Leos Wochenrückblick

Rechts-Regierungs-Populismus. In den Niederlanden. In Dänemark.

Geert Wilders darf. - Dazu rechtspopulistische Maßnahmen in den Niederlanden und in Dänemark. - Aber Gegenwind gibt es auch. Auch aus Deutschland.

Von Leo Brux Montag, 27.06.2011, 8:28 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 29.06.2011, 2:19 Uhr Lesedauer: 7 Minuten  |  

Geert Wilders darf.

Einen Freibrief zur weiteren Volksverhetzung hat ein holländisches Gericht Geert Wilders ausgestellt. Spiegel Online berichtet:

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„Grob und herabwürdigend“ seien die Äußerungen Wilders’, sagte Richter Marcel van Oosten bei der Urteilsbegründung. In einigen Fällen befänden sie sich an der Grenze des Erlaubten – aber im Kontext der gesellschaftlichen Debatte seien die Sätze akzeptabel und würden nicht zum Hass anstiften. Vor allem habe Wilders zu keinem Zeitpunkt zu Gewalt aufgerufen. Und er habe erklärt, dass er nichts gegen Muslime habe, die sich integrierten.

(Unter Muslimen, die sich integrieren, versteht Wilders vermutlich jemanden wie Hirsi Ali; also jemanden, der seinem Glauben abschwört.)

Hetze, Aufstachelung zum Hass gegen Minderheiten, Völker, Religionen – das ist eine Sache am Stammtisch, eine andere, wenn sie von einer an der Regierung beteiligten Person kommt.

In der Süddeutschen Zeitung kommentiert Thomas Kirchner:

Wer den Koran als „faschistisches Buch“ bezeichnet und ihn mit Hitlers „Mein Kampf“ vergleicht, wer sagt, sein Land schlage gerade eine „Schlacht“ gegen den Islam, „und wir müssen uns verteidigen“ – der sät sehr wohl Hass, nicht nur gegen eine Religion, sondern auch gegen diejenigen, die ihr angehören. Es hätte also durchaus Gründe gegeben, den Mann zu verurteilen. Der Freispruch sendet ein falsches Signal.

Einen noch schärferen Ton schlägt der Kommentar von Ruth Reichstein in der taz an:

Sicher liegt das Amsterdamer Gericht richtig, wenn es die Meinungsfreiheit verteidigt und sie auch einem Politiker Geert Wilders zubilligt. Aber auch in demokratischen Rechtsstaaten sind der Meinungsfreiheit Grenzen gesetzt, wenn es zum Beispiel darum geht, den Schutz von Minderheiten und Glaubensgemeinschaften zu garantieren.

Diese Grenzen hat Geert Wilders überschritten. Nicht nur mit seinen abfälligen Äußerungen über Muslime oder weil er den Koran mit Hitlers „Mein Kampf“ vergleicht. Sondern vor allem mit seinen politischen Forderungen, zu denen ein Einwanderungsstopp für nichtwestliche Einwanderer und die Einschränkung der Religionsfreiheit für Muslime gehört.

Eine ganze Gruppe von Bürgern auszugrenzen ist eine offenkundige Diskriminierung und müsste bestraft werden – auch in den Niederlanden. Doch das Gericht in Amsterdam hat sich offenbar nicht getraut, den populären Rechtspopulisten, dessen Partei die aktuelle Regierung toleriert, in die Schranken zu weisen.

Rechtspopulistisches Regierungshandeln in den Niederlanden …

Die Niederländische Regierung plant nun – ganz im Sinne von Geert Wilders (zitiert nach Spiegel Online):

  • Migranten sollen sich künftig ohne staatliche Hilfe in die Gesellschaft integrieren.
  • Die Kosten für Einbürgerungskurse haben die Zuwanderer selbst zu übernehmen.
  • Wer die Integrationsprüfung nicht schafft, verliert die Aufenthaltsgenehmigung.

Dies sieht die neue Leitlinie zur Haager Integrationspolitik vor, die der christdemokratische Innenminister Piet Hein Donner vergangene Woche vorlegte.

Die geplanten Maßnahmen stoßen, laut Umfragen, auf große Zustimmung; sogar eine Mehrheit der Wähler der Sozialdemokraten und der Linksgrünen sollen dafür sein.

… und in Dänemark:

Die dänische Regierung verschärft das Ausländerstrafrecht. Alle Personen ohne dänischen Pass, die zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wurden, sollen nach dem Verbüßen ihrer Haftstrafe automatisch abgeschoben werden.

97 Stimmen im Parlament dafür, nur 7 dagegen. Auch Sozialdemokraten und Sozialisten haben dafür gestimmt.

Ziel sei es, so Integrationsminister Søren Pind von der rechtsliberalen Venstre-Partei, die Gerichte zu einer schärferen Ausweisungspraxis zu animieren.

Er meinte weiter, sie sollten die Ausweisungen auch dann aussprechen, wenn dies ein «Prozessrisiko» beinhalte. Nach den neuen Regeln sollen Ausweisungen nur dann ausgesetzt werden, wenn «mit Sicherheit» erwiesen sei, dass sie internationale Konventionen etwa zum Schutz vor Folter oder Todesstrafe im jeweils eigenen Land verletzen würden.

Das berichtet die Neue Zürcher Zeitung.

Bisher waren Abschiebungen nur nach einem Antrag der Staatsanwaltschaft bei besonders schweren Fällen möglich.

Eskalation. Man argumentiert in Dänemark auch ökonomisch:

Dänemarks Mitte-Rechts-Regierung will ihre betont harte Ausländerpolitik weiter verschärfen – jetzt erklärtermaßen zum Wohl der Staatskasse. „Ich habe keine Skrupel, das Land noch weitergehend vor denen dichtzumachen, die man verdächtigen könnte, dass sie Dänemark zur Last fallen wollen“, kündigte Integrationsminister Søren Pind in der „Jyllands-Posten“ an.

Unterschieden wird (laut Bericht in der WELT)

zwischen „nicht-westlichen“ Zuwanderern, die pro Jahr eine Kostenbelastung von 15,7 Milliarden Kronen ausmachten. Zuwanderer aus westlichen Ländern dagegen würden netto 2,2 Milliarden Kronen in die Staatskasse bringen.

„Wir wollen uns gerne mehr für die öffnen, die können und wollen, und uns gerne noch mehr vor denen abschotten, die nicht können oder wollen“, sagte der Integrationsminister dazu.

Bei seinem Amtsantritt hat Pind von Zuwanderern Assimilation statt Integration verlangt.

= lauter schlechte Nachrichten.

Was glauben diese Leute – Politiker und Bürger, die das alles fordern und unterstützen, was glauben die, dass das bringen wird (außer Wählerstimmen, vorerst)?

Es vergiftet das Verhältnis zu einem Teil der Einwohner.
Es spaltet.
Es schafft, vermehrt, intensiviert Ghetto-Situationen.
Es reduziert die Qualität der Arbeit.

Zum Beispiel werden nun eben weniger Migranten gut Niederländisch lernen. Sie werden weniger Qualifikationen auf den Arbeitsmarkt bringen. Was ist damit gewonnen?

In Dänemark wird man ein Dutzend Kriminelle deportieren. Und hundert dafür schaffen? Selbst wenn die Rechnung hier aufginge – wen würde sie befriedigen? Die Kriminalität ist ohnehin niedrig und sinkt auch so weiter, während das Gefühl (!) der Unsicherheit wächst.

Die jetzigen Maßnahmen werden die Leute nicht zufrieden stellen. Also kommen die nächsten Forderungen. Noch härtere, noch ausgrenzendere. Man hat Blut geleckt. Man eskaliert, Jahr um Jahr, Beschluss um Beschluss.

Der Süchtige braucht eine immer höhere Dosis. So verabschieden sich vielleicht einige europäische Völker allmählich von der Aufklärung, von der humanen Idee Europas.

Oder doch nicht?

Gegenwind!

In Dänemark zum Beispiel. Der oben schon zitierte Artikel in der WELT zeigt, wohin die Fahrt auch geht:

Zunehmend Gegenwind bekommen sie von hoch qualifizierten und deshalb umworbenen Arbeitskräften aus anderen Ländern. Und von denen, die um diese werben.

„Der Ton, in dem bei uns über Ausländer diskutiert wird, ist schon ein Problem“, sagt Tine Horwitz vom „Konsortium für globales Talent“.

Dänische Konzerne mit internationalem Klang wie Lego, Carlsberg, die Containerreederei Maersk und der Windmühlenproduzent Vestas machen mit, um „qualifizierte globale Arbeitskraft nach Dänemark zu locken und hier zu halten“.

Auslöser waren Untersuchungen, wonach viele der gut ausgebildeten Arbeits-Migranten ebenso unter den permanenten Negativ-Schlagzeilen über Ausländer leiden wie die direkt gemeinten aus „nicht-westlichen“ Ländern.

„Es geht in Dänemark immer um die große Masse Ausländer, und man spricht nur negativ“, beklagt die seit fünf Jahren in Dänemark lebende Dagmar Fink aus Deutschland.

Eine Grenze wird sichtbar.

Es deutet sich schon an, woran die rechtspopulistische Politik Dänemarks und der Niederlande am Ende scheitern könnte.

Das Ressentiment, auf dem diese Politik aufbaut, wird mit dieser Politik ständig wachsen und immer weitere Kreise von „Fremden“ einbeziehen.

Bei Rechtspopulisten im Ausland sind wir Deutsche nicht unbedingt populär.Es wird in der Schweiz, in den Niederlanden, in Dänemark zum Beispiel auch immer mehr gegen Deutsche gehen.

Und zwischen einem hochqualifizierten Ingenieur aus Indien und einem arbeitslosen Araber macht in Dänemark zwar der sogenannte Integrationsminister einen Unterschied, aber nicht der ressentimentgetriebene Normaldäne.

Relativ viel Vernunft in Deutschland

sieht Klaus Bade vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration. Man solle die von Populisten geschürten Migrationsängste der Bürger nicht überschätzen und falsch interpretieren:

Das im Mai 2011 vorgelegte SVR-Migrationsbarometer zeigt: Die Bevölkerung mit und ohne Migrationshintergrund in Deutschland ist mit großer Mehrheit (rund 60 %) für mehr Zuwanderung von Hochqualifizierten. Sie ist umgekehrt, mit noch größerer Mehrheit (fast 70 %), gegen eine weitere Zuwanderung von Niedrigqualifizierten. Das sei, im Gegensatz zu dem „Gerede von einer in Migrationsfragen angeblich von Angst und Panik gepeinigten Bevölkerung“, eine „belastbare Stimmungsgrundlage für Reformen in der Migrationspolitik“, erklärte Bade. „Politik sollte damit aufhören, den eigenen Mangel an couragierter Gestaltungsbereitschaft hinter angeblichen Sorgen der Bürger zu verstecken.“

Dieses Zitat finden Sie im MiGAZIN. Aktuell Meinung

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