Wahlprüfsteine 3/8

Bildung – Standpunkte Berliner Parteien vor den Wahlen 2011

Wie sind die Standpunkte der Berliner Parteien zu Ausländerrechtlichen und Integrationsthemen? In einem Achtteiler präsentiert das MiGAZIN die Wahlprüfsteine. Heute: Integrationspolitische Bildungsthemen?

Forderung: Die Berliner Bildungseinrichtungen werden angewiesen, keine Deutschpflicht für die Pausen bzw. Freizeit zu erlassen.

Begründung: Die KMK hat in ihrer Tagung beschlossen, dass das Verbot von anderen Sprachen nicht nur nicht sinnvoll ist, sondern die Kinder in ihrer sprachlichen Entwicklung negativ beeinflussen kann. Wenn auf der einen Seite die Mehrsprachigkeit geprägt wird, aber auf den Schulhöfen insbesondere Türkisch-Sprechen verboten wird, ist dies nicht hinnehmbar und stellt eine Diskriminierung dar.

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SPD
Die Berliner SPD bestärkt die Bildungseinrichtungen darin, individuell angemessene Lösungen zu finden. Dabei ist uns wichtig, dass Eltern, Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte sich übereinstimmend auf eine Regelung verständigen. Wir halten es nicht für sinnvoll, eine generelle Verpflichtung auf eine bestimmte Sprache für Pausen und Freizeit durchzusetzen.

CDU
In den wenigen Schulen, in denen man sich auf das Sprechen der deutschen Sprache in den Schulpausen geeinigt hat, lagen dieser Vereinbarung durch die übrigens niemand Schaden erlitt keine Anweisungen von „oben“ zugrunde. Es handelte sich dabei immer um eine freiwillige Übereinkunft zwischen Schülern, Lehrern und Eltern, die auch durch die Schulkonferenz gedeckt war. Die CDU hält deshalb die Forderung für überzogen und sieht keine Veranlassung tätig zu werden.

Die Linke
DIE LINKE unterstützt diese Forderung. Die Debatte um eine sog. Deutschpflicht während der Pausen wurde u.a. durch die Änderung der Schulordnung der HerbertHoover Schule in Wedding angefacht. DIE LINKE hält eine sog. Deutschpflicht für nicht sinnvoll und sieht dafür auch keine Rechtsgrundlage. Insoweit teilen wir die von Ihnen aufgegriffene Auffassung der KMK, Kinder aus Migrantenfamilien müssen durch ein Zusammenspiel von Elternhaus, Bildungseinrichtungen und sinnvoller Integrationspolitik dazu befähigt werden ihre Mehrsprachigkeit dahingehend zu qualifizieren, dass alle Sprachen in Wort und Schrift sehr gut beherrscht werden. Das ist nicht nur ein enormer Vorteil für die mehrsprachigen Kinder. Es ist auch ein Zeichen der Anerkennung kultureller Vielfalt. Wir werden uns auch dafür einsetzen, dass die Bildungsverwaltung solche Regelungen in Schulordnungen sowie Vereinbarungen zwischen Schule und Eltern nicht mehr zulässt oder bereits existierende aufhebt.

Berlin-Wahlen 2011: Ich wähle ...
    SPD (33%)
    Die Grünen (27%)
    DIE LINKE (19%)
    CDU (16%)
    FDP (5%)
     
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    Die Grüne
    Gleiche Teilhabechancen erfordern gute Deutschkenntnisse, und zwar so früh wie möglich. Eine flächendeckende Deutschpflicht an Schulen geht Bündnis 90/Die Grünen entschieden zu weit. Wir treten ein für eine Kultur der Wertschätzung und des Respekts. Diese Kultur muss die Schule entwickeln und pflegen. Neben der gezielten Deutschförderung müssen Kinder auch Zugang zu der Kultur und Sprache ihrer Eltern und Großeltern bekommen. Die Förderung der Herkunftssprache der SchülerInnen als Angebot der Schule muss den Schulen ermöglicht werden. Andererseits stehen wir für möglichst große Selbstbestimmungsrechte der Schulen. Wenn eine Schule mit ihren Gremien also die Eltern und SchülervertreterInnen gemeinsam mit Kollegium und Schulleitung sich für die Deutschpflicht entscheidet, können und wollen wir nicht dagegen sein. Der Wegzug von bildungsnahen Familien mit und ohne Migrationshintergrund aus den sozial benachteiligten Gebieten kann nur durch eine qualitativ hochwertige Bildungslandschaft gestoppt werden. Gerade deshalb müssen Schulen im Sozialraum gestärkt werden. D.h. die personellen und materiellen Rahmenbedingungen müssen stimmen. Schulen, die aufgrund vielfältiger Problemlagen die Mindeststandards guter Bildung verfehlen, brauchen umgehend schulaufsichtliche Begleitung und Unterstützung. Auf der Basis konkreter Zielvereinbarungen sollen sie zusätzliche Mittel erhalten, die sie für sozialpädagogische Projekte, zur Sprachförderung, zur Profilbildung oder zur Vernetzung mit bezirklichen Strukturen einsetzen können.

    FDP
    Nicht das Sprechen der türkischen Sprache soll verboten, sondern das Sprechen der deutschen Sprache geboten werden. Wir befürchten zu allererst eine negative, deutsche Sprachentwicklung für Kinder in Berlin. Wir halten ein DeutschGebot an Schulen daher für sinnvoll. Insbesondere an Schulen mit Schülern aus unterschiedlichsten Herkunftsländern ist die deutsche Sprache das gemeinsame Bindeglied, das Grundlage für den Schulfrieden und eine gute Lernatmosphäre ist. Darum begrüßen wir eine derartige Selbstverpflichtung von Lehrern, Eltern und Schülern ausdrücklich.

    Forderung: Das Land Berlin sichert zweisprachige Angebote.

    Begründung: Sowohl die KMK als auch der Nationale Integrationsplan stellen fest, dass Mehrsprachigkeit ein Gewinn ist und die Herkunftssprachen gefördert werden sollen. In den letzten Jahren fährt der Senat die Angebote zurück, verrentete Lehrer werden nicht mehr ersetzt.

    SPD
    Zweisprachigkeit ist eine wesentliche Kompetenz vieler Kinder aus Migrantenfamilien. Dies muss das Bildungssystem aus Sicht der SPD unterstützen und zweisprachige Angebote sichern. In den letzten Jahren hat sich die SPD auf vielfältige Weise für bessere Teilhabemöglichkeiten in den Bildungseinrichtungen eingesetzt, zum Beispiel dafür, dass mehr Lehrerinnen und Lehrer mit Migrationshintergrund eingestellt werden. Dazu wurden die Merkmale „Kompetenz in Migrantensprachen“ und „interkulturelle Kompetenz“ in die Anforderungsprofile aufgenommen. Schülerinnen und Schüler erhalten damit wichtige Ansprechpartner für ihre eigene berufliche und schulische Zukunft. Die SPD will das interkulturelle Profil der Berliner Schulen stärken. Dabei bilden die Expertinnen und Experten aus den Migrantenorganisationen eine wichtige Ressource.

    CDU
    Dieser Forderung stimmen wir zu, weil auch die CDU der Auffassung ist, dass Mehrsprachigkeit als Gewinn zu betrachten ist. Wir werden uns deshalb dafür einsetzen, dass diese Entwicklung überprüft und entsprechende Maßnahmen veranlasst werden.

    Die Linke
    DIE LINKE teilt Ihre Auffassung, dass der sichere Umgang mit Herkunftssprachen gefördert werden soll. Denn oft werden die Herkunftssprachen im Elternhaus zwar gesprochen und insoweit natürlich auch muttersprachlich beherrscht. Dies trifft allerdings nicht immer im vollen Umfang auf die Beherrschung der Schriftsprache und teilweise der Grammatik zu. Dabei kann gerade die fehlerfreie Beherrschung der Herkunftssprache enorm wichtig z.B. für die berufliche Zukunft des Kindes sein. Dies betrifft die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift in gleicher Weise. Deshalb hat DIE LINKE darauf geachtet, dass es spezielle Angebote in den Schulen dafür gibt. Ein Beispiel sind die sog. DaZErmäßigungsstunden (Deutsch als Zweitsprache). Tatsächlich greifen einige Schulen zur Verhinderung des allg. Unterrichtsausfalls z.B. auf die DaZStunden zurück und kürzen oder streichen sie vorübergehend. DIE LINKE will deshalb in der nächsten Wahlperiode insbesondere bei Grundschulen mit einem höheren Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund die Ausstattung verbessern. Ein weiteres Beispiel ist das Modellprogramm FörMig. Berlin hat sich von 2004 bis 2009 an diesem bundesweiten Modellprogramm Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund beteiligt. Seit August 2009 wird dieses Programm in Berlin im Auftrag der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung als „FörMigTransfer“ vorerst für vier weitere Jahre bis 2013 fortgeführt. Ziel von FörMig und FörMigTransfer war und ist es, Bildungsbenachteiligungen von Schülerinnen und Schülern aufgrund ihrer Herkunft abzubauen. Der Weg dazu soll über die systematische Entwicklung einer Durchgängigen Sprachbildung in den an FörMigTransfer beteiligten Bildungseinrichtungen führen. Lehrkräfte und Erzieher/innen werden unterstützt, um ihre Arbeit im Hinblick auf die Förderung der sprachlichen Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen zu professionalisieren und Eltern und Kooperationspartner in die Bildungs und Erziehungsarbeit aktiv einzubeziehen. Auf diese Weise sollen Bildungspotentiale der Kinder und Jugendlichen aktiviert, ihre alltags und bildungssprachlichen Kompetenzen entwickelt und ihr individueller Schulerfolg gesichert werden.

    Die Grüne
    s.o.

    FDP
    Grundlage jeder gelingenden Integration in Deutschland ist die Beherrschung der deutschen Sprache. Mehrsprachigkeit ist zunächst ein individueller und im Ergebnis auch gesellschaftlicher Gewinn. Zur Mehrsprachigkeit gehören jedoch sowohl die Beherrschung der Herkunfts als auch der deutschen Sprache, die gelernt werden muss. Dazu muss es Anreize geben. Zweisprachige Angebote sind jedoch kein Anreiz zum Erlernen der deutschen Sprache, sondern können das Gegenteil bewirken. Die Berliner FDP spricht sich z.B. dafür aus, dass die Erledigung von alltäglichen Behördengängen grundsätzlich nur in der Amtssprache Deutsch möglich sein soll.

    Forderung: Der Wertausgleich zwischen den Bezirken ist nach sozialen Kriterien neu anzuordnen. Die sozial schwachen Bezirke sollen nach diesen Gesichtspunkten besser finanziell ausgestattet werden. In diesen Bezirken sollten geringe Klassenfrequenzen eingeführt werden.

    Begründung: In den sozial schwachen Bezirken ist der Aufwand und Bedarf an den Schulen viel höher.

    SPD
    Ein starkes Berlin braucht starke Bezirke. Die SPD steht für die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse und für eine auskömmliche Finanzierung aller Bezirke. Wir werden deshalb das Prinzip des Wertausgleichs weiter stärken. Gerade in den weiterführenden Schulen, deren Schülerinnen und Schüler von den Reformen im Kitabereich nicht profitiert haben, ist eine intensive Sprachförderung elementar, um Chancengleichheit zwischen Schülerinnen und Schülern deutscher und nichtdeutscher Herkunftssprache herzustellen. Deshalb hat die SPD durchgesetzt, dass Schulen mit größerem Förderbedarf mehr Geld erhalten. Seit 2008 wurde die Zumessung von Personalressourcen für die Sprachförderung umgestellt auf eine Direktzumessung an die Einzelschule. Zwei Kriterien sind nun für den Umfang der Personalausstattung ausschlaggebend: die Anzahl von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache und/ oder die Anzahl der lernmittelbefreiten Schülerinnen und Schüler.

    CDU
    Die CDU wendet sich auch in dieser Frage gegen Pauschalaussagen, Pauschalurteile und pauschale Festlegungen. Wir wollen, dass genau analysiert wird, wo sich die Schwachstellen und Probleme befinden, um dann die notwendigen Maßnahmen einschließlich ihrer Finanzierung zielgenau zu realisieren.

    Die Linke
    DIE LINKE ist der Auffassung, dass sich die Ausstattung der Schulen künftig stärker an der sozialen Zusammensetzung der Schülerschaft orientieren muss. Auf unser Drängen hat es hierzu auch einen ersten Schritt bei der Novellierung der Organisationsrichtlinien gegeben. In der Integrierten Sekundarschule wurde die Klassenfrequenz im Zuge der Schulreform schon auf 25 Schüler gesenkt. Das reicht aber noch nicht aus. Für DIE LINKE ist die Stärkung und die bessere Ausstattung der Grundschulen eine der wichtigsten Aufgaben in der nächsten Wahlperiode. Dadurch wollen wir die Grundschulen fit machen für die individuelle Förderung von Talenten und Neigungen z.B. auch durch die Bildung von Lernschwerpunkten und Profilen. Die Personalausstattung, insbesondere mit ErzieherInnen in der Schulanfangsphase muss verbessert werden, so dass in den Lerngruppen LehrerInnen und ErzieherInnen in größerem Umfang als bisher gemeinsam tätig sein können. Benachteiligungen der Grundschulen bei der Arbeitszeit der Lehrkräfte und der Ausstattung für Schulleitungen sollen abgebaut werden. Inwieweit dafür ein Wertausgleich bzw. Werttransfer zwischen den Bezirken notwendig ist wird davon abhängen, wie groß der Aufwuchs bei den Bildungsausgaben sein wird. DIE LINKE strebt eine Situation an, bei der die Schulen in sozialen Brennpunkten besser ausgestattet werden ohne von anderen Bezirken und Schulen Mittel abzuziehen.

    Die Grüne
    s.o.

    FDP
    Die Berliner FDP hält die Forderung nicht mit den Globalsummenhaushalten der Bezirke für vereinbar. Schon jetzt führen die sozialräumlichen Entwicklungsfaktoren, welche in den bezirklichen Wertausgleich einfließen, zu intransparenten und ungerechten Verschiebungen zwischen den Bezirken. Wenn Bezirke mit sozialen Problemen noch mehr Mittel bekämen, hätte sie keine Anreize mehr, die Probleme zu beheben. Wir wollen den pädagogischen Mehrbedarf in Problembezirken durch eine Subjektförderung (Kind) statt Objektförderung (Bezirk) lösen. Deswegen werden wir ein zukunftstaugliches Schulfinanzierungssystem durch Schulgutscheine einführen. Diese Schulgutscheine berücksichtigen auch die schulischen Herausforderungen, wie z.B. die Integration von Kindern nichtdeutscher Herkunft, und beinhalten individuelle Förderbudgets. Außerdem wird durch die Schulgutscheine erstmals eine wirklich freie Schulwahl ermöglicht.

    Lesen Sie morgen die Standpunkte der Parteien zur „Landesantidiskriminierungsgesetz (ADG)“.