Ausländische Abschlüsse

Anerkennungsgesetz – Meilenstein oder Mogelpackung?

Das Gesetz zur Anerkennung von ausländischen Qualifikationen wurde vom Kabinett verabschiedet - ein „Meilenstein für die Integration“ und Zeichen einer „neuen Willkommenskultur“ oder nur ein skandalöser Wurf?

Donnerstag, 24.03.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Dienstag, 12.04.2011, 22:30 Uhr Lesedauer: 5 Minuten  |  

Zwischen der ersten Ankündigung zur Koppelung des Aufenthaltstitels an einen Deutschtest für Zuwanderer und dem Beschluss im Bundestag lagen keine zwei Wochen. Auf das Gesetz zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse mussten geschätzte 300 000 bis 500 000 Menschen rund zwei Jahre warten.

Am Mittwoch war es dann aber so weit. Das Bundeskabinett hat den Gesetzesentwurf zum so genannten Anerkennungsgesetz verabschiedet. Zuwanderern, die im Ausland einen Beruf erlernt haben, soll es damit leichter gemacht werden, in Deutschland eine ihrer Qualifikation entsprechende Beschäftigung auszuüben.

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Abbau von Hochnäsigkeit
„Das Gesetz ein überfälliges Zeichen, dass wir die Qualifikationen anderer respektieren. Es wird zum Abbau von Hochnäsigkeit führen“, sagte Annette Schavan (CDU), Bundesministerin für Bildung und Forschung. „Wir bieten Zuwanderern die Chance, ihren erlernten Beruf auszuüben und damit die Existenzgrundlage für sich und ihre Familien zu sichern. Über die stärkere Integration in den Arbeitsmarkt leisten wir damit einen wichtigen Beitrag zur Integration insgesamt.“

Mit dem Anerkennungsgesetz reagiert die Bundesregierung auch auf den Fachkräftemangel, der sich in vielen Bereichen abzeichnet oder schon eingetreten ist. „Wir stehen in einem weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe“, so Schavan. „Darum müssen wir das Potenzial all derer, die bei uns leben, optimal nutzen.“ Wer aus dem Ausland mit seiner Qualifikation in Deutschland eine Arbeit anstrebt, kann mit der Neuregelung von dort aus überprüfen, ob sein Abschluss in Deutschland anerkannt wird. Dabei sollen die bereits jetzt für die Anerkennungsverfahren von EU-Bürgern und Spätaussiedlern zuständigen Kammern und Behörden auch die Verfahren nach dem neuen Gesetz umsetzen.

Staatsangehörigkeit irrelevant
Bisher haben Menschen, die mit beruflichen Qualifikationen nach Deutschland kommen, kaum die Möglichkeit gehabt, diese bewerten zu lassen. Das Gesetz soll nun Abhilfe schaffen: So soll es für rund 350 Berufe, für deren Regelung der Bund zuständig ist, künftig einen Rechtsanspruch auf Bewertung geben – nicht jedoch auf Anerkennung, wie es der Name des Gesetzes nahe legt.

Zumindest soll die Staatsangehörigkeit der Antragsteller bei der Bewertung künftig keine Rolle mehr spielen. Bisher war die Zulassung zu bestimmten Berufen an die deutsche oder EU-Staatsangehörigkeit gebunden. Das Gesetz schafft diese Koppelung für bestimmte Berufe ab. So soll beispielsweise auch ein türkischer Arzt eine Approbation erhalten, sofern er die fachlichen Voraussetzungen erfüllt. Dies war bisher nicht möglich, selbst wenn er in Deutschland studiert hatte. Das Bildungsministerium verkündete: „In Zukunft wird nur noch die berufliche Qualifikation ausschlaggebend sein, die der Zuwanderer mitbringt.“

Meilenstein für Spätaussiedler?
Und das gelte laut Klaus Brähmig (CDU) „insbesondere“ für „Spätaussiedler in Deutschland“. Denn unter denen seien „überdurchschnittlich viele höher Qualifizierte und Akademiker“. Die CDU/CSU begrüße, dass mit dem Gesetz die „Verantwortung für Deutsche aus Mittelosteuropa und dem GUS-Raum“ wahrgenommen werde. Die Bundesregierung greife „ein zentrales Anliegen der Spätaussiedler auf“ und unterstreiche damit die „Wertschätzung gegenüber zugewanderten Fachkräften sowie dieser wichtigen Bevölkerungsgruppe“.

Info: Voraussetzung für die Feststellung der Gleichwertigkeit ist, dass zwischen den nachgewiesenen Berufsqualifikationen und der entsprechenden inländischen Berufsbildung keine wesentlichen Unterschiede bestehen. Um wesentliche Unterschiede auszugleichen, kann ergänzend einschlägige und nachgewiesene Berufserfahrung berücksichtigt werden.

Im Kern sieht der Gesetzesentwurf lediglich vor, dass die Entscheidung, ob ein Abschluss anerkannt werden kann, innerhalb von drei Monaten nach Vorlage aller erforderlichen Unterlagen erfolgen muss. Wird im Verfahren keine Gleichwertigkeit der Auslandsqualifikationen festgestellt, werden die vorhandenen sowie die fehlenden Berufsqualifikationen im Verhältnis zur deutschen Referenzausbildung dokumentiert. Dies Informationen sollen dem Zuwanderer die Möglichkeit eröffnen, sich entsprechend weiter zu qualifizieren. Anhand einer bundesweit einheitlichen Telefon-Hotline sollen sich Antragsteller informieren können.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), bezeichnet den Kabinettsbeschluss als „ein Meilenstein für die Integration“. Die Botschaft an die zugewanderten Akademiker und Fachkräfte laute: „Ihr seid in Deutschland willkommen.“ Die Ankündigung Schavans, eine zentrale Auskunftsstelle für Migranten einzurichten, stehe außerdem „für eine neue Willkommenskultur in unserem Land.“

Kein Großer Wurf
Und an diesem Punkt setzt die Kritik der SPD am Gesetz an. Eine zentrale Anlaufstelle sieht das Gesetz nicht vor. So werde das „Wirrwarr“ im „Dschungel an Zuständigkeiten“ bleiben. Hinzu komme: „Eine Koordination mit den Ländern hinsichtlich der landesrechtlich geregelten Berufsausbildungen fehlt völlig. Es ist nicht gewährleistet, dass die Verfahrensstandards und Entscheidungskritierien bundeseinheitlich umgesetzt werden. Anerkennung darf jedoch kein Glücksspiel abhängig vom Wohnort werden. Das, was das Kabinett hier beschlossen hat, ist nichts Halbes und nichts Ganzes“, so die SPD-Politiker Daniela Kolbe und Swen Schulz.

Die Grünen ergänzen: „Offenbar soll im Gesetzentwurf auch nicht explizit ausgeschlossen werden, dass die Länder von den geregelten Verwaltungsverfahren abweichen dürfen. Das kann zu unterschiedlichen Verfahrensstandards führen und unter Umständen die bundesweite Gültigkeit der Anerkennungsergebnisse ins Trudeln bringen.“ Daher halten auch die Grünen-Politiker Krista Sager und Memet Kilic das Gesetz nicht für einen „großen Wurf“. Gemessen an dem Ziel des Gesetzes sei das zu wenig.

Skandal
Deutlicher ist die Kritik von Sevim Dagdelen (Die Linke): „Es ist ein Skandal.“ Erst habe die Bundesregierung Jahre nichts getan und lege nun einen Gesetzentwurf vor, „der nach wie vor keine bundeseinheitliche und transparente Struktur und klare institutionelle Zuständigkeitsregelungen festlegt“. Die Linkspolitikerin fordert nicht nur einen Rechtsanspruch auf Prüfung sondern einen „auf Beratung“.

Agnes Alpers (Die Linke) fordert zu dem eine Begleitung für Migranten vor und während des Anerkennungsverfahrens. „Migranten bleiben im Regen stehen, wenn sie einen Beruf erlernt haben, der nicht bundeseinheitlich geregelt ist. Dann müssen sie sich mit 120 Landesgesetzen auseinandersetzen. Wenn man umzieht, geht das Verfahren eventuell von vorn los.“ Die Bundesregierung sehe hier nicht die Interessen der Migranten im Vordergrund, sondern verfolge ganz klar den „Kurs der wirtschaftlichen Verwertung“ – Anerkennung von Menschen spiele keine Rolle. (es)
Politik

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