Gleichberechtigung

Paradigmenwechsel im 50. Jahr der türkischen Arbeitsmigration nach Deutschland

Egemen Bağış, Europaminister der Türkei, plädiert für Maßnahmen, die weitergehen als die Integration. In seinem Gastbeitrag für MiGAZIN weist er darauf hin, dass es an der Zeit ist, über Gleichberechtigung zu sprechen.

Von Egemen Bağış Freitag, 25.11.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 01.12.2011, 0:21 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Aufgrund von historischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gründen sind und werden die Türkei und Deutschland weiterhin wichtige Partner füreinander bleiben. Deutschland und die Türkei teilen eine historische Freundschaft. Auch während des Ersten Weltkrieges kämpften Deutschland und das Osmanische Reich Seite an Seite. Nach der Gründung der Türkischen Republik trugen deutsche Wissenschaftler, in großem Maße zur Realisierung wichtiger Projekte der noch jungen Republik bei.

Eigentlich liegt der wichtigste Aspekt in der türkisch-deutschen Beziehung, in der in Deutschland lebenden türkischen Gemeinde. Nach der Unterzeichnung des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei im Jahre 1961 entsandte die Türkei einen großen Teil ihrer Arbeitskraft nach Deutschland, wo türkische Arbeitskräfte beim Aufbau des vom Zweiten Weltkrieg noch mitgenommenen Deutschlands halfen. Es ist bereits ein halbes Jahrhundert her seit dem Anwerbeabkommen. Die türkische Gemeinde hat in dieser Zeit einen beachtlichen Erfolg geleistet.

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Nun ist die türkische Gemeinde in Deutschland mit drei Millionen Menschen allerorts präsent. Im Verlauf der Jahre wurden mehr als eine Million Menschen eingebürgert. Auf diese Weise sind aus den türkischen Immigranten und Gastarbeitern der 1960´er Jahre deutsche Staatsbürger geworden. Ohne Zweifel haben diese Menschen einen bedeutenden Mehrwert für Deutschland geschaffen.

Wie in dem Bericht zum „Einfluss der Migration auf die deutsche Gesellschaft“, der vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Jahr 2005 veröffentlicht wurde, hätte die deutsche Wirtschaft heute nicht die Stärke, über die sie heute verfügt. Im Laufe der Zeit sind aus den türkischen Gastarbeitern zudem auch Arbeitgeber geworden. Mit über 80.000 kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland trägt die türkische Gemeinde in Deutschland zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Diese Unternehmen machen einen Gesamtumsatz von 30 Milliarden Euro im Jahr und schaffen damit Arbeitsplätze für eine Zahl von mindestens 350.000 Menschen.

Insbesondere in der dritten und vierten Generation junger Deutscher mit türkischem Migrationshintergrund werden in letzter Zeit viele Erfolgsgeschichten geschrieben. Ein Beispiel ist ein deutsch-türkischer Filmemacher, der Deutschland auch auf dem internationalen Parkett repräsentiert. Ein anderes Beispiel ist ein deutsch-türkischer Fußballspieler, der zum Erfolg Deutschlands im internationalen Fußball beiträgt.

In letzter Zeit sind deutsche Politiker mit türkischem Migrationshintergrund sowohl in der Bundes- als auch in der Landespolitik sehr aktiv. Eine der größten politischen Parteien in Deutschland wird in einer Doppelspitze von einem Deutschen mit türkischem Migrationshintergrund geführt. Im Bundesparlament dienen fünf Abgeordnete mit türkischem Migrationshintergrund. Im Landesparlament von Berlin dienen sogar zehn Abgeordnete mit türkischem Migrationshintergrund. Auch die Integrationsministerinnen von zwei Ländern sind türkischer Abstammung.

Türken sind nicht mehr Gastarbeiter in diesem Land, sondern Einwohner beider Staaten der Türkei sowie Deutschland, mit türkischer Muttersprache und flüssigem Deutsch. Im Gegensatz zur Argumentation von meist rechten, extremistischen Gruppen, sind die Türken in Deutschland keine Belastung, sondern eine Bereicherung für die deutsche Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Politik.

In der Zwischenzeit wurden starke Brücken zwischen Deutschland und der Türkei gebaut. Einerseits ist Deutschland der Haupthandelspartner der Türkei und die Zahl deutscher Investitionen in der Türkei wächst beständig. Andererseits zieht es Tausende deutscher Rentner für den Ruhestand in die Türkei. In den Jahren von 2002 bis 2010 erwarben deutsche Staatsbürger 17.270 Immobilien in der Türkei.

Im Gegensatz zu einer wachsenden Zahl von Deutschen, die in die Türkei migrieren, ist die türkische Migration nach Deutschland zum Stillstand gekommen und wandelte sich sogar in eine Re-Migration um. Im Jahr 2009 zog es nur noch 30.000 Türken aus der Türkei nach Deutschland, während es 40.000 Deutsche aus Deutschland in die Türkei zog.

Deutschland ist definitiv die Lokomotive des europäischen Integrationsprozesses. Die Zahlen und Fakten zeigen, dass die Türkei gemeinsam mit Deutschland die Zukunft Europas bestimmen wird, was ökonomische, demographische, soziokulturelle und politische Entwicklungen angeht.

Der Premierminister der Türkischen Republik, meine Regierung und ich sind bereit, mit unseren deutschen Partnern zu kooperieren in Bezug auf Themen, die uns alle betreffen. Damit meine ich insbesondere auch die Formulierung einer sachkundigen und einbeziehenden Integrationspolitik. Auch wenn wir die Integrationskampagne der deutschen Regierung mit dem Motto „We are together – wir sind zusammen“ sehr begrüßen, sollten wir versuchen Maßnahmen zu finden, die weitergehen als die Integration. Es ist an der Zeit über Gleichberechtigung zu sprechen. Meinung

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  1. Pragmatikerin sagt:

    @ Fikret

    Sie sind Arzt, wie ich gelesen haben?! Welche Patienten haben Sie, nur Migranten oder auch (Bio)-Deutsche? Wenn ja, werden Sie doch anerkannt und akzeptiert, wenn nein, machen S i e nicht etwas falsch?

    Sprache ist nicht alles, den Pass zeigen Sie sicher auch nicht bei jedem Patienten vor, oder?

    Ihre Antwort interessiert mich.

    Pragmatikerin

  2. Fikret sagt:

    @ Pragmatikerin,ich habe 30-40 % Migranten. Ich glaube keine Unterschiede zu machen. D.h. Gleichberechtigung wenigtens in einem Bereich. Bei Arbeitssuche und Ausbildung scheint die Situation anders zu sein, übrigens auch für die Klientel,was Sie als Bio-Deutsche nennen, zB Frauen und Alleinerziehende. ich fühle mich verantwortlich für alle Patienten.

  3. Pragmatikerin sagt:

    @ Fikret :-)
    Zuerst mal Dankeschön für Ihre Antwort. Was mich interessiert hätte, und was Sie mir leider nicht geschrieben haben, ob Sie von a l l e n Ihren Patienten für Ihre Arbeit und die menschliche Zuwendung Anerkennung bekommen. Dann ist doch „Gleichberechtigung“ (in diesem Fall für was) sekundär. Ein Patient der gut von seinem Arzt – egal ob Migrant – behandelt wird, tut diesem immer – warum auch nicht? – auf Augenhöhe begegnen.

    Übrigens, ich habe mein körperliches Wohlbefindungen, vielleicht auch mein Leben einem irakischen Pneumologen zu verdanken. Vor 15 Jahren bekam ich schlimmes Bronchialasthma. Er sorgte dafür, dass ich meine Frührente bekam und vor allem hat er mir i m m e r die besten Medikamente gegen meine Asthmaanfälle verschrieben. Wenn ich meine Medikamemte regelmässig nehme, und das mache ich, geht es mir sehr gut.

    Dieser Arzt hat seine Praxis vor 5 Jahren aus altersgründen aufgegeben und einem Deutschen Arzt übergeben. Soll ich Ihnen mal was sagen, von diesem Arzt fühle ich mich nicht so gut betreut, wie von dem „Iraker“ der die Deutsche Staatsangehörigkeit besessen hat, aber zuerst immer ein guter Mensch und Arzt war.

    Das Wort „Gleichberechtingung“ ist also „ein scharfes Schwert“ wenn man es nicht richtig nutzt.

    Pragmatikerin

  4. Fikret sagt:

    Einiges beantworte ich ,das wird man verstehen, vielleicht machen Neo-nazis neue Todeslisten. Entschuldigung…Grüße

  5. Pragmatikerin sagt:

    @ Fikret

    Kann ich nachvollziehen :-)

    Gruss
    Pragmatikerin

  6. Reseller Berlin sagt:

    Ein Migranten-Magazin, welches mehrheitlich von Anti-Migranten kommentiert wird … Ist schon irgendwie lächerlich was hier die Nazis und Faschos machen. Geht doch zu euerem PI und Welt.de usw. was sucht ihr auf einem Migranten-Magazin ?

    Meine Güte wie tief der Hass stecken muss.

    In den letzten 20 Jahren sind ca. 20 Mio. Ex-DDR-ler und 5 Mio. Ex-Sowjets in die BRD aufgenommen worden. Wer ist hier nun „alteingesessen“ und wer ist ein „Neuankömmling“ ?

  7. Pragmatikerin sagt:

    @ Reseller Berlin

    Ich fühle mich von Ihnen verunglimpft, denn ich schreibe zwar hier als Bio-Deutsche (von ihnen als Anti-Migrantin bezeichnet) bin aber weder Nazi noch Faschist :-( .

    Ich habe bisher die Möglichkeit in Migazin als Deutsche hier mitzukommentieren immer so betrachtet, dass beide Seiten – Deutsche und Migranten – von einander lernen können/sollten. Wenn einige nur hetzen – das geschieht wohl auf beiden Seiten – ist das von den Moderatoren wohl sehr leicht zu unterbinden, was ich selbst schon erfahren habe (Aritkel von mir wurden gelöscht, weil sie wohl nicht „gepasst“ haben). Ich denke, dass was Sie als „Hass“ bezeichnen ist wohl mehr eine Abwehr von Zuständen, die wir so nicht in Deutschland wollen, wie sie in manchen Bereichen sich eingeschlichen haben (was das für Zustände sind, ist wohl allgemein auf beiden Seiten bekannt und braucht hier nicht wiederholt zu werden).

    Wenn Sie von 20 Mio. „Ex-DDL-er schreiben (es waren nur 15 Mio.), schreiben Sie von Deutschen, denn die ehemalige DDR war ein – zeitlich – durch Nachkriegsfolgen getrennter deutscher Teil. Es sind also weder Migranten noch Menschen aus fernen Galaxien.

    Was die „Neuankömmlinge“ aus der ehemaligen Sowietunion betrifft, waren das zumindest viele Deutsche oder Deutsche Nachfahren. Also auch keine Ausländer, die nach Deutschland als Arbeitsmigranten eingewandert sind.

    Recht gebe ich Ihnen allerdings, dass einige (vor allem „jüdische Russlanddeutsche“) ebenfalls grosse Probleme mit dem Leben hier in Deutschland haben. Wenn ich in unserem Haus die Papiertonnen benutze, frage ich mich oft (u.a. wegen den russischen Zeitungen) welcher Nation die Benutzer sich wirklich zugehörig fühlen. Da sehe ich auch keine oder wenige Unterschiede zu manchen Migranten, da ist wohl das wirtschaftliche gute Leben in Deutschland vorrangig.

    Sie fragen nach dem „Alteingessensein“? Ich denke da kommt es auf den Betrachter/ Zeitraum an, lol. Ein Mitkommentator stuft mich auch als Migrant ein, obwohl meine hugenottischen Vorfahren schon vor 250 Jahren nach Deutschland gekommen sind. Ist wohl Ansichtssache, oder? ;-)

    Pragmatikerin

  8. Sugus sagt:

    @ Reseller
    – Was sind Anti-Migranten? Alle, die nicht für schrankenlose Masseneinwanderung sind?
    – Also die überwiegende Mehrheit der DDR-ler ist an dem Platz wohnen geblieben, wo sie waren. Verstehen Sie den Unterschied zu den Ausländern? Und Sie wissen auch, daß die Aussiedler vor der Ausreise nach Deutschland unterdrückt wurden, weil sie Deutsche waren?