Bundesregierung

Erhöhung der Ehebestandszeit bei Türken nur bedingt anwendbar

Die geplante Erhöhung der Ehebestandszeit von zwei auf drei Jahren ist aus europarechtlichen Gründen bei Türken nur bedingt anwendbar. Damit droht das Vorhaben der Bundesregierung ins leere zu laufen.

Die geplante Erhöhung der Mindestehebestandszeit von zwei auf drei Jahren ist bei türkischen Staatsbürgern nur bedingt anwendbar. Das räumt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion ein. Damit droht die von Frauen- und Menschenrechtsorganisationen heftigst kritisierte Neuregelung ins leere zu laufen, wenn man bedenkt, dass türkische Staatsbürger größte Migrantengruppe stellen.

Grund ist ein Beschluss des Assoziationsrats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft mit der Türkei aus dem Jahre 1980 (ARB 1/80). Es sieht ein Verschlechterungsverbot vor, die EU-Länder verpflichtet, „keine neuen Beschränkungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt“ und damit auch im Aufenthaltsrecht gegenüber türkischen Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen einzuführen. Im Dezember 2010 hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) zudem klargestellt, dass dieses Verschlechterungsverbot nicht nur bezogen auf das Jahr 1980, sondern auch in Bezug auf seitdem erfolgte Begünstigungen gilt.

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Bei Türken nur bedingt anwendbar
Unter Zugrundelegung dieses Urteils, so die Bundesregierung, „unterfällt die geplante Erhöhung der Ehemindestbestandszeit dem Anwendungsbereich von“ ARB 1/80. Allerdings gelte die bisherige Mindestehebestandszeit von zwei Jahren nur, soweit der türkische Staatsbürger „zum Zeitpunkt der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft“ einer Erwerbstätigkeit nachgehe. Andernfalls greife die Neuregelung von drei Jahren. Allerdings reiche bereits eine geringfügige Beschäftigung (400-Euro-Job) aus, um die Gesetzesverschärfung unwirksam werden zu lassen.

Nach Auffassung von Sevim Dağdelen, integrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sucht die Bundesregierung mit dieser Einschränkung „mal wieder krampfhaft nach Auswegen, um Europarecht nicht umsetzen zu müssen“.

Neuregelung bestraft Opfer
Die Logik der Bundesregierung „führt zu dem Ergebnis, dass die Verlängerung der Ehebestandszeit bei türkischen Staatsangehörigen gerade die Opfer einer Zwangsehe oder gewalttätigen Beziehung treffen wird, weil diese auch ökonomisch häufig abhängig sind“, so Dağdelen weiter. Was die Bundesregierung betreibe, sei damit das genaue Gegenteil von Opferschutz.

Daher bekräftigt die Linkspartei ihre Forderung an die schwarz-gelbe Regierungskoalition, von der geplanten Regelung generell abzusehen. „Es ist ein Skandal, dass Frauen aus Angst vor einer Abschiebung noch ein Jahr länger in Gewaltverhältnissen oder Zwangsehen ausharren sollen. Die Bundesregierung muss ihr Gesetzesvorhaben stoppen“, so Dağdelen.

Die Bundesregierung hingegen sieht keinen Anlass, das Vorhaben fallenzulassen. Dieser Umstand erfordere „keine Änderung des geplanten Wortlauts” des Aufenthaltsgesetzes. (hs)