Juden und Muslime

Bundeswehr weit vom Soll entfernt

Die Bundeswehr verfügt über keine jüdischen und muslimischen Militärseelsorger. Auch sonst ist die Bundeswehr auf jüdische und muslimische Soldaten nicht eingestellt, wie aus einer Antwort der Bundesregierung hervorgeht.

Freitag, 18.05.2012, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 24.05.2012, 8:02 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

„Für je eintausendfünfhundert evangelische Soldaten wird ein Militärgeistlicher berufen.“ Das ist im „Vertrag der Bundesrepublik Deutschland mit der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge“ im Artikel 3 Absatz 1 geregelt. Diese Regelung wird analog auch auf andere Religionen angewandt.

Laut Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen entfielen im Jahr 2012 aber tatsächlich jedem 687. evangelischen und jedem 654. katholischen Soldat ein entsprechender Seelsorger.

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Betreuung durch christliche Seelsorger
Nicht so bei jüdischen und muslimischen Soldaten. Deren „seelsorgerische Bedürfnisse […] werden mit Unterstützung der katholischen bzw. evangelischen Militärseelsorgerinnen und Militärseelsorger auf überkonfessioneller Basis durch individuelle Maßnahmen mit Schwerpunkt Lebensberatung und Krisenbewältigung erfüllt“, so die Bundesregierung.

Dabei gehen Schätzungen unterschiedlicher Quellen davon aus, dass mittlerweile 1.000 bis 1.200 muslimische und einige Hundert jüdische Soldaten bei der Bundeswehr ihren Dienst tun. Die Bundeswehr selbst habe keine Zahlen, wisse aber, dass die Zahl jüdischer und muslimischer Bundeswehrsoldaten unter der Schwelle von 1 500 liegt. Von den Soldaten würden Angaben zur Religionszugehörigkeit nur auf freiwilliger Basis erhoben, um den Anspruch auf Seelsorge und Religionsausübung sicherzustellen.

Keine koschere Verpflegung
Weiter teilt die Bundesregierung mit, dass im „Beirat für Fragen der Inneren Führung“ der Bundeswehr der Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland seit März 2010 Mitglied ist. Die Aufgabe des Beirates ist es, den Bundesverteidigungsminister zu beraten. Auf die Frage, warum es keinen muslimischen Vertreter gibt, geht die Bundesregierung nicht ein.

Wie aus der Antwort allerdings hervorgeht, ist für jüdische und muslimische Soldaten auch die Einhaltung religiöser Speisevorschriften schwierig. „Die Bereitstellung koscherer Verpflegung ist in Truppenküchen grundsätzlich nicht möglich“, teilt die Bundesregierung mit.

Bundeswehr erlässt religiöse Gutachten
Und in Bezug auf das Fasten sähen das Judentum wie der Islam unter besonderen Bedingungen Ausnahmen vor, die von dieser religiösen Verpflichtung befreiten. „Diese Bedingungen dürften im Hinblick auf die Bundeswehr als erfüllt gelten“, führt die Bundesregierung ohne nähere Begründung aus. Und die Gebete „könnten auch nach Dienstschluss ‚in cumulo‘ nachgeholt werden“.

Dafür habe die Bundeswehr im Februar 2012 die „Charta der Vielfalt“ unterzeichnet. Auf zahlreichen Image-Kampagnen seien auch Soldaten mit Migrationshintergrund zu sehen. (eb) Leitartikel Politik

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  1. Skydaddy sagt:

    Ich freue mich, dass das Thema aufgegriffen wird.

    Man könnte noch hinzufügen, dass der für alle Soldatinnen und Soldaten obligatorische berufsethische Unterricht (Lebenskundlicher Unterricht, LKU) durch evangelische und katholische Militärgeistliche erteilt wird, obwohl nur noch etwa die Hälfte der Soldaten evangelisch oder katholisch ist.

    Ich habe dazu auch auf meinem Blog etwas geschrieben.

  2. Walter Bornholdt sagt:

    Ein paar sachliche Fehler sind da schon dabei. Ich komme gerade von einem Seminar in einem Standort der BW zum Thema Islam zurück. Nicht nur dort konnte ich in den letzten Jahren feststellen, dass es IMMER mind. ein Gericht gibt, welches für die Muslime gekocht wird. Unsinnig wäre es allerdings, solche Kost anzubieten, wenn keine muslimischen Soldaten am Standort existieren. Ich möchte aber nicht offenlegen, wieviele Muslime sich ihren Kameraden schon angeglichen haben und einen leckeren Sauerbraten oder auch das dazugehörige Bierchen nicht zurückweisen. Als überzeugter Atheist ist es mir natürlich egal, ob in den Kasernen und auf Schiffen Imame oder Rabbis herumrennen. Die christlichen Werteverteidiger mit Kreuz sind schon zuviel, die (v)erklären auch nur – wie zu allen Zeiten – den Waffeneinsatz mit ihrer christlichen Ethik! Was sollte dann ein Imam dazwischen, wenn von diesem erwartet wird, Militäreinsätze gegen islamisch dominierte Staaten zu erklären – wenn diese mal nicht schiitisch orientiert sind!?

  3. Socke sagt:

    Mir erschließt sich nicht der Sinn für unter 1500 Soldaten in ganz Deutschland (!) überhaupt darüber schreiben zu müssen, dass es da keinen Seelsorger gibt. Wäre das eine kritische Masse, sagen wir mal 25% aller Soldaten, dann wäre das etwas anderes aber was würde das hier bringen?
    Das ich dann meinen Betreuer „besuchen“ komme – oder der sogar mich- ist bei der Zahl und auf die Quoten von 600 Soldaten/Betreuer bezogen doch Schwachsinn. Dann gäbe es maximal 2 Betreuer für alle Mislume und Juden in der Bundswehr. Der hätte dann aber schon eine ganz nette Strecke pro Tag auf der Strasse.

    Es steht jedem frei einen Geistlichen aufsuchen zu können. In nahezu jeder Gemeinde eines Standortes oder dem näheren Umfeld solte es eine Möglichkeit geben, bestimmt auch während der Dienstzeit wenn diese Betreuung notwendig erscheint.
    Das gleich giöt für das Essen – das sind nun mal Großküchen – fertig. Es wird auch keine Rücksicht darauf genommen ob jemand Pilze mag oder Laktoseintolerant ist.
    wer zur Bundeswerh geht, den sollte klar sein, dass er sich fortan bestimmten Regeln zu unterwerfen hat, dazu zählen nicht nur Befeh und Gehorsam sondern eben auch Kasanierung.

  4. Dominik Wullers sagt:

    Hallo!

    Ein sehr interessanter Beitrag, vielen Dank dafür. Ich bin Mitglied des Vereins Deutscher.Soldat.e.V., einem Zusammenschluß von Bundeswehrsoldaten mit Migrationshintergrund. Unser Ziel ist es, die Integrationsdebatte, die von den negativen Stereotypen so mancher Landsleute geprägt ist, mit unserer Lebenswirklichkeit und unseren Biographien zu konfrontieren. Vielleicht haben Sie ja Interesse daran, mit uns ins Gespräch zu kommen? Ich würde mich sehr freuen!

    Mit freundlichen Grüßen,
    D. Wullers

  5. Walter Bornholdt sagt:

    Zu der beschriebenen „Problematik“ hier 2 Links, die die Schwierigkeiten muslimischer Militärimame genauso beschreiben, wie ich sie im obigen Kommentar schon andeutete:

    Das Menschenbild katholischer Kuttenprunzer
    http://www.giordano-bruno-stiftung.de/meldung/kritik-an-militaerbischof-overbeck
    http://www.giordano-bruno-stiftung.de/sites/default/files/download/brief-bdv.pdf

    Alle vorangegangenen Militärbischöfe, wie Dyba und Malter Wixa, äußerten sich in diesem Sinne!

  6. dagmar.schatz sagt:

    Das vergaloppiert sich aber gewaltig. Die entsprechende Dienstvorschrift sagt, daß ab 1.500 Soldaten einer Glaubensgemeinschaft eine hauptamtliche Militärseelsorge eingerichtet werden muss. Dazu muss die Glaubensgemeinschaft Körperschaft öffentlichen Rechts sein. Das kann auch die Schura einer Stadt sein. Dann ist das ein Mustervertrag, dem sich andere anschließen können. UNTERHALB dieser Zahl gibt es eine ANSPRECHSTELLE und bei religösen Problemen wird ein Rabbi zu einer Wehrübung einberufen: der Direktor des Abraham-Geiger-Kollegs, Oberstleutnant d. Res. Prof Dr Homolka. Das Abraham-Geiger-Kolleg hat in der Rabbinerausbildung ein Praktikum bei der BW integriert. (Jüdische Soldaten gibt es ca. 200). Ihr wundert Euch über den fehlenden muslimischen Vertreter? Wen hättet Ihr geschickt?

  7. dagmar.schatz sagt:

    Und welcher Rechtschule sollten die Imame angehören? „Militärimam“ ist eine Zusatzausbildung. Es gibt bislang in Deutschland ja nicht mal die Grundausbildung …