Schünemanns neues Sicherheitskonzept

Arbeitgeber sollen aufflällige muslimische Mitarbeiter melden

Arbeitgeber sollen ihre muslimischen Mitarbeiter kritisch beäugen und Auffälligkeiten den Sicherheitsdiensten melden. Das ist ein Aspekt aus dem neuen Präventionskonzept des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann.

Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) wird nicht selten für seine Unverhältnismäßigkeit kritisiert – von der Opposition genauso wie von der Rechtsprechung. Zuletzt kassierte er für seine Abschiebepraxis eine weitere Rüge vom Bundesverfassungsgericht. Auch die verdachtsunabhängigen Moscheekontrollen an Freitagsgebeten mit polizeilichen Hundertmannschaften und Maschinengewehren hatte Schünemann eingestellt, nachdem der Gesestzgebungs- und Beratungsdienst des Landtages Verfassungswidrigkeit attestiert und der damalige Ministerpräsident Christian Wulff ihn aufgefordert hatte, die Praxis zu beenden.

Nun geht Schünemann erneut in die Offensive gegen vermeintliche „Islamisten“. Sein neues Konzept stellte er gestern (6.3.2012) in Hannover vor. „Wir wollen der Radikalisierung so früh wie möglich begegnen“, so Schünemann bei der Vorstellung des „Handlungskonzeptes Antiradikalisierung im Bereich islamistischer Extremismus und Terrorismus“.

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Jeder Muslime ist verdächtig
Vom islamistischen Terrorismus gehe nach wie vor eine große Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands aus, sagte der Innenminister. Um ihr zu begegnen, hätten Bund und Land erhebliche Anstrengungen im Bereich der Terrorismusbekämpfung durch Polizei, Nachrichtendienste und Strafjustiz unternommen. „Jetzt muss es darum gehen, diesen operativen Bereich durch eine maßgeschneiderte Prävention zu flankieren“, sagte der CDU-Politiker. Die Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus gehe ganz wesentlich nicht nur von Terrorgruppen wie Al Qaida, sondern auch von radikalisierten Einzeltätern aus. Oft handele es sich um vermeintlich gut integrierte Personen mit guten Sprachkenntnissen und guter Schulbildung.

Im Klartext: jeder Muslim ist verdächtig. Die Früherkennung von Radikalisierung müsse daher als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstanden werden und setze ein Zusammenwirken aller Verantwortlichen in Staat und Gesellschaft voraus. Und dazu gehörten auch Arbeitgeber.

Arbeitgeber sollen muslimische Mitarbeiter beäugen
Diese sollen in die Lage versetzt werden, „Radikalisierungsprozesse im eigenen Firmenumfeld frühzeitig zu erkennen“, heißt es dazu im Handlungskonzept. Um dieses Ziel zu erreichen, sei vorgesehen, Arbeitgeber für die Themenfelder „Islamismus“ und „Radikalisierung“ zu sensibilisieren. Das solle das Netzwerk des Arbeitsbereichs Wirtschaftsschutz übernehmen. Unternehmen und Wirtschaftsverbände sollen für die Gefahren des islamistischen Extremismus und Terrorismus genutzt werden.

Ziel sei es, „in gebotenen Einzelfällen konkrete fallbezogene Informationen über die betroffene Person zwischen den Kooperationspartnern und den Sicherheitsbehörden auszutauschen“. In der Praxis sieht das so aus: Arbeitgeber sollen ihre muslimische Mitarbeiter kritisch beäugen und die gewonnenen Erkenntnisse den Sicherheitsdiensten weiterleiten.

Zusammenarbeit mit Muslimen?
Das ist aber nur ein Teilaspekt des Handlungskonzepts. Mit von der Partie sind Schulen, Jugendämter, Ordnungsämter, Ausländerbehörden, Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünfte für Flüchtlinge und Asylsuchende, Sozialverwaltungen und Finanzbehörden. „Diese Maßnahmen sind darauf angelegt, in gebotenen Einzelfällen konkrete fallbezogene Informationen über die betroffene Person zwischen den Kooperationspartnern und den Sicherheitsbehörden auszutauschen“, heißt es in dem Papier.

Download: Die „Kernaussagen des Handlungskonzepts zur Antiradikalisierung und Prävention im Bereich des islamistischen Extremismus und Terrorismus in Niedersachsen“ kann bei www.mi.niedersachsen.de als PDF-Datei heruntergeladen werden.

„Dabei ist eine Zusammenarbeit mit den hier lebenden Muslimen von entscheidender Bedeutung. Ich freue mich, dass schon bei der Erarbeitung des Konzeptes muslimische Vertreter mitgewirkt haben“, so Minister Schünemann. Die Vorsitzenden bzw. Vertreter von Ditib und Schura Niedersachsen seien im Rahmen der Projektgruppe über die einzelnen Vorhaben informiert worden und hätten ihre „grundsätzliche Bereitschaft zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit erklärt“.

Einigkeit mit Muslimen?
Eine Einigkeit mit den Muslimen hatte Schünemann auch in der Causa Moscheekontrollen behauptet, während diese sich massiv über die Kontrollen beschwerten und die sofortige Einstellung forderten.

Inwieweit die aktuelle Handlungsoffensive mit den Muslimen abgestimmt ist, wird sich noch zeigen. Auf eventuelle Einwände bereitet sich Schünemann vorsorglich mit blumigen Formulierungen vor. Er betont, dass der Islamismus nichts „mit der friedlichen Religion des Islam zu tun“ habe. „Die islamistischen Terroristen und Hassprediger stehen für eine Pervertierung des Islam. Alle hier lebenden Muslime haben Anspruch darauf, vor Vorurteilen und pauschalen Verdächtigungen bewahrt zu werden.“

SPD: Das ist Denunziantentum
Die SPD kann Schünemann damit jedenfalls nicht überzeugen. Sigrid Leuschner, stellvertretende innenpolitische Sprecherin, betont: „Für uns steht fest, dass wir auf keinen Fall Denunziantentum fördern wollen und es nicht hinnehmen werden, dass Vorurteile gegenüber Menschen muslimischen Glaubens in unserer Gesellschaft verstärkt werden.“ Es sei problematisch, Radikalisierungsgefahren ausschließlich an der Religionszugehörigkeit von Menschen festzumachen.(eb)