Bildungspaket

Inkonsequente und kurzsichtige Integrationspolitik

Das Bildungspaket, das Hartz-IV-Kindern ausreichend Bildung gewährleisten soll, steht denen, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz fallen, je nach Bundesland zur Verfügung. Damit öffnet die Bundesregierung ungleichen Bedingungen Tür und Tor.

Freitag, 10.06.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 29.10.2011, 14:37 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Die Integrationspolitik in Deutschland zeichnet sich weiterhin durch Inkonsequenz und Kurzsichtigkeit aus. Sie wird nicht als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrgenommen, sondern als Klientelpolitik.

Auf der einen Seite werden Kindergartenbesuche in möglichst jungen Jahren als integrationsfördernd bezeichnet, auf der anderen Seite bedienen Politiker ihr konservatives Wählerklientel mit einer sogenannten Herdprämie, wo Mütter Leistungen dafür erhalten sollen, wenn sie ihr Kind zu Hause erziehen.

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Auf der einen Seite wird insbesondere Migrantenkindern die Bedeutung von Spracherwerb und Bildung nahegelegt, auf der anderen Seite ist in einigen Bundesländern bis heute die Frage ungeklärt, ob und wie Kinder von Eltern ohne Aufenthaltstitel überhaupt eine Schule besuchen können. Ebenso müssen Kinder von Asylbewerbern den Bildungsweg unter schwierigsten Umständen meistern, sofern sie überhaupt eine reelle Chance haben.

Dahinter steckte die Annahme, diese Menschen würden Deutschland früher oder später sowieso verlasen und mit ihnen ihre Kinder. Die Realität sieht aber anders aus. Viele dieser Menschen leben schon in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland und mehrere Zehntausend von ihnen haben immer noch keinen gefestigten Aufenthaltstitel. Was mit ihnen geblieben ist, sind Kinder und Jugendliche, die Schwierigkeiten haben, den Anschluss zu finden und daher als „Problem“ angesehen werden.

Und dass man aus diesen Fehlern nicht gelernt hat, zeigt eine aktuelle Antwort des parlamentarischen Staatssekretärs Hans-Joachim Fuchtel (CDU) auf eine Anfrage der Linken-Sozialexpertin Katja Kipping zum Bildungspaket. Die Linkspolitikerin erkundigte sich, ob nach Auffassung der Bundesregierung, auch Kindern, die unter das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) fallen, Leistungen des sogenannten Bildungspakets erhalten können.

Info: Das Flüchtlingsrat Berlin empfiehlt, bundesweit für alle Asylbewerberkinder das Bildungspaket mit den auch für Hartz IV Kinder vorgesehen Formularen zu beantragen. Nähere Infos gibt es auf den Internetseiten des Flüchtlingsrates-Berlin.

Ja, lautet die Antwort. Allerdings folgt ein „Aber“ mit weitreichenden Folgen. Die „Ausübung des Ermessens im Einzelfall“ obliege den Behörden, was Ungleichbehandlungen Tür und Tor öffnet. So haben laut Recherchen der TAZ die Länder Berlin, Brandenburg und Hamburg ihre Ämter angewiesen, die Leistungen zu gewähren. Der Bayerische Flüchtlingsrat hingegen berichtet von einem Verwirrspiel in einer Münchener Schule: Während für die Flüchtlingskinder aus der Stadt München Schulmaterial bezahlt werde, seien Anträge der Mitschüler aus dem Landkreis München abgelehnt worden. Andere Sitten herrschen auch in den Ländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

Dabei sollte das Bildungspaket das Existenzminimum von Kindern sichern und Kindern aus Hartz-IV-Familien ausreichend Bildung gewährleisten. Das waren jedenfalls nach eigenen Angaben die Ambitionen von Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Unverständlich ist, wie ein unter diesen Vorzeichen geschnürtes Hilfspaket, in das Gutdünken der Länder, der Behörden, des einzelnen Beamten gestellt werden kann, die über die Zukunftsfähigkeit dieser Kinder und damit auch über die Zukunftsfähigkeit dieser Gesellschaft entscheiden. Wie schon in der Vergangenheit werden auch diese Kinder, denen heute Leistungen vorenthalten werden, morgen kaum in der Lage sein, den Anschluss zu finden. (bk)
Leitartikel Politik

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