Kurzgeschichte

Denn einen Menschen, der fremd ist, wollen sie nicht!

Migrant. Schauspielhaus erfolgreich absolviert. Kleine Rollen: böser Migrant, lustiger Migrant, religiöser Migrant. Aber keine Festanstellung. Eine Kurzgeschichte über Schminke, Puder und das Leben des Herrn M.

Von Dienstag, 28.02.2012, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 02.09.2012, 14:22 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Ganze drei Jahre hatte Herr M. am Schauspielhaus in Berlin verbracht und Stimm-, Bewegungs- und Theoriefächer für Theater Film und Fernsehen erfolgreich studiert, sogar erfolgreicher als viele andere. Doch nun bemühte er sich seit rund zwei Jahren um eine feste Anstellung; doch alles vergeblich.

Zwar wurde er hie und da für kleinere Rollen engagiert; durfte den bösen Migrant, den lustigen Migrant, aber auch den islamistischen Migrant, der unentwegt seine Töchter schlägt und sie ihrer Freiheit beraubt, spielen. Lauter Stereotypen halt. Doch glücklich war Herr M. damit nicht.

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Warum vom Epischen Theater und Aristotelischem Drama wissen, wenn man am Ende doch nur nach seinem Aussehen beurteilt wurde und dieses war dunkler als das Durchschnitts-Blass eines Deutsch-Deutschen.

So hielt er sich noch ein weiteres Jahr über Wasser, schwer fiel ihm das schon. Doch das Geld brauchte er, denn der Künstler lebt nicht nur vom Applaus; sein Magen ist ebenso groß wie der von anderen Menschenkindern! Des Nachts blickte er immerzu verzweifelt in seinem kleinen Schlafzimmer, das zugleich auch Wohnbereich war, auf seine weißgetünchte Wand. Dort hing ein buntes Plakat, worauf in großen Lettern ein Gedicht mittig platziert war. Er las es in letzter Zeit öfter als sonst:

„Wir stehen für Vielfalt“, steht an euren großen Türen
Doch einklagen lässt sich nichts vor dem deutschen Gericht
Denn einen Menschen, der fremd ist, wollen sie nicht!

Sollte der Migrant doch unbedingt einen Job wollen
So ist seine Hilfe im Garten und auf Klo erwünscht
Seine Gegenwart am Arbeitstisch allerdings nicht!

So bewirb dich alsbald, mein ausländischer Freund
So nehmen sie dich auf in ihren erlesenen Kreis
Auf dass Du arbeitest zum winzigen Preis!

Doch nach oben, mein Lieber, da kommst Du nicht hin
Egal ob Du Künstler Akademiker oder Gottes Kind bist
Denn einen Menschen, der fremd ist, wollen sie nicht!

Eines Tages suchte man für die Rolle eines farbigen Arztes am kleinsten Stadttheater in Berlin einen jungen Schauspieler. Herr M. hatte also vielleicht die Möglichkeit mal eine ernste, eine intelligente Rolle zu spielen! Er bewarb sich sofort.

Doch er sei zu schwarz für die Rolle, versicherte man ihm lakonisch und schickte ihn wieder nach Hause. Herr M. verzweifelte, aber gab nicht auf.

Am nächsten Tag ging er mit festen Schritten noch mal zum Auswahlverfahren. Sein Gesicht war nun weiß, viel Puder und noch mehr Puder, er stellte sich nunmehr als Herr D. vor, man erkannte ihn nicht. Und siehe da: Er bekam die Rolle und das Gesicht ward wieder dunkler geschminkt. Aktuell Meinung

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  1. Lina sagt:

    Wenn ich diesen Artikel lese, bekomme ich noch mal meine Erlebnisse als Deutschtürkin in den Sinn MIr wurde nämlich im Laufe einer DIskussion unterstellt, alle Deutschtürken wird unterstellt, man sei eh die „schlechten“ Türken der Türkei.
    Ja, mag sein, wir sind ein Volk, das keine Stimme hat, denn mit trk. Staatsbürgerschaft kann man sowohl hier als auch inder Türkei nicht wählen (fkt nur dann, wenn man einreist)
    Wir haben jahrelang keine Stimme gehabt und nicht die Mittel unsere Rechte zu verteidigen.
    Ich befürchte, dass der Großteil der deutschtürk. Bevölkerung von einem Rechtschutz weiß .
    Wir wurden hierher geschickt, ohne, dass die trk. Regierung sich um uns gekümmert hat.
    Mir fällt in diesem Kontext der Beispiel Marco Weiss ein, für den sowohl die deutsche Regierung als auch die Medien enorm sich eingesetzt haben.
    Sowas war bei uns Deutschtürken nie der Fall.
    Wir sind ein Volk ohne Perrsönlichkeit, können nicht hier hingehören und zu sagen wir sind alle Türkeitürken wird dort nicht angenommen.
    Die Jugend hat keine Persönlichkeit und sucht sich bestimmte Symbolik oder eine Kultur, woran sie sich klammern kann.
    Deswegen sind die meisten Deutschtürken religiöser, jedoch wenn man die Religion komplett frei ausleben will, wird einem unterstellt man integriere sich nicht. (siehe Kopftuchdebatte)
    Die andere Hälfte übernimmt komplett die deutsche Kultur, was meiner Meinung nach auch schade ist.