NPD-Verbotsverfahren

Innenminister ziehen V-Leute aus der NPD-Spitze ab

Nach dem Bekanntwerden der NSU-Morde wird über ein zweites NPS-Verbotsverfahren heiß diskutiert. Wichtigste Voraussetzung dafür ist: Abzug der V-Männer aus der NPD. Nach anfänglichem Zögern gehen die Innenminister nun diesen Schritt.

Im Jahre 2003 haben Bundesverfassungsrichter den Innenministern deutlich gemacht, dass sie ihre V-Leute abziehen müssen, wenn sie einen NPD-Verbot wollen. Bis jetzt konnten sich die Innenminister dazu nicht durchringen. Erst nach dem zufälligen Bekanntwerden der zehn NSU-Morde, kommt nach anfänglicher Zögerung Bewegung in die Sache.

Am 22. März kamen die Innenminister und -senatoren der Länder zu einer Sonderkonferenz im Bundesrat in Berlin zusammen. Auf der Grundlage des von der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Prüfung eines NPD-Verbots vorgelegten Berichts haben sie sich über die formellen rechtlichen Voraussetzungen für ein erneutes Verfahren verständigt. Ergebnis: Alle V-Leute sollen aus Führungspositionen der NPD abgezogen werden. Außerdem sollen mindestens sechs Monate lang Beweise für die Verfassungswidrigkeit der NPD gesammelt werden.

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Entscheidung soll im Dezember fallen
Auf dieser Grundlage wird die Innenministerkonferenz voraussichtlich bei ihrer Zusammenkunft im Dezember eine Empfehlung abgeben, ob ein zweiter Gang nach Karlsruhe erfolgsversprechend ist. „Die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei. Wir wollen ein erfolgreiches Parteienverbotsverfahren, deshalb müssen wir jetzt Material sammeln, um zu sehen, ob es gerichtsfeste Beweise für die aggressiv-kämpferische Grundhaltung der NPD gibt“, so Bundesinnenminister Hand-Peter Friedrich (CSU). Allerdings betonte er auch, dass erst im Lichte der Materialsammlung entschieden werden soll, „ob es überhaupt zu einem neuen Anlauf für ein NPD-Verbotverfahren kommt“.

Dazu müsste erstmal „das kommen, was bis jetzt nur Ankündigung ist: dass es auf keinen Fall V-Leute in Führungspositionen der NPD gibt“, machte Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) im Gespräch mit den Kieler Nachrichten deutlich. Auch nach dem Abziehen der V-Leute wäre ein NPD-Verbot aber kein Selbstläufer. „Zu meinen, man habe mit dem Abzug der V-Leute schon alles getan, ist zu kurz gedacht“, sagte die Bundesjustizminister in einem weiteren Interview mit dem Hamburger Abendblatt. „Wir brauchen eine umfassende Beweislage, um der NPD aggressiv-kämpferisches Verhalten nachweisen zu können.“ Das gelte insbesondere für Verknüpfungen zwischen dem rechtsextremistischen NSU-Terrortrio und der NPD. „Wir können bisher nicht beweisen, dass die NSU der kämpferische Arm der NPD ist.“ Wenn ein Parteiverbot keine ausreichende Aussicht auf Erfolg gebe, solle man es gar nicht erst versuchen.

Verbot nicht sicher
So sieht es auch Friedrich. Er machte darauf aufmerksam, dass auch bei Beachtung aller Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht sicher einschätzbare rechtliche Risiken bestehen. So könne das Bundesverfassungsgericht neben der Verfassungsfeindlichkeit der Partei die Verhältnismäßigkeit eines Verbots prüfen. Auch die Europäische Menschenrechtskonvention stelle weitere Anforderungen an ein Parteienverbot.

Für Caren Lay, Bundesgeschäftsführerin der Linkspartei, warnt unterdessen davor, den Ernst der Lage zu verkennen. Ein Abziehen von V-Leuten nur aus den NPD-Führungszirkeln reiche nicht. „Wer ernsthaft das NPD-Verbot betreiben will, muss ausnahmslos alle V-Leute abziehen. V-Leute sind mit Steuergeldern bezahlte Täter. Sie weiter zu beschäftigen bedeutet ein verheerendes politisches Signal und es lässt Zweifel über die Bereitschaft der Bundesregierung aufkommen, sich tatsächlich mit dem braunen Terror auseinanderzusetzen“, so Lay.

Grüne fordern umfassende Aufklärung
Von der Grünen-Bundestagsfraktion ist zu vernehmen, dass die Diskussion um ein NPD-Verbotsverfahren nicht davon ablenken darf, dass der Kampf gegen Rechtsextremismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist. Vor allem müsse genau aufgeklärt werden, „warum die NSU-Terrortruppe 13 Jahre lang im Untergrund leben, rauben, bomben und morden konnte, ohne dass die Sicherheitsbehörden den rechtsextremen, rassistischen Hintergrund der Verbrechen erkannten“.

Das letzte Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht im Jahr 2003 war bereits aus formalen Gründen gescheitert, weil ein Teil der Richter den Einsatz von V-Leuten als nicht behebbares Verfahrenshindernis einstufte. Wird dieses Hindernis behoben, muss für ein Verbot nachgewiesen werden, dass die Partei aggressiv-kämpferisch versucht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden. Einen Verbotsantrag gegen die NPD vor dem Bundesverfassungsgericht können nur der Bundestag, der Bundesrat oder die Bundesregierung stellen. (bk)