Ali konkret

Rechtsterror in Deutschland: Wenn Politik versagt

Die scheibchenweise ans Tageslicht kommenden Verbrechen von Rechtsextremisten, die über Jahre unbehelligt mindestens 10 Menschenleben ausgelöscht haben, erschüttern den Glauben an den Staat und an die politischen Akteure, die durch ihre Unfähigkeit, Realitäten einzuschätzen, selbst zu einem Sicherheitsrisiko werden.

Als „eine Schande für Deutschland“ bezeichnete Kanzlerin Merkel die Verbrechen an 9 Männer türkischen und griechischen Hintergrundes und einer deutschen Polizistin. Ihr CSU-Bundesinnenminister Friedrich sprach ungewohnt direkt schon von „Rechtsterrorismus“.

Schnell sind sich Regierungs- und Oppositionsvertreter einig, dass man ein Verbot der NPD wieder angehen muss. Als ob mit dem Verbot dieser Partei die Gefahr gebannt wäre, die sich derzeit wie ein Spinnennetz über unsere Köpfe gelegt hat. Die Forderung zeigt auch, wie Politiker zu aufgescheuchten Hühnern mutieren, wenn schnelle Lösungen gefragt sind. So populär die Verbotsidee ist, sind die Hürden aufgrund des Einsatzes von V-Leuten durch den Verfassungsschutz sehr hoch. Ein weiteres Scheitern nach dem ersten Verbotsversuch von 2003 wäre mehr als unerfreulich.

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Die Regierung, die nur re-agiert
Hier wird auch schon das größte Problem sichtbar, welches sich wie ein roter Faden durch die Regierungspolitik Merkels zieht: anstatt offensiv aufzutreten und alle Menschen mitzunehmen wird mal wieder nur reagiert, wenn das Kind schon zweimal in den Brunnen gefallen ist.

Der rote Faden wird vor allem in der Setzung von Prioritäten sichtbar, die sich die schwarz-gelbe Bundesregierung auf die Agenda gesetzt hat. So werden wir seit dem Amtsantritt von Bundesinnenminister Friedrich mental auf den nächsten islamistischen Bombenanschlag vorbereitet, jüngst eindrucksvoll formuliert zum 10.Jahrestag der Anschläge von New York.

Zum Thema „Rechtsterrorismus“ hatte Friedrich nach den schrecklichen Morden von Oslo allerdings etwas völlig anderes verkündet, nämlich dass es keine Hinweise auf solche Taten in Deutschland gäbe.

Seit letztem Wochenende wissen wir, dass sich Herr Friedrich massiv geirrt hat und die Peinlichkeiten zunehmen, mit der das ganze Ausmaß staatlichen Versagens in Sachen „Innere Sicherheit“ sichtbar wird. Hier wäre mindestens ein Rücktritt fällig, denn die Informationspannen im Verfassungsschutz zeigen auch, dass der oberste Hausherr seinen Laden nicht im Griff hat.

Familienministerin Schröder fördert lieber den Parteinachwuchs
Seine Kabinettskollegin, Familienministerin Schröder (bekannt geworden durch ihre unfreiwillig-komischen Auftritte in der „heute-show“ zum angeblichen Massenphänomen „Deutschenfeindlichkeit“) hat als eine ihrer ersten Amtshandlungen den „Gesinnungstest“ für Projektantragssteller bei Projekten gegen Rechtsextremismus eingeführt. Erst nach bestandenem Test rollt der Euro.

Vertrauensbildend ist diese Maßnahme natürlich nicht und rechtlich heikel zudem auch noch. Wie die Projektgruppen in die Köpfe ihrer Aktiven reinschauen sollen, verrät Schröder nicht. Das hält sie aber nicht davon ab, jeden, der gegen Rechts aktiv ist, unter Generalverdacht zu stellen. Was für eine verkehrte Welt.

Seit Schröders Amtsantritt gibt es aber dafür eine Projektförderung gegen Linksextremismus, die von der forschen Familienministerin fast immer in einem Atemzug mit Rechtsextremismus aufgeführt wird, als ob es etwas gleichzusetzen gäbe.

Wie diese spezielle Förderung aussieht, zeigt das peinliche Beispiel um die staatlich geförderte „Fahrt gegen Linksextremismus nach Berlin“ der Jungen Union aus Köln inklusive „Abstecher ins Nachtleben“. Diese waren wohl animiert von einer ähnlichen Tour der Duisburger JU, die in einem Besäufnis endete und vor einem Jahr die Öffentlichkeit erregte.

Folgt das große Umdenken?
Kanzlerin Merkel bleibt derweil kaum Luft zum Durchatmen, eilig hat sie einen Krisengipfel mit den Justiz- und Innenministern von Bund und Ländern zum Thema „Rechtsterrorismus“ einberufen. Was sie da hören wird, wird wenig erfreulich sein, zudem bisher nur die Spitze des Eisbergs der Verbrechen bekannt geworden ist, wie z.B. das Nagelbombenattentat vor einem türkischen Friseursalon auf der Kölner Keupstraße aus dem Jahr 2004.

Politiker der großen Parteien statten dem Laden seit einigen Tagen einen Besuch nach dem anderen ab, oft mit Entschuldigungen im Gepäck, denn die Ermittlungen sollen nach dem Anschlag in Richtung Ladenbesitzer gelaufen sein und weniger in die rechte Szene.

Bundespräsident Wulff will dagegen möglichst bald mit den Familien der Mordopfer sprechen, ein schwacher Trost für die Angehörigen, die sich nach den Morden durch Verdächtigungen durch die ermittelnden Behörden ausgesetzt sahen, die ihre Väter und Ehemänner lange Zeit in einen Zusammenhang mit Kriminellen brachten.

Die Integrationsbeauftragte Maria Böhmer kündigte dazu eine nationale Trauerfeier für die Opfer der rechten Terrorzelle aus Zwickau an, um nicht in Kritik zu geraten, wie nach dem fremden- und muslimfeindlichen Mord an der jungen Ägypterin Marwa El-Sherbini im Dresdener Gerichtssaal.

Ob die Bundesregierung jetzt ein Umdenken in Sachen „Kampf gegen Rechts“ einleiten wird, bleibt fraglich. Vielleicht kommt es doch schneller als wir glauben, denn für den Wirtschaftsstandort und Exportweltmeister Deutschland ist ein weiteres Versagen von Politik, Sicherheitsbehörden und Polizei in diesem Punkt einfach katastrophal, wenn ein Staat nicht mal die Unversehrtheit von Leib und Leben seiner Bürger und Besucher garantieren kann.

Das gerade entstehende nationale Trauma kann letztlich nur durch alle Gruppen der Gesellschaft bewältigt werden. Ein Scheitern wäre fatal.