Das Ende einer Ära

SPD verzichtet auf die Stimmen der Migranten

Die SPD kündigte groß an, Thilo Sarrazin wegen seines parteischädigenden Verhaltens ausschließen zu wollen. Mit der Verfahrenseinstellung aber wurde Sarrazin öffentlich rehabilitiert. Damit ist für viele Migranten die Ära SPD endgültig vorbei.

Von Kamuran Sezer Dienstag, 26.04.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Montag, 02.05.2011, 0:03 Uhr Lesedauer: 10 Minuten  |  

2009 untersuchte das Berliner Marktforschungsunternehmen Data4U die Wahlpräferenzen der migrantischen Bevölkerung in Deutschland. Damals hätte eine deutliche Mehrheit von über 55 Prozent die SPD gewählt, wenn am nächsten Sonntag Wahlen wären. Auch in der Sozialstudie über die türkischen Akademiker und Studierenden in Deutschland (TASD-Studie) wird die Dominanz der SPD in den Präferenzen des migrantischen Wahlvolks bestätigt.

Je älter die türkischstämmigen Hochqualifizierten allerdings sind, desto eher verschieben sich ihre parteipolitischen Präferenzen zu Die Linke und der CDU. Insgesamt überrascht aber die herausragende Rolle der SPD in der migrantischen Bevölkerung wenig, die ihre Gründe in der jüngeren Arbeitsmigration Deutschland finden lassen.

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Die SPD war insbesondere für die Angehörigen ehemaliger Anwerbeländer, die im Rahmen der Arbeitsmigration in den 1950er bis 1970er Jahren nach Deutschland einwanderten, die Partei, mit der sie sich am ehesten identifizieren konnten:

  • Die konservative CDU war für einen Teil der auf Tradition und Glaube angelegten migrantischen Bevölkerung wegen ihres Familienbildes stets attraktiv, die restriktive Ausländerpolitik stellte jedoch eine hohe Barriere dar, sich für diese Partei zu engagieren, sie öffentlich zu befürworten oder sie gar zu wählen.
  • Die FDP, die eine bürgerliche Wählerklientel bediente und vertrat, war für die Migranten ebenfalls keine attraktive Alternative in der deutschen Parteienlandschaft. Viele der Migranten waren Arbeiter, die kaum in nennenswerter Größe in der gesellschaftlichen Mitte vertreten waren.
  • Auch die Grünen stellten für die SPD keine nennenswerte Gefahr dar, wenn es darum ging, die Wählerstimmen von Migranten streitig zu machen. Zum einen standen mit Ökologie und Nachhaltigkeit politische Themen auf der Agenda der Grünen, die in der Lebenswirklichkeit vieler Migranten damals kaum eine Relevanz aufwies. Zum anderen haben die Grünen in den 1990er Jahren die Menschenrechtslage in der Türkei und ihren Umgang mit den Kurden angeprangert. Damit haben sie aus Sicht der türkischen Community ein für sie hochsensibles Thema angesprochen.
  • Dies galt ebenso für Die Linke, der es mit Ausnahme der Kurden in Deutschland kaum gelang, das Wählerpotenzial der Migranten nachhaltig zu erschließen, zumal sie – ähnlich der Grünen – die Menschenrechts- und Kurdenpolitik der Türkei offensiv thematisierten. Sie war auch für Migranten aus Osteuropa wenig bis gar nicht attraktiv, die schlechte Erinnerungen an den Sozialismus vor dem Fall des Eisernen Vorhangs hatten.

Die SPD war damit für einen Großteil der Migranten qua Ausschlussverfahren die Partei, die ihnen eine politische Heimat bot. So hat die SPD über Jahrzehnte von den Defiziten der anderen Parteien profitiert und auf diese Weise eine strukturelle Parteibindung an migrantisches Wählerpotenzial aufgebaut. Dies wird sich nach den Vorgängen um das Parteiausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin am vergangenen Gründonnerstag jedoch ändern.

Sarrazin, der „Hobby-Eugeniker“, hat in fast allem Unrecht
In dem Verfahren sollte er wegen des Inhalts seines Buches „Deutschland schafft sich ab“ und seiner verschiedenen Äußerungen in Vorträgen, Interviews und Diskussionen ausgeschlossen werden, da sie unterschiedlichen SPD-Größen zufolge nicht mit den Grundsätzen der Sozialdemokratie vereinbar sei. So veröffentlichte der SPD-Vorsitzender, Sigmar Gabriel, noch im September 2010 einen in weiten Teilen beeindruckenden Aufsatz in Die Zeit, in diesem er das Parteiausschlussverfahren gegen Thilo Sarrazin begründete. So resümierte Sigmar Gabriel damals noch:

„Der Hobby-Eugeniker Sarrazin und seine medialen Helfershelfer sind dabei, Theorien der staatlichen Genomauswahl wieder salon- und hoffähig zu machen. Andere und Schlimmere werden sich darauf berufen. Wer unter dem Banner der Meinungsfreiheit („Das wird man doch wohl noch sagen dürfen …“) ethnische (und in der Causa Steinbach: historische) Ressentiments in der Politik wieder geschäftsfähig macht, der bereitet den Boden für die Hassprediger im eigenen Volk. Sie erhalten eine echte Chance, wenn Thilo Sarrazins Buch als intellektuelle Bereicherung gilt statt als das, was es wirklich ist: eine ungeheure intellektuelle Entgleisung. Würde diese gesellschaftsfähig, dann wäre der Titel des Buches in der Tat völlig berechtigt und zugleich eine düstere Prognose. Denn dann schafft Deutschland sich tatsächlich ab, jedenfalls in seiner heutigen, demokratischen, aufgeklärten Verfassung.”

Gleich zu Beginn seines Aufsatzes allerdings bemühte sich Sigmar Gabriel kein „Missverständnis“ aufkommen zu lassen. Unter Zugriff von Termini wie „Integrationsverweigerung“ oder „Parallelgesellschaft“, die üblicherweise von integrationsfeindlich gesonnenen Akteuren präferiert werden, zog er eine Zwischenbilanz:

„Es gibt deshalb keinen Grund, Thilo Sarrazin oder andere zu kritisieren, wenn sie diese mangelnde Integrationsbereitschaft anprangern. Über all das darf, ja muss laut und vernehmlich geredet und auch gestritten werden. Und dafür sollte in Deutschland niemand aus der Bundesbank oder einer Partei geworfen werden.“

Sigmar Gabriel kritisierte – streng genommen – nicht die integrationspolitischen Postulate Thilo Sarrazins, sondern seine mit Eugenik beschwerten Aussagen zur Demografie- und Bildungspolitik, in dieser Integration und Migration subsumiert werden.

Waren diese Worte von Sigmar Gabriel zur Bewertung der integrationspolitischen Thesen Sarrazins ein Ausdruck von Naivität? Mitnichten! Sie sind Ausdruck für fehlende Empathie oder Affinität für die Lebenswirklichkeit der Migranten in Deutschland und in den eigenen Reihen der Partei. Diese Haltung zieht sich programmatisch, personell und strukturell durch die gesamte Sozialdemokratie. Zugespitzt formuliert: Das kollektive Gedächtnis der deutschen Arbeiterbewegung kennt weder Einwanderung noch Integration.

SPD-Führung müde für Konfrontationen in der Integrationspolitik
Obgleich die migrantischen Wähler, insbesondere die Türkischen, für die SPD eine wichtige Stimmenreserve bei den Wahlen bildete, hat die SPD dieses personelle und identifikative Potenzial kaum beachtet, geschweige denn gefördert. Es sei denn, Wahlen standen bevor und die SPD sprach in Moscheen oder in türkischen Medien explizit zu den Türken. Darüber hinaus kam sie aber nicht. Weder in Hamburg noch in Nordrhein-Westfalen konnte sie sich – entgegen vorherigen Versprechungen – durchringen, einem Politiker mit Migrationshintergrund einen Ministerposten zu geben. Die Sozialdemokraten tun sich schwer mit Fragen der Identität, Ethnizität oder Kultur.

Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Die Mitte in der Krise. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010“ zeigt auf, dass unter den Anhängern der SPD eine hohe Ausländerfeindlichkeit existiert – gar etwas höher als in der CDU. Eigentlich nichts Untypisches für eine Volkspartei, die in der Lage sein muss, verschiedene politische Strömungen in der Gesellschaft zu integrieren. Dies kann auch zu Konfrontationen und Spannungen führen, die parteiintern ausgetragen werden müssen.

Genau diesen Konfrontationen geht die SPD-Führung mit der Einstellung des Parteiausschlussverfahrens gegen Sarrazin aus dem Weg. Aber dies ist dringend erforderlich, wenn die SPD als Volkspartei sich in der gesellschaftlichen Einwanderungsrealität verorten möchte. Die Cause Sarrazin ist daher kein parteipolitischer Ausfall in der SPD oder gar eine Einzigartigkeit. Sie ist symptomatischer Ausdruck für die Ignoranz der SPD bezüglich seiner migrantischen Realität in den eigenen Reihen.

Parteiausschlussverfahren: halbherzig, durchsichtig und auf Beschleunigung angelegt
Im Spiegel des Superwahljahres 2011, der für die SPD mit Ausnahme der Wahlen in Hamburg bisher ernüchternde Ergebnisse bereithielt, hat kein politischer Beobachter ernsthaft an einen Ausschluss von Thilo Sarrazin aus der SPD geglaubt – zumindest keinen schnellen.

Thilo Sarrazin erhält Zustimmung vom rechtsextremen Rand bis zur Mitte der Gesellschaft, zumal auch innerhalb der SPD Befürworter sich für Thilo Sarrazin eingesetzt haben. Diesen gegenüber stehen sowohl Parteimitglieder aus dem linken SPD-Flügel als auch potenzielle Wähler in der Mitte der Gesellschaft, die wiederum Thilo Sarrazins Thesen ablehnen. Egal wie der Parteiausschlussverfahren also ausgegangen wäre, die Empörung in der Partei und im Wahlvolk war bereits vorprogrammiert. Die SPD-Führung hatte die Wahl zwischen zwei Übeln.

Taktische Maßgabe über den weiteren Umgang mit Thilo Sarrazin kann in der Frage zusammengefasst werden: Wie kann die SPD Thilo Sarrazin und seine Thesen – zumindest vorläufig – integrieren, möglichst ohne dass seine eugenischen, völkischen und rassistischen Thesen auf die Partei abfärben?

Man hätte hinsichtlich des Ausgangs im Ausschlussverfahren also mit allem rechnen dürfen – aber mitnichten eine halbherzige, durchsichtige und auf schnelle Bereinigung angelegte Inszenierung: Nach fünf Stunden hinter verschlossenen Türen, in diesen hart aber fair im Umgang diskutiert worden sei, wird das Ergebnis unter Hinweis auf Geheimhaltungspflicht verkündet und die Öffentlichkeit in die Osterferien entlassen.

Offensichtlich hat die SPD-Führung entweder die migrantischen Parteimitglieder und Wähler wohlwollend ignoriert bzw. ihre Einwände in Kauf genommen oder hat geglaubt, sie disziplinieren oder zumindest beschwichtigen zu können.

SPD im Vergleich mit CDU und Grüne
Integration und Migration sind zwei zentrale politische Handlungsfelder, die nicht nur über den Ausgang von Wahlen entscheiden, sondern auch eine Zukunftsherausforderung für Deutschland darstellen. Gerade in diesen beiden Themenfeldern zeichnete sich zumindest die Bundes-SPD durch Ideenlosigkeit, mangelnde Kreativität und Passivität aus. Dies drückt sich schließlich in den politischen Figuren der Partei aus:

In der CDU beispielsweise stehen Personen wie Armin Laschet (erster Integrationsminister eines Bundeslandes) oder Aygül Özkan (erste Ministerin mit sogenanntem Migrationshintergrund in einem Bundesland) für wegweisende Integrationspolitik. Der Bundespräsident Christian Wulff, ehemals CDU-Ministerpräsident in Niedersachsen, hat in seiner Bremer Rede zum Tag der Deutschen Einheit in einer Zeit hitziger Integrationsdebatten deutliche und mutige Worte gefunden, mit diesen er klarstellte, dass der Islam zu Deutschland gehört.

Auch Ruprecht Polenz, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, gehört zu den prominenten Führungsfiguren in der CDU, der mit versöhnlichen Worten zwischen der Aufnahme- und Einwanderergesellschaft Brücken baut. Doch allen diesen Namen voran muss zuallererst Rita Süssmuth und schließlich Heiner Geißler genannt werden, die sich bereits vor Jahrzehnten für eine progressive Integrations- und Einwanderungspolitik in Deutschland eingesetzt haben.

Die SPD hingegen bietet mit Heinz Buschkowsky, Bürgermeister des Berliner Bezirks Neukölln, einen Meinungsführer an, der sich mehr durch seine indifferente Haltung in der Integrationspolitik auszeichnet. Sein divergenter Blick auf die deutsche Integrationspolitik ist geprägt durch seine subjektiven Erfahrungen als Bürgermeister in Berlin-Neukölln.

Dann wirft die SPD den Berliner Oberbürgermeister Klaus Wowereit in die integrationspolitische Arena: Mit der Schützenhilfe der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD), dessen Vorsitzender, Kenan Kolat, ein Parteigenosse Wowereits ist. Wowereit kennt das Wählerpotenzial insbesondere der türkischen Community in Berlin, das ihm wichtige, vielleicht auch entscheidende Stimme in den anstehenden Wahlen einbringen könnte. Als Oberbürgermeister der Hauptstadt genießt er eine bundesweite Aufmerksamkeit. Sein wahltaktisches Verhalten aber ist in der Natur seines Amts auf eine Region eingeschränkt. Und wen hat die SPD noch anzubieten!? Genau – Thilo Sarrazin.

Von allen Parteien sind bisher die Grünen in der Integrationspolitik und in der so genannten interkulturellen Öffnung der Parteien am fortschrittlichsten und modernsten. Unter Maßgabe der Heterogenität oder Diversity wird die Dimension „Ethnie“ nicht als singuläres soziopolitisches Phänomen behandelt, sie wird eben als eine Teilmenge politischer Herausforderung im Hinblick auf die Realisierung einer gerechten, ökologischen und nachhaltigen Gesellschaft angesehen. Damit haben die Grünen ein parteiideologisches Overhead geschaffen, unter dem eine Person oder ein Parteimitglied nicht auf eine ethnisch begründete Rolle reduziert wird. Denn auch der Ali, der Enkel türkischer Gastarbeiter, oder die Bogdanka, die Tochter bosnischer Flüchtlinge, interessieren sich für Ökologie oder Nachhaltigkeit oder Bildungspolitik oder Wirtschaftspolitik.

Die Grünen haben in den vergangenen Jahren sich zudem vielfältig mit der Einwanderergesellschaft selektiv vernetzt und damit wichtige strukturelle Aufbauarbeiten im Hinblick auf die Rekrutierung von Wählerpotenzialen geleistet.

Obgleich die CDU und die Grünen sich in den vergangenen Jahren in der Aktivierung des migrantischen Wählerpotenzials gegen die SPD positioniert haben, konnten sich die Sozialdemokraten stets auf das historisch gewachsene und strukturelle Fundament an migrantischen Wählerstimmen sicher sein.

Doch diese Ära dürfte mit den Vorgängen in der Causa Sarrazin am vergangenen Gründonnerstag nun endgültig vorbei sein. Für die anderen Parteien, insbesondere für die Grünen und CDU eröffnen sich damit die Chance der SPD, migrantische Wählerstimmen abzuwerben. Der Wahlkampf kann nun beginnen! Meinung Politik

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  1. arabeska sagt:

    @europa
    Im Gegensatz zu Ihrem autoritären und intoleranten Weltbild bekenne ich mich zu Humanismus und Weltbürgertum. Und bin deshalb naiv !?

    Nochmals: mir geht es nicht darum, einem Sarrazin die Meinungsfreiheit zu nehmen. Auch nicht die Freiheit, mit gefährlichem Unsinn Millionen zu verdienen.
    Aber man sollte so viel Empathie aufbringen, sich in einen türkischen Mitbürger einzufühlen, der diese Migrantenhetze aushalten muss, was bei Ihrem Schwarz-Weiss-Denken offensichtlich nicht funktioniert.
    Und zum Thema SPD: darf eine „Volkspartei“ ihre innersten Werte an eine angeblich vorherrschende „öffentliche Meinung“ verkaufen? Klar, sie darf. Aber sie darf sich dann nicht wundern, wenn sie erst recht verliert. Sarrazin-Fans werden ihm applaudieren und über die Partei, die er so leicht über den Tisch zog, herzlich lachen. Sarrazins Gegner aber werden den Sozialdemokraten nicht länger abnehmen, dass sie ihre Werte auch mit einem gewissen Risiko zu verteidigen bereit ist.
    Für mich hat diese Partei ihre Identität verloren.

  2. Beri sagt:

    @umbawumba12

    Sie sind lustig! Das nennt man dann wohl Doppelmoral : )

    Übrigens gibt es unter diesem Link einen offenen Brief von der Berliner Polizei, die Sarrazins nicht so kruden und vor allem überhaupt nicht selbstgebastelten Zahlen hinsichtl. der Jugendkriminalität unter Jugendlichen mit dem ach so tollen Migrationsvordergrund widerlegt.

  3. Leon sagt:

    @ Fikret
    Sarrazin hat gar nichts „mit genetischen Mitteln“ zu beweisen versucht.
    Er hat lediglich angemerkt, dass die in manchen Ländern häufig vorkommende Verwandtenehe die Gefahr von Erbkrankheiten potenziert.
    Als Fachmann sollten sie das wissen.

  4. saggse sagt:

    @Herr Beri

    Lesen Sie mal bei Frau Heisig nach, Kapitel „Fakten und Zahlen“, S. 27 – 34.
    Da findet man Einblicke, die den scheinbaren Widerspruch zwischen „kruden“ – schönes Modewort, scheint so eine Art Ohrwurm geworden zu sein wie weiland “ Waterloo“ (von ABBA) – Thesen und euphemistischen „Offenen Briefen“ erklären. Also kein Grund zur Panik.

  5. Bierbaron sagt:

    Einmal mehr schockiert mich, mit welcher Vehemenz in einem Migazin-Artikel alle Migranten in einen Topf geworfen werden. Ich und viele andere „westliche“ Migranten können und müssen Herrn Sarrazin in weiten Teilen zustimmen: Die Integrationspolitik insbesondere türkischer Migranten in Deutschland ist weitgehend gescheitert und bedarf neuen Impulsen – ein windelweiches „weiter-so“ oder „ihr- verdammten-Rassisten-seid-schuld“ hilft da wenig weiter. So wird einmal mehr deutlich, dass das Migazin sich v.a. an türkische und muslimische Migranten richten soll – die Artikelschreiber und Themen zeichnen ein eindeutiges Bild. Wahre, aufrechte Liberale sucht man hier vergebens. Oder wie kann ich mir erklären, dass die Kritik an der türkischen Kurdenpolitik, die in den 90ern ganze Dörfer einäscherte und zehntausende Kurden das Leben kostete, kritiklos als Ausschlussgrund türkischer (sic!) Migranten aufgezählt wird. Ich dachte es ginge um ALLE Migranten. Da muss ich mich wohl getäuscht haben!

    Bierbaron

  6. Europa sagt:

    @arabeska
    „Aber sie darf sich dann nicht wundern, wenn sie erst recht verliert. Sarrazin-Fans werden ihm applaudieren und über die Partei, die er so leicht über den Tisch zog, herzlich lachen. Sarrazins Gegner aber werden den Sozialdemokraten nicht länger abnehmen, dass sie ihre Werte auch mit einem gewissen Risiko zu verteidigen bereit ist.
    Für mich hat diese Partei ihre Identität verloren.“

    Oh ja! das tue ich! Ich lach mich über jeden kaputt der es versucht mit ihm aufzunehmen, denn schlussendlich wird man ihm keine bösen Absichten nachweisen können. Der Sarrazin hat sich wahrscheinlich schon als er das Buch geschrieben hat, gedacht, dass es viele Menschen gibt, die ihn als Rassist und Nazi darstellen wollen. Und darauf konnte er sich in aller Seelenruhe vorbereiten. Der Sarrazin ist zwar kein Vorbild für mich, aber ich bewundere ihn um seine taktische Intelligenz. Der Sarrazin ist unantastbar geworden, weil seine Gegner mit aller Kraft versucht haben ihn Mondtot zu machen. Auch Sie, arabeska, sind schuld daran dass der Sarrazin heute so viel Gehör findet. Wenn man als Deutscher etwas von der Sarrazindebatte mitbekommen hat, dann hat man sich immer erst mal gefragt, was denn der Sarrazin so schlimmes geschrieben hat und wenn man dann kuckt was er geschrieben hat (Tipp von mir: sollte man aber besser nicht in der BILD nachlesen), dann kann man eigentlich nicht verstehen, wie man sich über sein Buch aufregen konnte, ausser man ist selbst darin angesprochen worden. Soweit ich das einschätzen kann, hat er in seinem Buch immer perfekt differenziert zwischen Integrationswilligen und -unwilligen. Wenn Sie jetzt behaupten er hätte das nicht, dann lügen Sie und das Gespräch wird sich nur im Kreis drehen.
    Ich kann auch nicht verstehen, warum Sie sich über den Sarrazin aufregen, da Sie ganz offensichtlich von ihm überhaupt nicht angesprochen worden sind. Sie regen sich doch nur darüber auf, weil Bekannte von ihnen haargenau ins Schema der sarrazinchen Integrationsunwilligkeit passen. Sie persönlich haben gar kein Grund sich über ihn aufzuregen, aber Sie tun es halt aus solidarität zu ihren Bekannten. Wenn Sie ein bisschen mehr an einer Lösung für das Problem interessiert wären, dann kommt man nicht daran vorbei dem Sarrazin in dem einen oder anderen Punkt recht zu geben. Wer behauptet das komplette Buch von Sarrazin wäre Schrott, hat sich selbst disqualifiziert und gleichzeitig als Integrationsunwillig/-unfähig entlarvt.

  7. Jos. Blatter sagt:

    Wenn doch alles so klar ist, mit Sarrazin, der Demokratie in Deutschland, wissenschaftlichnen Elaboraten Frau Fourotans und doch, siehe Artikel Sezer, jeder nach seiner Facon Schlüsse zieht, warum keine Volksabstimmung?
    Dann wäre die politische Debatte demokratisch legitimiert!
    Die Gruppen der türkoislamischen Gesellschaftsbereicherung hätten schwarz auf weiß ihre Meinung eines deutschen Rassismus bestätigt, oder auch nicht und die deutsche Bevölkerung könnte kulturelle Vielfalt gut heißen, bzw. ablehnen – allen wäre geholfen, gesellschaftlichen Lösungen stünde nichts mehr im Wege. Es gibt Länder, da funktioniert das!

  8. Beri sagt:

    @Bierbaron
    „Die Integrationspolitik insbesondere türkischer Migranten in Deutschland ist weitgehend gescheitert und bedarf neuen Impulsen – ein windelweiches “weiter-so” oder “ihr- verdammten-Rassisten-seid-schuld” hilft da wenig weiter.“

    Aha. Ein Hr. Sarrazin aber schon, oder wie? Meinen Sie wirklich, seine falschen Thesen mit den zahllosen Abwertungen fördern ein harmonisches Miteinander?
    Ich bin übrigens Kurdin, falls Sie das interessiert. Und die Politik,die in der Türkei gefahren wird ist keine gute, das ist klar.
    Ich lebe aber hier, das Land hier ist meine HEIMAT! Also fokussiere ich mich auf Deutschland, und nicht auf die Türkei, weil meine Eltern gerade aus diesem Grund aus der Türkei geflohen sind, und erleben aber leider hier in Deutschland auf eine andere viel subtilere Art und Weise Ausgrenzung, Diskriminierung und Rassismus in diesem Land. Und das, was Sarrazin von sich gibt, haben meine Eltern auch schon etliche Male von türkischen Politikern über Kurden gehört.
    Reden Sie also bitte nur für sich!

  9. Beri sagt:

    @saggse

    Kein Grund zur Panik? Sie sind ja lustig…ich bin der Meinung es gibt jede Menge Gründe zur Panik.
    Haben Sie sich mal mit der Deutschen Geschichte auseinander gesetzt? Ich weiß zwar, dass Sie spätestens jetzt eine allergische Reaktion erleben werden, aber, wenn Sie das tatsächlich getan haben sollten, dann müssten Sie doch auch wissen, wie die Massenmedien die Volkhetze gegen die Juden betrieben haben. Vergleichen Sie doch mal einige Zeitungsartikel miteinander, es gibt doch so viele Archive (auch online) hierfür. Verstehen Sie mich nicht falsch, der Holocaust ist eine einmalige Sache in der Geschichte der Menschheit. Ich sage nicht, dass sich das wiederholen wird. Nein!
    Aber die Instrumente, die genutzt wurden um Menschen gegen eine bestimmte Gruppe aufzuhetzen sind ähnlich. Die von den Massenmedien betriebene Volkshetze diente dazu ein „bestimmtes“ negatives bzw. abwertendes Bild vom „Juden“ zu kreien, und ihn schließlich als Sündenbock für alle wirtschaftlichen und politischen Niederlagen darzustellen. Und diese Instrumente konnten nur anhand von rassistischen Theorien funktionieren.
    Ich habe den Eindruck, dass viele Menschen sich mit diesem Begriff nicht auseinandersetzen, sondern ihn lieber „in der Vergangenheit“ lassen wollen, aber das geht nicht, denn der Rassismus lebt, formt und ändert sich. Die Ignoranz der Mehrheit hinsichtl. dieser Mechanismen macht mir Angst, ja! Ich habe Panik, denn so langsam wird mir bewusst, wie die größte Katastrophe der Menschheit passieren konnte. Und ich glaube keinem einzigen Menschen mehr, der mir sagt: „wir haben es nicht gewusst“….nein, vielleicht nicht bewusst gewusst, aber sie haben sich manipulieren lassen, sie haben auf die Panikmache, reagiert, die Feindbilder konsumiert und nicht hinterfragt, was dahintersteckt…so wie das die Menschen heute auch tun.

    Wir sind alle Menschen, nicht mehr nicht weniger!

  10. Beri sagt:

    @Jos. Blatter

    Warum keine Volksabstimmung?

    Jetzt, in dieser aufgeheizten Atmosphäre? Nachdem alle schön aufgehetzt worden sind, von Leuten wie Sarrazin, Seehofer, etc.? Nachdem alle Ängste vor den „Fremden“ wieder geschürt worden sind? Nachdem alle (tr. u. arab.) MigrantInnen das Bild vom „Sozialschmarotzer“, „Fundamentalisten“ und/oder/bzw. „Terroristen“ aufgedrückt bekommen haben. Und falls sie (die MigrantInnen) eben nicht in diese Bilder passen, hat zückt Sarrazin seinen Joker aus der Tasche: die Eugenik.
    Wer nicht weiß, was das bedeutet, der schaue bitte nach.