EM-Qualifikationsspiel

Deutschland gegen Türkei: Stolz und Ehre spielen mit

Mesut Özil, der türkischstämmige deutsche Nationalspieler, läuft heute Abend im EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei auf. Der türkische Europaminister ist stolz auf ihn, selbst wenn er ein Tor schießt.

Freitag, 08.10.2010, 8:30 Uhr|zuletzt aktualisiert: Freitag, 15.10.2010, 7:22 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

„Ich bin stolz darauf, ein Türke zu sein. Für mich ist es aber auch eine Ehre, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen“, stand in der türkischen Tageszeitung Hürriyet (5. Oktober 2010) über Mesut Özil. Heute Abend wird er gegen die türkische Nationalmannschaft auflaufen mit dem Bundesadler auf der Brust.

Auf der anderen Seite Hamit Altıntop. Wie Özil ist er in Deutschland aufgewachsen und wurde Nationalspieler. Vor dem Spiel heute Abend wird er in die türkische Nationalhymne einstimmen.

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Mesut Özil wird sein Bestes geben, Hamit Altıntop auch. Wenn Özil ein Tor schießt, wird er „eine Reaktion zeigen“. Welche, das wisse er noch nicht. Wenn Altıntop ein Tor schießt, wird er umsomehr jubeln weil er damit seine Freunde von Bayern München ärgert. Es ist ein Spiel.

Altıntop respektiere die Entscheidung Özils, für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen, verstehen könne er es aber nicht. Für Özil sei von Anfang an klar gewesen, dass er sich Schwarzrotgold überzieht.

Das Spiel heute Abend ist für beide etwas Besonderes. In Deutschland wurde Hamit Altıntop kritisiert, als er sich für die türkische Nationalmannschaft entschied und gefeiert in der Türkei. Mesut Özil wurde für seine Entscheidung in Deutschland gelobt und kritisiert in der Türkei.

Dass das nicht sein muss, steht heute in der türkischen Tageszeitung Zaman. Der türkische Europaminister Egemen Bagış (AKP) habe gesagt, dass die türkischstämmigen Fußballer alles für die deutsche Nationalmannschaft geben müssen. Das sei das einzig Richtige. Er wünsche sich, türkischstämmige Fußballer in allen großen Mannschaften. „Und selbst wenn sie ein Tor gegen uns schießen, wissen wir auch darauf stolz zu sein”.

Eine sympathische Betrachtungsweise des türkischen Ministers: Menschen nicht danach zu beurteilen, ob sie sich vermeintlich für oder gegen ein Land entscheiden. In Özil genauso wie in Altıntop schlagen zwei Herzen in der Brust – egal ob unterm Bundesadler oder Halbmond. Alles andere ist realitätsfremd und wäre eine Zumutung, würde man fordern, eins abzustellen. Gezerre zerreißt. Daher sollten Deutsche wie Türken stolz auf Altıntop sein, wie auf Özil. „Denn sie sind Botschafter der Kultur, in der sie groß geworden sind“, so Bagış. Während Özil eher den Filigranen für Deutschland gibt, gibt Altıntop den Ausdauernden für die Türkei.

Zum Spiel forderte der türkische Minister die türkischen Fans auf, nicht nur mit türkischen, sondern auch mit deutschen und Europafahnen zu kommen. Sie sollten die Gelegenheit nicht auslassen, um „bestimmten Kreisen, die sie auszunutzen versuchen, Freundschaft, Friede, Brüderlichkeit und Einheit zu demonstrieren“.

Was fehlt, sind nur noch die Tore – von Özil und Altıntop. Politik

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  1. NDS sagt:

    Ein wirklich gelungener Artikel, der genau das ausdrückt, wie diese jungen Menschen dieses Spiel erleben.
    Sollte das dieser Minister so gesagt haben, hat er wirklich Empathiefähigkeit bewiesen, weil es sehr schwer ist, sich in eine solche Situation hineinzuversetzen!

  2. Ein wirklich gelungener Artikel!

    Die Beispiele Özil und Altintop zeigen, dass Loyalität keinen universalistischen Anspruch haben muss. Logik des Fußballs ist es, Tore für die eigene Mannschaft zu schießen. Und wenn mann als Türke für die Deutsch Elf spielt, dann existieren keine vehementen Loyalitätskonflikte. Jeder tut auf dem Feld das, was sein Job ist.

    Ein brasilianischer Wirtschaftsminister in Deutschland würde die Wirtschaftsinteressen Deutschlands vertreten, wenn er in Brasilien unterwegs ist. Und nicht verdeckt die brasilianischen Interessen vertreten.

    Bi- und multikulturelle und kosmopolitische Personen wissen das.

  3. McS sagt:

    Naja, Özil wollte zu erst in die Türkische nationalmannschaft & wurde nicht angenommen ;)

    Und ich hab leider keine EU- oder Deutschland-Fahne, deswegen tut es mir Leid wenn ich heute nur mit einer Türkei Fahne raus gehe, Haha :D
    Egal, möge der bessere Gewinnen & Ich hoffe, die deutschen werden mich nicht provozieren ;)
    Weil, was hier in Deutschland im moment abgeht, regt mich sowieso auf
    Peace Out
    Viel spaß beim gucken Heut‘ Abend

  4. DerTürke sagt:

    Hoffentlich gewinnt Türkei weil, die deutschen mich dann provozieren!
    Mesut Özil: Wieso wurde der nicht in die Türkische National-Mannschaft nicht angenommen?
    Altintop: kein kommentar xD :)

  5. Fußball :-) sagt:

    Hallo zusammen, :-)

    Ich finde diesen Artikel wirklich gut, und freue mich das es einige Türken gibt, die die Deutschen auch respektieren, weil ich ( Deutsche) werde von den türkischen Mitmenschen provoziert, wenn es um Deutschland-Türkei Spiele geht. Wenn kein Fußball ansteht versteht man sich, doch kaum spielen die beiden Länder gegeneinander, entsteht großer Streit.
    Ich finde es einfach nur schade, denn in Deutschland ist die Anzahl der Türken sehr hoch und wenn man sich da nicht gegenseitig respektiert und vorallem akzeptiert ist einfach nur traurig… Nun ja ich wünsche den Türkischen Fußballern viel glück aber um so mehr natürlich meiner Mannschaft ;-) ( DEUTSCHLAND)

    Haut rein, und Hals und Bein bruch heute Abend :-)

  6. NDM sagt:

    Tja, was soll ich sagen?
    Ich bin kein Fußballfan, aber Raucher. Als ich heute Abend am Nachbarlichen Kiosk meinen Tabak holen wollte, jubelte mir der Kioskverkäufer mit deutschem Pass, konservativem Wahlverhalten, türkischem Namen und einem äußerst individuellen Gebrauch der Deutschen Sprache ein „Deutschlaand! Deu-eutsch-laand!“ entgegen, und wollte das Geschäft rasch hinter sich bringen, um zurück in den Hinterraum zu kommen, wo er einen großen Flachbildschirm sein eigen nennt.

    Ich bin gut mit ihm Bekannt. „Der spinnt mal wieder“, dachte ich mir, zeigte ihm einen Vogel, grinste freundlich, und wusste genau, dass wieder Fußball läuft. Das merkt man ihm nämlich an. „Fanatik“ nennt er sich. Was den Fußball angeht, flippt er bei Länderspielen immer völlig aus. Er trägt ein Deutschland-Trikot und hängt sein „Duett“ heraus, eine deutsche und eine türkische Fahne.

    Es ist wie ein Ritual. Ganz gleich, ob die deutsche oder die türkische Mannschaft spielt. Das Deutschlandtrikot und sein „Duett“. Wenn man durch das Verkaufsfenster an ihm vorbeischaut, sieht man das Ambiente: ein Schmuckstück, auf dem „Masallah“ steht, und einen halben Meter daneben ist ein Kalender der Ditib zu sehen, auf dem zwei türkischen Fahnen abgebildet sind. In seinem Hinterzimmer hängt beim Fernseher ein Bild mit einer türkischen Fahne, auf der in filigran handgearbeiteten Lettern ein Gedicht in türkischer Sprache geschrieben steht. Rechts und links daneben hängen zwei weitere, schon etwas ausgeblichene Landschaftsbilder aus der Türkei. Und am Körper immer das Deutschland-Trikot, ganz gleich, ob die Deutsche oder die türkische Mannschaft spielt: Dieses Setting gehört zu seinem persönlichen Fußballritual. Das ist wohl Ausdruck der „Kraft der zwei Herzen“, von der hier und dort die Rede ist.

    Und am Ende des heutigen Spiels wird er wohl froh gewesen sein, dass „seine“ Mannschaft gewonnen hat – ganz gleich, welche es war.

  7. Alt Gerhard sagt:

    Einigermaßen befremdet habe ich eben die Kommentare gelesen. Hier wird viel und auch richtiger Weise von deutsch-türkischen Freundschaften geschrieben. Diese sind umso wünschenwerter, wenn sie auch gelebt werden. Aber was sich am Freitag beim Fußballspiel Deutschland-Türkei abgespielt hat fand ich ganz neben dem Geschriebenen. Mesut Özil wurde bei wedem Ballkontakt gnadenlos ausgepfiffen.
    Wie war das noch mit Stolz der Türken über jeden guten Spieler im Ausland, auch wenn er gegen sein Heimatland ein Tor schießt?
    Alles nur heiße Luft und leeres Gerede.
    Wir Deutschen haben ja auch nicht gegen Sahin und die Altintop-Brüder gepfiffen, obwohl sie in Deutschland geboren und aufgewachsen sind.
    Das ist Völkerfreundschaft!
    Übrigens… Ich bin mit einigen Türken mittleren Alters gut befreundet und sind hier der gleichen Meinung