Erdoğan in Düsseldorf

Ihr seid und bleibt nicht alleine!

Ob mit oder ohne türkischen Pass, Türken bleiben türkische Staatsbürger. Daher möchte der türkische Ministerpräsident Erdoğan seinen Landsleuten den Schritt zum Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft mit einer Lightversion der doppelten Staatsbürgerschaft erleichtern.

Montag, 28.02.2011, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 04.03.2011, 3:49 Uhr Lesedauer: 3 Minuten  |  

Rund 10 000 Landsleute des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdoğan haben sich am Sonntagabend im ISS Dome in Düsseldorf zusammengefunden. Die Halle ist voll, die Stimmung gut. Die Menschen wedeln mal mit der türkischen, mal mit der deutschen Fahne.

Integration ja, Assimilation nein!
Als Erdoğan erstmals die Halle betritt, wird er euphorisch gefeiert. Kurz darauf ertönen die Nationalhymnen. Bei der Türkischen stimmt die ganze Halle mit. Während die deutsche Hymne gespielt wird, muss man genauer hinhören: „Einigkeit und Recht und Freiheit …“.

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Dann kommt Erdoğans Auftritt. „Wir sind stolz auf dich“, jubelt ihm die Menge zu. „Wir sind stolz auf euch“ entgegnet der türkische Premier. Wie vor drei Jahren in der Köln-Arena spricht er sich gegen die Assimilation aus. „Keiner hat das Recht uns von unserer Kultur und Identität zu trennen.“ Applaus. Gleichzeitig ruft er seine Landsleute auf, sich zu integrieren. „Ja, integriert euch in die deutsche Gesellschaft. Ich will, dass ihr Deutsch lernt, dass eure Kinder Deutsch lernen, sie sollen studieren, ihren Master machen. Ich will, dass ihr Ärzte, Professoren und Politiker in Deutschland werdet.“ Applaus.

Die Türkei ist für euch da!
Zuvor macht der türkische Premier aber klar, dass die Staatsbürgerschaft irrelevant ist. „Man nennt euch Gastarbeiter, Ausländer oder Deutsch-Türken. Wie auch immer ihr bezeichnet werdet: Ihr seid meine Staatsbürger, ihr seid meine Freunde, ihr seid meine Geschwister! Ihr gehört zu Deutschland, aber ihr gehört auch zu der großen Türkei.“ Die Halle tobt. Sie seien nicht alleine. Wann immer sie Hilfe bräuchten, werde die Türkei die helfende Hand ausstrecken. Denn sie stünden nicht nur unter dem Schutz Deutschlands, sondern auch der Türkei.

Er wisse um die steigende Ausländerfeindlichkeit und Islamophobie in Europa und in Deutschland. Medien wie Politiker würden ihren Beitrag dazu leisten. „Das ist der falsche Weg“. Wer Ausländerfeindlichkeit für innenpolitische Zwecke missbrauche, handele kurzsichtig mit langfristig fatalen Folgen. Dabei sei es selbstverständlich, dass Demokratien vielfältig seien. Inzwischen lebten Zehntausende deutsche Staatsbürger in der Türkei und hätten Grund und Boden erworben. „Wenn auch nur einem die Nase blutet, tut es mir gleichermaßen weh.“

Doppelpass light
Erdoğan wisse um die Sorgen und Probleme der in Deutschland lebenden Türken und habe eine frohe Botschaft zu verkünden. „Wer die deutsche Staatsbürgerschaft annehmen möchte, muss die Türkische abgeben.“ Die in diesen Fällen bisher ausgehändigte „Mavi Kart“ habe sich nicht als praxistauglich erwiesen und werde aufgewertet. Künftig würden ehemalige türkische Staatsbürger eine Art Identitätskarte ausgehändigt bekommen, die ähnlich ausgestattet sein werde, wie der türkische Personalausweis (wir berichteten).

Außerdem sollen türkische Staatsbürger in Zukunft die Möglichkeit erhalten, bei den türkischen Auslandsvertretungen zu wählen. Die entsprechenden Gesetzesänderungen seien bereits unter Dach und Fach. Allerdings sei die Zustimmung des jeweiligen Staates erforderlich. Auf das „Ja“ Deutschlands warte man noch.

Mit dieser Ankündigung verabschiedet sich Erdoğan. Konfettis und Jubel folgen. (bk)
Politik

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  1. Tupac sagt:

    Ganz einfach ist es irgendwo hinzugehen und Phrasen zu dreschen, wenn man selbst nicht die Verantwortung über die hier lebenden Menschen mit türkischem Migrationshintergrund hat. Und so viele falllen darauf rein! Das ist ja peinlich!

  2. Pingback: Maria Böhmer: Der türkische Staat soll loslassen | Migration und Integration in Deutschland | MiGAZIN

  3. bogo70 sagt:

    @Miro,
    Eigentlich erwarte ich nur von unseren Politikern flammende Reden für Gleichheit und Zusammenhalt und keine Wahlkampfstrategien auf Kosten von Minderheiten. Sie haben da etwas Grundlegendes falsch verstanden.

  4. Clever und Smart sagt:

    Die deutschen Regierungen sitzen das Problem aus. Jeder sollte wissen, dass die Türken in hohen Zahlen re – migrieren, ob als deutsche oder als türkische Staatsbürger. Wenn das so weiter geht, sollte sich das Thema in 15 Jahren von alleine lösen.

    Deshalb solltet ihr alle auf den Onkel Erdogan hören und türkisch lernen. Sicher ist sicher…

  5. Aaron sagt:

    @Boli
    Wer lesen kann ist klar im vorteil. Entweder wollen sie die anderen nicht verstehen oder dahinter steckt eine perfide Absicht hier den anderen mit ihrem Halbwissen zu beeinflussen. googeln sie mal nach hätten und haben oder besuchen sie mal die Grundschule solche Sachen lernt man nämlich dort.
    Mit ihnen zu diskutieren macht keinen Sinn.
    ps ich geh ja auch nicht auf die Seiten von pipi….net und versuche dort Menschen zu überzeugen, was wollen sie hier?

  6. Europa sagt:

    @Aaron
    Wollen sie damit also zugeben, dass sie eine geschlossene Gesellschaft hier bevorzugen würden? Sie mein Lieber haben hier nichts verloren!

  7. NDM sagt:

    Dass es Verwunderung darüber gibt, dass Erdogan in Düsseldorf umjubelt wurde, ist mir unverständlich. Wenn Phil Collins auf Tournee ist, werden seine Konzerte ganz sicher nicht von Ravern und HipHoppern bevölkert, sondern von treuen Fans, die mitsingen und jubeln, bis die Stimme versagt. Nicht anders verhält es sich bei Wahlkampfveranstaltungen.

    Politisch halte ich ja von Erdogan und der AKP so viel, wie von Roland Koch und der CDU. Nicht viel. Dennoch muss man auch sehen, dass er eine Nachfrage erfüllt. Mit einer solchen Rede gibt Erdogan einem Teil der Bevölkerung das Gefühl, dass sie überaus wichtig sind, und dass daher jemand ihre (vermeintlichen oder realen) Interessen öffentlichkeitswirksam, selbstbewusst und entschieden anspricht. Und er ist ein Politiker, der nicht in der dritten Person über die Menschen hinwegspricht, sondern sie direkt in der ersten Person anspricht und stützend ermutigt. Das ist beinahe das genaue Gegenteil von dem, was sonst so in Deutschland zu erfahren ist. Bülent Arslan (Siehe Link von Bogo70) ist zudem insgesamt zuzustimmen. Es geht zu einem großen Teil um die Befriedigung emotionaler Bedürfnisse.

    Zu kritisieren ist hier, dass recht nationalistische Töne angeschlagen werden, aber Erdogan ist nun einmal kein HC Ströbele, sondern in meinen Augen eher eine Art Edmund Stoiber, der das ja auch gut konnte.

    Erdogan ist jedoch nicht der Pascha, sondern der amtierende Ministerpräsident eines aufstrebenden Landes im Wahlkampf. Demzufolge tritt er sehr macht- und selbstbewusst auf, hat aber eben nicht nur Fans, sondern auch politische Gegner. Z.B. ist auch die größte Konkurrenz der AKP, die sozialdemokratische CHP, auf Europatour:
    http://www.turkishpress.com/news.asp?id=357323

  8. Boli sagt:

    @NDM

    Es geht zu einem großen Teil um die Befriedigung emotionaler Bedürfnisse.

    Das ist ja gerade das Gefährliche. Was für die betroffenen Türken Erdogan ist, ist für 1 – 2 Millionen Deutsche Sarazin, berechtigt oder unberechtigt.
    So wie T. Sahin es schon gesagt hat. Ich glaube auch nicht das mit diesem Paschaverschnitt eine EU Aufnahme möglich ist.

    @Aaron

    Das wer lesen kann klar im Vorteil ist, sehe ich auch so.
    Nur über was beklagen Sie sich eigentlich? Ich habe auf den letzten Beitrag von Ottoman geantwortet bzw. mich darauf bezogen. Und wenn Sie eindeutige Themenlinks als Halbwissen bezeichnen. Sind Sie verwandt mit dem Gadafficlan? Die haben auch Probleme die Realitäten zu akzeptieren.
    Fakt ist nunmal das man solche Veranstaltungen wie in Köln und Düsseldorf grundsätzlich nicht mehr zulassen sollte. Wenn die Leute ihrem Führer zujubeln wollen sollen sie bitte zum Parteitag der nationalen Volksgenossen nach Ankara fliegen.

  9. LI sagt:

    Man kann zu Erdogan stehen wie man will, wobei ich der Rede in Düsseldorf entgegen dem Mainstream nichts entnehmen kann, was auch nur im Ansatz das tollwütige deutsche Medien- bzw. Politikspektakel rechtfertigt.

    Fakt ist, solange Integration und Teilhabe an der deutschen Gesellschaft nur Lippenbekenntnisse der Mehrheitsgesellschaft sind, werde ich freudig Gebrauch machen von der Möglichkeit eines Perso Light für Auslandstürken.

    Die Meinung irgendwelcher schaumspeienden Politikkasper oder Medienschwätzer, die ihren „Kairos“ (Zitat nach zu Guttenberg) schon lange verpaßt haben, ist mir dabei völlig schnuppe.

    im Übrigen:

    Was hat Erdogan zum Spracherwerb den weltbewegendes gesagt:

    Lernt türkisch und lernt deutsch.

    Das ist doch völlig in Ordnung.

    Er hat doch nicht gesagt lernt gut türkisch und schlecht deutsch.

    was manche jedoch gerne der Aussage Erdogans unterstellen wollen.

    Sprachdefizite sind niemals ein Problem der Kinder, sondern primär der Schule mit unmotivierten und leistungsunwilligen Lehrkräften, welche eigenes Versagen gerne anderen, nämlich den Kindern oder deren Eltern zuweisen wollen.

    LI

  10. T. Sahin sagt:

    ….es wird von Sprachwissenschaftlern geradezu aufgerufen, erst die Muttersprache zu lernen, dann eine zweite dazu!!!
    „Wer die Muttersprache nicht beherrscht, kann die zweite ebenso schlecht “
    Deswegen war das der beste Apell in Erdogans Ansprache.
    Er hätte besser auf die Sprachwissenschaft verweisen müssen, dann hätte man dieses nicht so fehlinterpretiert.
    Fakt ist: ein Türke,der schlecht türkisch spricht, spricht ebenso schlecht deutsch!!! (wenn man zweisprachig aufgewachsen ist wohlbemerkt)