Es ist eine Schande, dass manche Leute nur Erbsen aus der Dose kennen. In Ruanda ist es sehr wichtig, eigenes Land zu haben. Wir sind ein kleines Land mit großer Bevölkerung, da lebt derjenige am besten, der viel eigenen Boden bewirtschaften kann. Das ist bei uns im Blut.“ Die Ndayambajes sind vor drei Jahren zum Internationalen Garten gekommen. Am Tag der offenen Tür hat ein Freund ihnen sein Gartenstück gezeigt, und Jean war begeistert. Glück gehabt: Er konnte gerade noch eine schöne Parzelle ergattern.

Zurück bei Bernd Assenmacher am Gemeinschaftsplatz, verabschieden sich die drei Studentinnen aus Mönchengladbach. Sie bedanken sich herzlich und haben viele Tipps und Ideen aus dem Bonner Projekt mitgenommen. Die Vielfalt des Internationalen Gartens hat sie überzeugt. (br/sb)