Wochenrückblick

KW 10/11 – Allerlei Widersprüchliches zum Thema Islam und Integration

Die Themen der Woche sind: Ilja Trojanow unterstützt Patrick Bahners; Was will Necla Kelek eigentlich?; Der Rechtspopulist ist ein Modernisierungsverlierer; Seehofer macht der deutschen Wirtschaft keine Freude; Deutschpflicht und Herdprämie – ein Widerspruch; Der Islam gehört übrigens bald zur CSU

Welches Deutschland ziehen Sie vor?
In der Frankfurter Allgemeinen springt Ilja Trojanow Patrick Bahners bei. Er mahnt an, dass es in Wirklichkeit um praktische Maßnahmen der Integration gehe, und nimmt dann die „Panikmacher“ aufs Korn:

An ruhigeren Tagen behaupten die Demagogen, ihr Angriff richte sich nur gegen jene Migranten, die sich der Integration verweigerten. Sie erhalten Rückenwind von Politikern, die behaupten, Multikulti sei tot. Von solchen markanten Sprüchen fühlen sich allerdings vor allem die bestens assimilierten Migranten, ihre Kinder und Kindeskinder angegriffen (wie die gerade erschienene Anthologie „Manifest der Vielen“ wortgewandt und vielstimmig dokumentiert). In den letzten Monaten habe ich eine Reihe von Zuschriften erhalten, in formvollendetem Deutsch, die dem düsteren Zweifel Ausdruck verliehen, ob dies überhaupt noch „unser Land“ sei.

___STEADY_PAYWALL___

Zwei Vorstellungen von Deutschland konkurrieren miteinander:

Welche Darstellung von Islam und Migration wird sich auf dem Markt durchsetzen? In diesem Sinne sind die Panikmacher zwar höchst erfolgreiche, aber eher armselige Künstler – die Romane von Emine Sevgi Özdamar oder die Filme von Fatih Akin vermitteln ein erheblich profunderes Bild der hiesigen Realitäten als die Pamphlete einer Necla Kelek. …

Die Demagogie der Panikmacher richtet sich nicht nur gegen den Islam, sondern gegen die Vielfalt im Land; sie schreit ein engstirniges, provinzielles, kleingeistiges Deutschland herbei. Wahrlich, das Gegenteil von Vielfalt ist Einfalt.

Was will Necla Kelek eigentlich?
Alan Posener, dem Necla Kelek erklärtermaßen  sympathisch ist, wundert sich in einem Kommentar auf dem Blog starke-meinungen.de. Einerseits schreibe sie in ihrem Buch „Die fremde Braut“:

 „Die Integration der Mehrheit der in Deutschland lebenden Türken ist gescheitert. Eine der Ursachen hierfür ist zweifellos die nach wie vor vorhandene strukturelle Benachteiligung von ‚Ausländern’ und eine durchaus verbreitete … fremdenfeindliche Haltung. Aber das ist nicht das Hauptproblem. Verantwortlich für das Scheitern ist eine verfehlte Integrationspolitik, die von der Lebenslüge getragen wurde, Deutschland sei kein Einwanderungsland.“

Andererseits mache sie die Migranten aus der Türkei voll und ganz selbst veranwortlich und beklage ihre Flucht in die Religion und Tradition.

Kelek sieht also eigentlich beide Seiten in der Verantwortung, stellt Posener fest, und folgert daraus:

Im Gegensatz zu ihren falschen Freunden und ihren voreiligen Kritikern glaube ich, dass Necla Kelek trotz ihrer zuweilen starken Worte sich noch nicht entschieden hat, wo sie steht.

Der Rechtspopulist ist ein Modernisierungsverlierer
Eberhard Lauth sieht das im Standard aus der österreichischen Perspektive:

Er ist ein Modernisierungsverlierer. Er hat Angst vor Zuwanderern und fürchtet sie am meisten, wenn sie sich deutlich zu erkennen geben – also wenn sie Kopftuch oder langen Bart tragen. Er will nicht mehr mit der Vergangenheit belästigt werden. Er hält die Europäische Union für eine Zumutung, die ihn bloß Geld kostet. Und er ist der Meinung, dass die da oben es sich so bequem eingerichtet haben, dass die da unten (also er) die Einzigen bleiben, die Schicksalsschläge à la Wirtschaftskrise auszulöffeln haben.

Aus dieser Gefühlslage schöpft zumindest der Rechtspopulismus österreichischer Prägung mit seinem zentralen Darsteller Karl-Heinz Strache von der FPÖ. Strache wettert in Wahlkampf-Zeiten gegen den Islam, gegen die EU und die größeren Parteien, die ihm als willkommene Stellvertreter für „die da oben“ erscheinen. Er redet der Angst nach dem Mund, er benennt den willkommenen Feind, als der sich in den vergangenen Jahren vor allem der Islam an sich ergeben hat.

Daran, so Lauth, werden auch die Umstürze in den arabischen Ländern nichts ändern. Denn der Rechtspopulist schaut nicht über den Tellerrand.

Seehofer macht der deutschen Wirtschaft keine Freude
Das macht die Financial Times Deutschland klar.

Der CSU-Chef ist sich nicht zu schade, die tiefen Wunden in der Parteiseele mit einer ordentlichen Portion Ressentiment zu kurieren.

Niemand weiß nach seiner Rede, wie es genau aussehen soll, wenn die CSU die deutsche Sprache und die Integration von Menschen mit ausländischen Wurzeln in der bayerischen Verfassung festschreiben will. Soll rechtlich verfolgt werden, wer seine Kinder zuerst in der eigenen Muttersprache in den Schlaf singt, bevor er zum deutschen Wiegenliedgut greift?

Aber das Wie spielt ja eigentlich keine Rolle. Auch nicht, dass Seehofer leicht abgewandelt das aufsagte, was die CSU seit jeher fordert. Wichtig ist, was bei den begeisterten Zuhörern ankommt, wenn Seehofer ein Referendum über sein Vorhaben ankündigt: Damit wird dem Wähler suggeriert, dass man bald irgendwo seine Unterschrift gegen Einwanderer abgeben kann.

Deutschpflicht und Herdprämie – ein Widerspruch:
Darauf macht in einem Interview mit der Welt Sigmar Gabriel aufmerksam:

Es ist ja kabarettreif, wenn Seehofer nun fordert, die deutsche Sprache – er meint Hochdeutsch, vermute ich – in der bayerischen Verfassung zu verankern. Wie bitte passt das zusammen mit der Herdprämie von 150 Euro pro Monat? Die sollen die Eltern bekommen, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken. Das hat er ja in die Koalitionsvereinbarung gedrückt. Welch ein Unsinn! Das wird dazu führen, dass gerade die Kinder nicht in die Kita kommen, die auf frühkindliche Bildung oder Sprachförderung besonders angewiesen sind.

Der Islam gehört übrigens bald zur CSU – in Landshut
Nicht ohne Vergnügen berichtet die Süddeutsche davon, dass in Landshut der Vorsitzende eines örtlichen Moscheevereins der CSU beitreten will und einen Aufnahmeantrag gestellt hat.

Hans Rampf, CSU-Bürgermeister von Landshut, freut sich darüber:

Die Gesellschaft ändere sich, sagt der Bürgermeister, und eine Volkspartei wie die CSU müsse da mitgehen. Wenn da „ein türkischer Landsmann“ Gefallen an der CSU finde, dann freue ihn das. „Wir müssen auch diesen Leuten eine Chance geben.“ Ein Stadtrat Karaüzüm wäre eine „Bereicherung“. … „der Mann kann uns sehr viel bringen, gerade für die Integration“, sagt Rampf.