Bundesverwaltungsgericht

Geduldete Aufenthaltszeiten im Staatsangehörigkeitsrecht voll anrechenbar

Bei einem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt eines Kindes ausländischer Eltern ist die Zeit des erfolgreichen Asylfolgeverfahrens eines Elternteils voll anzurechnen. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht gestern in Leipzig.

Seit vielen Jahren sind Bundes- und Landesregierungen bemüht, die Zahl der Einbürgerungen zu erhöhen. Zugunsten der Neugeborenen verabschiedete sich der Gesetzgeber im Jahr 2000 sogar vom Abstammungsprinzip und führte das Geburtsortsprinzip ein. Danach bestimmt nicht allein die Nationalität der Eltern eines Kindes seine Staatsangehörigkeit, sondern auch der Geburtsort. So wird das Kind mit der Geburt deutscher Staatsbürger, auch wenn beide Elternteile keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Voraussetzung ist, dass mindestens ein Elternteil sich seit mindestens acht Jahren gewöhnlich und rechtmäßig in Deutschland aufhält.

Um diese „acht Jahre“ stritten sich im vorliegenden Fall eine Türkischstämmige und die Stadt Mannheim. Die 2008 geborene Klägerin begehrte die Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises. Ihren Antrag lehnte die Stadt Mannheim Ende April 2009 jedoch ab.

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Geduldeter Aufenhalt anrechenbar
Kein Elternteil der Klägerin habe, wie es das Gesetz verlange, zum Zeitpunkt ihrer Geburt seit acht Jahren seinen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland gehabt. Die Zeit des nur geduldeten Aufenthalts des Vaters der Klägerin im Asylfolgeverfahren sei trotz des erfolgreichen Ausgangs nicht anrechenbar, lautete die Begründung.

Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe gab der Klägerin recht und verpflichtete die beklagte Stadt, ihr einen Staatsangehörigkeitsausweis auszustellen. Mit dieser Niederlage begnügte sich die Stadt Mannheim aber nicht und kassierte vor dem Verwaltungsgerichtshof eine weitere Niederlage.

Die Stadt Mannheim zeigte sich immer noch uneinsichtig und ging hoch zum Bundesverwaltungsgericht – erneut ohne Erfolg. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass die gesamte Aufenthaltszeit des erfolgreich abgeschlossenen Asylfolgeverfahrens ab Antragstellung nachträglich als rechtmäßige Aufenthaltszeit anzurechnen ist. Werde der maßgebliche Elternteil im Asylfolgeverfahren unanfechtbar als Asylberechtigter oder Flüchtling anerkannt, erwerbe er die gleiche Rechtsposition wie ein erfolgreicher Erstantragsteller.

Verbissenheit
Jetzt, wo die Rechtslage – auch für Mannheim, geklärt ist, bleibt noch die Frage offen, wieso die Stadt Mannheim diesen Fall überhaupt derart problematisiert, dass sie durch alle Instanzen hindurch bis zum Bundesverwaltungsgericht prozessiert. Die Praxis, dass Behörden ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtliche Vorschriften aus Vorsicht lieber zu eng als zu weit auslegen, ist allgemein bekannt. Eine Verbissenheit dieses Grades lässt sich mit „Vorsicht walten lassen“ aber kaum erklären.

Einen positiven Nebeneffekt hat das Mannheimer Schauspiel aber doch: Neugeborene, die sich in einer ähnlichen Situationen befinden, können künftig auf das Aktenzeichen BVerwG 5 C 28.10 verweisen. (bk)