Saarland hui, Bayern pfui

Hier gibt’s den Doppelpass auch für Türken

Über 60 % aller nicht-türkischen Einbürgerungsbewerber erhalten in Deutschland den Doppelpass. Bei Türken beträgt diese Quote nur 27,7 %. Das MiGAZIN verrät, wo sich der Antrag trotzdem lohnt und welches Bundesland der Türke meiden sollte.

Von Montag, 14.11.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 18.11.2011, 7:06 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Den Doppelpass konnten CDU/CSU und FDP vergangene Woche noch verhindern. Die Regierungskoalition lehnte Anträge der SPD, der Grünen und der Linkspartei zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes ab. Begründet wurde das vor allem mit Loyalitätskonflikten.

In der Praxis ist dieses Argument aber längst obsolet. So wurde im Jahr 2010 bei nicht türkischen Staatsangehörigen die Mehrstaatigkeit in 61,9 % aller Einbürgerungsfälle akzeptiert, bei den Türkeistämmigen lag diese Quote bei weniger als die Hälfte (27,7 %).

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Auffallend ist, dass diese Quoten von Bundesland zu Bundesland ganz unterschiedlich ausfallen. Einer Auswertung des Statistischen Bundesamtes zufolge ist die Chance für den Doppelpass in Saarland am größten. Dort werden fast 70 % aller türkischen Antragssteller unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit eingebürgert. Es folgen Hamburg (37,5 %), Nordrhein-Westfalen (37,2 %), Hessen (36,9 %) und Schleswig Holstein mit einer Quote von 32,4 %. Schlusslicht mit einer Quote von nur 3,7 % Bayern, gefolgt von Baden-Württemberg mit 10 %.

Wo Türken den Doppelpass bekommen und wo nicht © MiG

Wo Türken den Doppelpass bekommen und wo nicht © MiG

Ideologische Gründe
Für die migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dağdelen, hat das „offenbar ideologische Gründe“. Denn bei nicht-türkischen Staatsangehörigen beträgt die Doppelstaater-Quote in Bayern sogar überdurchschnittliche 64,5 %.

„Bayern erschwert offenkundig gezielt die Einbürgerung türkischer Staatsangehöriger. Anders sind die höchst unterschiedlichen Werte der einzelnen Bundesländer trotz bundeseinheitlicher Rechtsgrundlagen nicht zu erklären“, so die Linkspolitikerin zu den von ihr erfragten Zahlen. Die ausgrenzende Praxis bei der Verweigerung der doppelten Staatsangehörigkeit trage zu der extrem niedrigen Einbürgerungsquote türkischer Staatsangehöriger in Bayern von gerade einmal 1,0 bei. Im Bundesdurchschnitt liegt dieser Wert bei 1,61. „Diese Zahlen sind ein Skandal!“, so das Resümee der Linkspolitikern.

Doppelpass = hohe Einbürgerungsquoten
Sie fordert die Beendigung der restriktiven Einbürgerungspraxis „und natürlich auch die besonders ausgrenzende Praxis gegenüber türkischen Staatsangehörigen!“ Bei genauer Betrachtung der vorliegenden Zahlen macht das durchaus Sinn. Denn im allgemeinen korrelieren hohe Einbürgerungsquoten mit hohen Quoten der Beibehaltung der bisherigen Staatsangehörigkeit.

Doppelpass = hohe Einbürgerungsquoten © MiG

Doppelpass = hohe Einbürgerungsquoten © MiG

Und hier fallen Baden-Württemberg und Bayern mit einer besonders niedrigen Einbürgerungsquote auf, die um fast 30% unter dem Bundesdurchschnitt liegt (1,1 im Vgl. zu 1,5). Hamburg, Schleswig-Holstein, Hessen und Bremen haben über bzw. fast doppelt so hohe Quoten (2,3 bis 1,91). Dies ist deshalb besonders bemerkenswert, weil in Süddeutschland die sozioökonomischen Umstände, die bei der Einbürgerung relevant sein können (Arbeit, Einkommen usw.), günstiger als im übrigen Bundesgebiet sind. So überrascht es nicht, dass auch die Einbürgerungsquote türkische Staatsbürger in Bayern mit 1,0 ebenfalls schlecht ausfällt. Im Bundesdurchschnitt liegt diese Quote bei 1,61.

Fazit
Wer den Doppelpass haben möchte, stellt seinen Antrag am besten in Saarland und macht einen großen Bogen um die bayerischen Behörden. Dort scheinen andere Gesetze zu gelten, als im übrigen Bundesgebiet.
Leitartikel Politik

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  1. Abdullah sagt:

    Könnte das daran liegen das wenn die Türken Doppelte-Staatsangehörigkeit bekommen würden das die Politik vieles für uns tuen müsste. schließlich könnte die paar mehr stimmen dann ja denn Parteien nützen die nicht so Konservativ eingestellt sind.

    Nur ne frage.
    Hoffe das ich es so formulieren konnte das man mich auch versteht :-D

  2. Anne sagt:

    Ich denke, bei den niedrigeren Einbürgerungszahlen in Bayern und BW kommt hinzu, dass diese beiden Länder sich ja weigern, Studienzeiten als gewöhnlichen Aufenthalt anzuerkennen. Die Bundesregierung sieht sich offensichtlich entweder nicht veranlasst oder in der Lage, auf eine gleichbehandelnde Auslegung des StAG hinzuwirken.
    Damit wird in den beiden Ländern gerade solchen Einbürgerungswilligen die Einbürgerung über Jahre verweigert, die man angeblich eigentlich haben will: Akademiker.

  3. gedanke sagt:

    Kein anderer Ausländer wird in Deutschland mehr ausgegrenzt als die Türken/Araber/Farbige.Die absolute Negativstimmung verbreitet und hochstilisiert seitens der Deutschen Politik und ausgeführt durch die deutschen Medien.Das Resultat sind die feigen Morde von Solingen,Mölln und auch die sogenannten Dönermorde.
    Das ist die Deutsche Ausgrenzungspolitik von Intregaionsgeschwafel bis Sprachtest für Türken,wiederlich und einfach nur Schäbig.

  4. Non-EU-Alien sagt:

    Einbürgerung ist Ländersache, die nach einem Bundesgesetz erfolgt. Es stellt sich die Frage, wie so große Diskrepanzen zwischen den Ländern existieren.

    Werden die Gesetze verschieden „gedeutet“?
    Werden die Gesetze „missachtet“?
    Oder ist es doch oftmals nur eine „Ermessensentscheidung“?

    Es ist ja offensichtlich, dass hier etwas „nicht in Ordnung“ ist und bis zum Himmel stinkt…

    Mit dieser Statistik sollte man alle Landesregierungen auf einmal konfrontieren, und ich bin mir sicher, dass einige in Erklärungsnot geraten würden. Die Ungleichbehandlung ist hier ja offensichtlich: (a) zwischen türk. und anderen Einbürungswilligen und (b) von Land zu Land…

  5. olli sagt:

    Bayern und BW haben dafür die geringste Arbeitslosigkeit, das geringste Staatsdefizit, die besten Bildungserfolge auch unter Migranten und die höchste Lebensqualität. Ok, nur böse Zungen würden einen Zusammenhang mit der entsprechenden Ausländerpolitik in diesen beiden Ländern sehen ;-)

  6. roland5454 sagt:

    Die schlauen Bayern wissen schon warum. Sie sind das reichste Bundesland und in der Pisastudie führend.

  7. Nico sagt:

    @Abdullah
    Natürlich ist das so. Warum sind wohl linke, SPD und Grüne für die doppelte Staatsbürgerschaft?
    Ist doch klar: Damit immer mehr Migranten ein Wahlrecht bekommen welche sich dann mit einfachsten Mitteln als Wähler ködern lassen.

  8. AHA sagt:

    Wie wahr wie wahr. Stichworte Machterhaltung z.B. CDU und Machtzugewinn z.B. SPD. Ich hoffe das die Piraten in Zukunft das Ganze noch ein wenig incorrekter Aufmischen sondern die echten Bedürfnisse des Volkes und Landes ausformulieren.

  9. Haci sagt:

    Interessant zu sehen wie die Prozentwerte auseinander gehen.

    Kann man als deutsche Staatsbürger der in München wohnt, den Antrag auf doppelte Staatsbürgerschaft im Saarland oder in einem anderen Bundesland wo die Quote höher ist, stellen? Habe die deutsche und möchte die türkische Staatsangehörigkeit auch besitzen.

  10. Non-EU-Alien sagt:

    @ Haci

    Die türkische Staatsangehörigkeit beantragst du dann am besten in der Türkei…