Gemeine Integrationsministerin

„Je mehr Türken wir im Lande haben, desto mehr Unruhe haben wir.“

Bilkay Öney hält Sprachtests beim Ehegattennachzug für eine „kleine Gemeinheit“, mit der sie leben kann und Türken für einen Unruhefaktor. Kritik kommt von der Türkischen Gemeinde und der CDU!

Dienstag, 23.08.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 29.08.2011, 7:25 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Bilkay Öney (SPD), seit Mai 2011 Integrationsministerin in Baden-Württemberg, eckt gerne an. Mal gewinnt sie die Gunst derer, für deren Integration sie verantwortlich ist, mal deren Missgunst. Mit ihrer Offensive für die doppelte Staatsbürgerschaft machte sie positiv von sich reden und erntete viel Beifall auf Seiten einer immer kleiner werdenden Minderheit von Zuwanderern mit nur einem Pass. Sie glänzte mit griffigen Argumenten und Sachverstand, lieferte belastbare Zahlen und unterstrich ihre Forderung mit einer Bundesratsinitiative, die immer mehr Zuspruch findet.

Es gibt aber auch noch eine andere Seite von Öney, die ebenfalls glänzt – nun auch mit Inkompetenz und Gemeinheit. In einem Interview mit dem Deutschlandradio Anfang August bezeichnet sie die Sprachtests vor dem Ehegattennachzug als eine „kleine Gemeinheit“, mit der sie „leben“ könne.

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Sprachtest Europarechtswidrig
Hintergrund des Gesprächs war eine Stellungnahme der EU-Kommission von Anfang August 2011 anlässlich eines Rechtsstreits in den Niederlanden. Dort musste ein nationales Gericht entscheiden, ob eine Ausländerin auch ohne bestandenen Sprachtest einen Anspruch auf Ehegattennachzug hat. Das niederländische Gericht legte den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor, dieser wiederum bat die Europäische Kommission um eine Stellungnahme.

Das Fazit der Brüsseler Juristen war eindeutig: Integrationsanforderungen und Sprachtests dürfen dem Ziel einer erfolgreichen Familienzusammenführung nicht entgegenstehen. Doch bevor der EuGH entscheiden konnte, sprach das niederländische Gericht, der Ausländerin Recht zu. Damit wurde ein Präzedenzfall vermieden und damit auch ein verbindlicher Richterspruch aus Luxemburg, der auch Deutschland gebunden hätte, da die deutsche Regelung dem der Niederländischen ähnlich ist.

Juristische Taktiererei
Und unter dem Vorwand dieser fehlenden Rechtsprechung des EuGH führt Öney aus: „Ja, aber dann hätte der Europäische Gerichtshof eine Entscheidung fällen müssen. Es gibt nur eine Stellungnahme und diese Stellungnahme ist rechtlich nicht bindend.“ Und weil es keine Entscheidung des EuGH gäbe, seien „die deutschen Gerichte oder die deutsche Politik jetzt auch nicht in Zugzwang.“

Dass der EuGH entschieden hätte, wenn die Niederländer nicht in juristischer Taktierlaune und vorauseilendem Gehorsam der Ausländerin ein Visum ausgestellt hätten, noch bevor die EuGH-Richter Recht gesprochen hatten, unterschlägt Öney genauso, wie ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, die in Bezug auf türkische Staatsbürger zum selben Ergebnis kommt: Die Regelungen des Ehegattennachzugs sind mit Europarecht nicht vereinbar.

SPD Mininsterin in CDU-Laune
In Oppositionsmanier – CDU/CSU – argumentiert Öney mit Einzelmeinungen aus dem Goethe-Institut und einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die zeitlich vor dem Bundestagsgutachten und der Kommissionsstellungnahme liegt und europarechtliche Aspekte nicht berücksichtigt. Danach sei die deutsche Regelung verfassungskonform. „Solange ich jetzt keine andere rechtliche Handhabe habe und solange mich die Gerichte nicht zwingen, müssen wir damit umgehen“, so Öney.

So argumentiert hätte Öney allerdings auch die Bundesratsinitiative in Bezug die doppelte Staatsbürgerschaft nicht starten dürfen. Denn auch dort gibt es keine andere rechtliche Handhabe oder gerichtlicher Zwang. Das hat die Ministerin aber nicht davon abgehalten, mit sachlichen Argumenten zu überzeugen. Im Fall des Ehegattennachzugs hätte sie zudem juristische Argumente zur Hand gehabt: die EU-Richtlinie über das Recht auf Familienzusammenführung vom September 2003.

Mit kleinen Gemeinheiten leben
Wieso Öney dennoch keine Notwendigkeit sieht, gegen diese nationale Regelung vorzugehen, dürfte ein Schlag ins Gesicht getrennter Familien sein: Die Regelung sei „eine kleine Gemeinheit, die der Gesetzgeber vorgenommen“ habe. Und damit könne sie „leben“. Zahlreiche Betroffene dürften das anders sehen, genauso wie der Verband der binationalen Ehen und Partnerschaften, viele Experten und Migrantenverbände, die seit Jahren auf ein „großes“ Problem aufmerksam machen. Nur in einem Punkt dürften sich Öney und die Kritiker einig sein: „Diesen Sprachtest“ habe man „ja eingeführt, weil man die Heiratsmigration behindern wollte“, so die Ministerin.

Sie erklärt weiter, dass bisher „keine großen Beschwerden von ausländischen Vereinen“ gekommen seien. Sie hätte sich „ein bisschen mehr politische Beteiligung“ gewünscht. „Also, da muss auch der Druck von unten kommen“, so die SPD-Politikerin. Das dürfte sie nun haben. Den Fass zum Überlaufen bringen jedoch andere Äußerungen der Integrationsministerin.

Türken als Unruhefaktor
Laut Welt möchte Öney die Visumspflicht für Türken erhalten. Dem türkischen Botschafter habe sie kürzlich verkündet: „Je mehr Türken wir im Lande haben, desto mehr Unruhe haben wir.“ Außerdem sperre sie sich gegen ein kommunales Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer. Sie wolle „die Mehrheitsgesellschaft mitnehmen, diejenigen 80 Prozent, die Thilo Sarrazin recht geben“. Und: Die „Türken gucken fünfmal mehr Fernsehen als die Deutschen.“

Das ist dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), Hilmi Kaya Turan, zu viel: „Die Ministerin glänzt nicht nur durch Unkenntnis über die Migrations- und Integrationsthematik, sondern tritt ebenfalls mit einem Türken-Bashing in die populistischen Fußstapfen bekannter Personen in ihrer Partei.“

Öney soll Recht umsetzen
Frau Öney müsse sich fragen, wofür sie Ministerin geworden sei. Im Koalitionsvertrag sei das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige festgeschrieben. „Wenn Frau Öney nicht in der Lage und gewillt ist, den Koalitionsvertrag umzusetzen, dann müsse der Ministerpräsident die Integrationspolitik in eigene Regie übernehmen“, so Turan. Die TGD werde den baden-württembergischen Ministerpräsidenten um ein Gespräch bitten.

Die Türkische Gemeinde erwartet von der SPD eine Distanzierung von den Aussagen der Ministerin, insbesondere der Aussage: „Je mehr Türken wir im Lande haben, desto mehr Unruhe haben wir“. Ferner gehe es nicht um die Aufhebung der Visapflicht – wie Öney behaupte, sondern um die Umsetzung der Beschlüsse des Europäischen Gerichtshofes in dieser Frage, erklärt Turan weiter und ergänzt: „Als Ministerin hat sie die Aufgabe, Recht und Gesetz umzusetzen und nicht populistische und polemische Aussagen zu machen.“

CDU: Öney diskriminiert Türken
Kritik erntet Öney mit ihren Aussagen selbst aus den Reihen der CDU. Christian Bäumler, Landesvorsitzender der CDU Sozialausschüsse in Baden-Württemberg, reagierte auf die Aussage Öneys „Die Türken gucken fünfmal mehr Fernsehen als die Deutschen“ energisch. Diese Behauptung sei nicht nur nicht belegt, sondern auch diskriminierend. „Mit solchen Statistiken hat sich schon Thilo Sarrazin in die rechte Ecke manövriert“, so Bäumler.

Die Aussage lege nahe, dass Türken vor dem Fernseher sitzen, während Deutsche arbeiten. Dabei liege die Beschäftigungsquote der Türken im Südwesten bei über 90 Prozent. „Eine Integrationsministerin sollte Menschen unterschiedlicher Herkunft zusammenführen und nicht gegeneinander ausspielen“, erklärte der CDU-Politiker abschließend. (es)
Leitartikel Politik

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