Integrationspolitik

Union wie in den Siebzigern

Die Integrationspolitik der Union ist voller Widersprüche. Das wurde am Mittwoch erneut deutlich. Auf der Tagesordnung standen Bildungs- und Familienpolitik. Argumentiert wurde wie in den Siebzigern – Integrationspolitik spielte keine Rolle.

Die Integrationspolitik der Unionsparteien ist nicht frei von Widersprüchen. Auf der einen Seite werden frühkindliche Bildung, höhere Schulabschlüsse und Berufsqualifikationen gefordert, auf der anderen Seite werden Zugangsbarrieren oder Anreize geschaffen, die die Integrationspolitik auf den Kopf stellen. So verhält es sich jedenfalls im Bereich der Hochschul- und Familienpolitik.

Seit 2005 haben in Deutschland sieben CDU-regierte Bundesländer Studiengebühren eingeführt und fünf wieder abgeschafft. Entweder wurde die CDU abgewählt oder sie musste sich juristischen Argumenten oder dem Druck der Opposition beugen. Davon lässt sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion aber nicht beirren, wie am Mittwoch (25.01.2012) deutlich wurde. In einem öffentlichen Fachgespräch im Ausschuss für Bildung diskutierten Experten darüber, welche Folgen Studiengebühren haben.

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Union Beratungsresistent
Dabei lieferte Marcel Helbig vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung das wohl beste Argument für die Studiengebühren. Wie eine Studie des WZB ergeben habe, hätten Studiengebühren keinen Einfluss auf die Studienneigung. Das gelte auch für nicht-akademische Haushalte.

Für die Unionspolitiker Albert Rupprecht und Monika Grütters war die Sache damit auch schon erledigt. „Studiengebühren halten nicht vom Studium ab“, erklärten die beiden Unionspolitiker. Gegenmeinungen interessierten nicht.

Davon gab es aber reichlich. Matthias Anbuhl vom Deutschen Gewerkschaftsbund erklärte etwa, dass die Frage der Studienfinanzierung bei der Entscheidung für oder gegen ein Studium eine wichtige Rolle spiele. So sagten 69 Prozent derer, die auf ein Studium verzichteten, dass die Finanzierung ein entscheidendes Kriterium gewesen sei. Auch Christoph Heine vom HIS Hochschul-Informations-System betonte, dass die Kosten einen hohen Einfluss auf die Studienentscheidung hätten. Zwei unterschiedlichen Studien des HIS zufolge sei die Studierbereitschaft aufgrund von Gebühren gesunken.

Migranten besonders betroffen
Studiengebühren wirkten abschreckend und seien sozial selektiv, betonte auch Bernhard Börsel vom Deutschen Studentenwerk. Christiane Konegen-Grenier vom Institut der deutschen Wirtschaft bemängelte ebenfalls, dass das aktuelle System Studierende aus hochschulfernen und einkommensschwachen Schichten nicht ausreichend unterstütze.

Und das trifft vor allem Migranten. Es ist bekannt, dass insbesondere Studierende mit Migrationshintergrund aufgrund der Einkommensverhältnisse der Eltern ungleich stärker auf BAföG und Nebenjob angewiesen sind. Erhebungen zufolge ist der Anteil der Studierenden mit Migrationshintergrund aus einkommensschwächeren Familien mit 34 Prozent fast dreimal so hoch wie bei den Studierenden ohne Migrationshintergrund (13 Prozent).

Frühkindliche Förderung oder Familienpolitik?
Das scheint Unionspolitiker aber nicht sonderlich zu interessieren. Wenn in Kürze der 5. Integrationsgipfel stattfindet, werden Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), von Migranten erneut Bildung fordern und betonen, wie wichtig insbesondere die frühkindliche Förderung ist. In die Pflicht werden vor allem die Eltern genommen, die ihre Kinder möglichst früh in eine Kindertagesstätte geben sollen.

Aber auch diese integrationspolitische Forderung wurde am Mittwoch ad absurdum geführt. Vor dem Familienausschuss erklärte Familienministerin Kristina Schröder (CDU), dass sie an der Einführung des umstrittenen Betreuungsgeldes im Jahr 2013 festhält.

Nach Aussage der Ministerin werde das Gesetz noch in diesem Jahr auf den Weg gebracht. Danach sollen Eltern, die keinen Betreuungsplatz für ihr Kind in Anspruch nehmen, ab 2013 zunächst 100 Euro monatlich für das zweite Lebensjahr des Kindes erhalten, ab 2014 dann 150 Euro für das zweite und dritte Lebensjahr des Kindes. Mit dem Betreuungsgeld würde den Eltern die Wahl gelassen, ob ihr Kind in einer Kindertagesstätte betreut werden soll oder ob sie dies selbst daheim tun wollen. (bk)