Expertenanhörung

Spracherfordernis beim Ehegattennachzug überzeugt nicht

Die Meinungen der Sachverständigen bei der Anhörung im Innenausschuss gingen weit auseinander. Gestritten wurde über den Nachweis deutscher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug. Gewinner gab es keine. Verlierer bleiben die Familien.

Mittwoch, 08.06.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 14.06.2011, 0:11 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Unterschiedlicher hätten die Meinungen der Sachverständigen bei der Anhörung im Innenausschuss am Montag nicht sein können. Beraten wurde über das im Jahr 2007 eingeführte Erfordernis des Nachweises deutscher Sprachkenntnisse beim Ehegattennachzug. Grundlage der Anhörung waren neben einem „Evaluierungsbericht“ zum Thema ein Gesetzentwurf der Grünen sowie ein Antrag der Linksfraktion. Beide Parteien fordern die Aufhebung der Regelung.

Wilfried Schmäing vom hessischen Innenministerium verteidigte erwartungsgemäß die bestehende Gesetzeslage. Die Regelung „verfolgt das Ziel, die Integrationsfähigkeit von Ausländern zu verbessern, die dauerhaft zu ihrem Ehegatten nach Deutschland ziehen möchten“. Somit komme das Erfordernis der Sprachkenntnisse dem Ausländer selbst zugute.

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Auch Frank Wenger, Richter am Verwaltungsgericht Stuttgart, argumentierte in eine ähnliche Richtung. Das Spracherfordernis habe Bedeutung für den „Schutz von Frauenrechten“. Wenger berichtete von Fällen, in denen Frauen, die vor dem Spracherfordernis eingereist seien, darauf verwiesen, aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnisse hierzulande von ihrem Partner völlig abhängig gewesen zu sein.

Juristische Einwände
Den juristischen Einwänden von Professor Thomas Groß von der Goethe-Universität in Frankfurt oder von Susanne Schröder vom Deutschen Anwaltsverein konnten sowohl Schmäing als auch Wenger aber nicht entkräften. Groß verwies auf mehrere Tausend Fälle pro Jahr, in denen das Recht, eine Ehe „nicht nur zu schließen, sondern auch gemeinsam zu führen, offensichtlich nicht verwirklicht werden kann“. Dieses Recht sei unter anderem im Grundgesetz, in der Europäischen Menschenrechtskonvention sowie in der EU-Grundrechtecharta verankert. Diese Regelungen ermöglichten Einschränkungen, die aber durch „ein überwiegendes Rechtsgut des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden“ müssten.

Schröder erweiterte die rechtlichen Bedenken auf den Aspekt des Kindeswohls. Wenn das Erlernen von Deutsch-Kenntnissen längere Zeit in Anspruch nehme und die Trennung eines Kindes vom in Deutschland lebenden Elternteil in Kauf genommen werde, sei zu fragen, ob dies mit der UN-Kinderrechtskonvention in Einklang stehe.

Schmäing vom hessischen Innenministerium und Richter Wenger hielten diesen Einwänden die viel kritisierte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts entgegen. Das Gericht hatte entscheiden, dass das Erfordernis des Sprachnachweises zum Ehegattennachzug mit höherrangigem Recht vereinbar ist, dabei jedoch europarechtliche Aspekte außen vor gelassen.

Die Praxis
Erika Broschek vom Goethe-Institut Istanbul berichtete von Erfahrungen und den besonderen Herausforderungen und verwies auf den Evaluierungsbericht der Bundesregierung. Diese wurde von Hiltrud Stöcker-Zafari, Vertreterin des Verbands binationaler Familien und Partnerschaften, scharf angegriffen. Der vorliegende Bericht sei lediglich „eine Untersuchung zur Vergewisserung, dass die gesetzlichen Anforderungen für die Betroffenen erfüllbar und zumutbar sind. Damit liegt hier kein Evaluierungsbericht vor“, so Stöcker-Zafari.

Sie kritisierte außerdem den Schwierigkeitsgrad der Sprachtests und die damit verbundene zeitliche Trennung von Ehepaaren über mehrere Jahre. Eingeführt sei die Regelung mit den Hinweisen, „dass nur ca. 300 Wörter gelernt werden müssen“. Die Praxis sehe „nun völlig anders aus.“

Anhand zahlreicher Beispiele, die beim Verband eingegangen seien, werde deutlich, dass diese Regelung eine unverhältnismäßige Härte darstelle. Die geltende Regelung führe zu starken finanziellen und psychischen Belastungen. Belastet würden insbesondere Menschen mit einem geringen Bildungsstand und geringen finanziellen Mitteln, die davon abgehalten würden, zeitnah zu ihrem Ehepartner ins Bundesgebiet einzureisen. Die Regelung wirke „sozial selektiv und familienfeindlich“.

Vorgeschobene Gründe
Auf der anderen Seite habe die Bundesregierung immer noch nicht den Nachweis erbracht, dass mit der Regelung Zwangsehen verhindert werden. Auch sei es der Bundesregierung bis heute nicht gelungen, zu erklären, wieso der Spracherwerb im Heimatland besser sei als ein Spracherwerb in Deutschland, wo die Lernbedingungen viel besser seien.

So sah es auch der Frankfurter Professor. Ihm schienen ebenfalls keine belastbaren Erkenntnisse vorzuliegen, dass das Spracherfordernis vor Erteilung des Visums für den Ehegattennachzug ein wirksames Instrument zur Verhinderung von Zwangsehen ist. Auch sei zu fragen, ob Sprachkurse nach der Einreise „nicht das mildere Mittel“ sei.

Die migrationspolitischen Sprecher ihrer Partei Memet Kılıç (Die Grünen) und Sevim Dağdelen (Die Linke) sind sich ebenfalls einig darin, dass „Verhinderung von Zwangsehen“ und die nachträgliche Begründung der „Förderung von Integration“ nur vorgeschobene Gründe für die Einführung des Sprachtests waren. Tatsächlich sei es der Bundesregierung darum gegangen, den Ehegattennachzug – insbesondere von sozial schwachen Personen und solchen aus bestimmten Staaten – einzuschränken. (bk)
Leitartikel Politik

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  1. Dirk sagt:

    Wie geht es weiter?
    Welche Auswirkungen hat die Anhörung im Innenausschuss?

  2. marki sagt:

    die Größten verbrecher sitzen in Berlin

  3. Europa sagt:

    Der ganze Artikel negiert einfach komplett die Realität. Es gab in den letzten Monaten eine sehr intensive Integrationsdebatte und auch wenn Grüne Politiker wie Mehmet Kilic Menschen wie Sarrazin nicht tolerieren wollen, so kann man die Reaktion der Menschen in Deutschland auf Sarrazins Buch nicht so einfach übergehn. Es gibt eine breite Mehrheit in der Gesellschaft, die den zuzug von unqualifizierten Migranten für nicht mehr tragbar hält und wer jetzt wie die Grünen und die Linken solche Emotionen in der Gesellschaft ignoriert, darf sich nicht wundern, wenns am Ende knallt. Die Sprache des Landes zu beherrschen ist nicht nur ein Ausdruck des Respekts gegenüber den Einheimischen sondern auch der Beweis, dass man in Deutschland auf eigenen Füssen stehen kann und diese Garantie muss den Menschen in Deutschland gewährt werden. Vorallem, dann wenn es sich um unqualifizierte handelt. Der Staat ist nicht dafür zuständig oder dazu verpflichtet unter allen Umständen, seinen Bürgern und Migranten den zuzug des Ehegatten zu ermöglichen. Man muss einfach mal ehrlich mit sich selbst sein und eingestehn, dass man irgendwann in seinem Leben eine falsche Entscheidung getroffen hat und der deutsche Steuerzahler nicht immer dafür gerade stehen kann. Entweder man wandert in ein Land aus und informiert sich im voraus, was geht! Oder man beendet eine Ehe oder Beziehung, wenn Deutschland wichtiger ist als der Ehegatte, denn schlieslich gibt es kein Ausreiseverbot, oder?

    Das erlernen der deutschen Sprache im Herkunftsland ist kein Hindernis, sondern eine Art Vorbereitung der Menschen für ein neues Leben in einem neuen Land und zwar auf lange Dauer. 300 deutsche Wörter Das ist doch ein Witz!!! Dieser Kommentar von mir beinhaltet ungefähr 270 Wörter, natürlich werden manche Wörter öfter gebraucht, aber eine grosse Menge ist da nicht zu büffeln! Ich habe kein Verständnis dafür wenn jemand behauptet 300 Wörter wären viel. Normal dass die Regierung mehr von Leuten fordern will, wenn sie später gefördert werden wollen!

  4. Europa sagt:

    Ausserdem will ich nochmal dran erinnern, dass der Ehegattennachzug, grösstenteils missbraucht wird, da dieses Gesetz eigentlich für die ersten Gastarbeiter war die ihre Ehefrauen nachholen wollten, aber Heute werden vorsätzlich Ehen im Ausland geschlossen um dann über diese Gesetzeslücke doch noch einwandern zu können.

    Ich finds ein bisschen heuchlerisch, von den Menchen die dieses Gesetz missbrauchen wollen, als Schleuse ins „Paradies“ und sich jetzt beschweren, wenn die Regierung es ein bisschen schwieriger macht als vorher, aber imme rnoch machbar.
    Was kann man euch noch abverlangen?

  5. Udo sagt:

    Es geht bei der Regelung nicht um die Verhinderung von Zwangsehen oder bessere Integration, sondern darum die Zuwanderung von Ehegatten zu reduzieren und dabei nach Nützlichkeit zu selektieren.

    Die beiden vorgeschobenen Gründe dienen dazu, die Regelung verfassungskonform zu machen. Würde man sie offen mit der Reduzierung von Ehegattennachzug unqualifizierter Menschen begründen, verstieße die Regelung als staatliche Willkührmaßnahme gegen Ehe- und Familie offenkundig gegen Art 6 GG.

    Aus diesem Artikel läßt sich für Menschen, die ihren langfristigen Lebensmittellpunkt in Deutschland haben sehr wohl das Recht ableiten, dass der Ehepartner einwandern darf.

    Niemand hat etwas gegen verpflichtende Sprachkurse, aber die jetzige Praxis mit ihren Ungleichbehandlungen und Schikanen ist vollkommen unnötig.

  6. Renkens sagt:

    Europa komm wieder auf den Teppich, deine Angaben sind genauso FALSCH wie der Evaluierungsbericht.
    Wo z.B. steht das der Test Deutsch A1 mit 300 Wörtern bestanden werden kann?
    Es ist schon 2008 richtig gestellt worden das der Test mit ca 650 Wörtern bestanden werden kann und nicht mehr A1 sondern dann A2 entspricht.
    Dann der Evaluierungsbericht, den habe ich mir mal angeschaut, da werden schon die Kosten für den Sprachkurs falsch angegeben.
    Willst Du einen Deutschen vorschreiben wo er seine Ehe zu führen hat?
    Eins noch, mache den Sprachtest in einer von mir vorgegebenen Sprache zu den selben Bedingungen.

  7. hoko sagt:

    Hier wird so getan, als ob das eine deutsche Sondermaßnahme wäre. Die Nachweispflicht von Sprachkenntnissen im Herkunftsland gibt es in Dänemark, den Niederlanden, Österreich, Frankreich und selbst im multikulturellen Großbritannien.

  8. Sahin sagt:

    Und auch wenn man die Prüfung besteht steht dann das Konsulat im Weg, stellt dir paar fragen und lässt dich Formulare ausfüllen. Doch im Endeffekt finden sie oft ein Grund zur Ablehnung. Da heißt es gehen sie nochmal üben und kommen sie wieder.
    Bei meinem Bruder hat ein verdienst von 1600 € netto nicht zur lebenssicherung ausgereicht (hartz 4 = 364 €)