Türkische Presse Europa

09.04.2010 – Integration, Rechtsextremismus, Türkisch

Die Europaausgaben türkischer Tageszeitungen berichten ausführlich über den Frankreichbesuch des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdogan. Weitere Themen sind u.a. Spaenles Aussagen bezüglich des Türkischunterrichtes in Bayern, der Sprecherwechsel im KRM sowie rechtspopulistische Wahlpropaganda anlässlich der Landtagswahlen in NRW.

Dr. Yasar Aydin: Nicht die Integration, sondern die Verfremdung ist das Problem
Der Soziologe Dr. Yasar Aydin vom Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Institut habe gegenüber der SABAH erklärt, dass das eigentliche Problem Deutschlands nicht die Integration, sondern vielmehr die Verfremdung von Ausländern sei. Während der Erstellung seiner Doktorarbeit habe er in Umfragen die Erkenntnis gewonnen, dass die Befragten bei dem Wort „Ausländer“ sofort an Türken denken. Auch habe die Mehrheit die Frage, welche Bevölkerungsgruppe man sich am wenigsten als Nachbar wünsche, mit „Türken“ beantwortet.

„In Deutschland ist das Wir-Gefühl sehr ausgeprägt. Die Kultur und die ethnischen Wurzeln haben eine große Bedeutung für Gesellschaft und Staat; auch bei den Einbürgerungen. Dies ist beispielsweise in Großbritannien nicht der Fall“, erklärte Aydin weiter. Vor allem die Politik aber verbreite in Deutschland das Gefühl, dass Migranten nicht in diesen Kreis des „Wir-Gefühls“ hineingehören. So verweigere man den Türken z.B. die doppelte Staatsangehörigkeit, obwohl Bürger anderer Länder problemlos zwei Staatsangehörigkeiten annehmen können.

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Symbolischer Wahltag für Ausländer in Hamburg
Die Initiative „Chancengleichheit für alle“ in Hamburg werde einem Bericht der SABAH zufolge beim Landesparlament eine Anfrage vorlegen, wonach für Nicht-Wahlberechtigte beim Referendum um die neue Bildungsreform ein symbolischer Wahltag veranstaltet werden soll. Es gehe um Themen wie z.B. die Verlängerung der Grundschulzeit von vier auf sechs Jahre. Grünen-Politikerin Gülnur Can sowie Mülayim Hüseyin (Die Linke) haben alle Migranten dazu aufgerufen, an den Wahlen zu partizipieren und ihre Meinung kundzugeben.

Hüseyin habe zudem erklärt, dass neben der rechtsextremen Partei NPD auch die FDP gegen diese Bildungsreform vorgehe.

Rechtsextreme entdecken das Internet
Wie die ZAMAN gestern berichtet auch die HÜRRIYET heute über die Zunahme rechtsextremistischer Aktivitäten im Web 2.0. Experten aus jugendschutz.net zufolge haben rechtsextreme Gruppierungen und Parteien erkannt, dass ihre eigenen Webseiten keinen hohen Bekanntheitsgrad haben. Daher versuchten sie, vor allem Jugendliche über Seiten wie Facebook oder StudiVZ für ihre eigenen Ideen zu gewinnen. Im Jahre 2008 habe man rund 1.500 Videos und Profile mit rechtsextremen und ausländerfeindlichem Inhalt ermittelt, was eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Im Propagandablatt der NPD, der „Deutschen Stimme“, habe man dabei aber empfohlen, von rechtsextremen Symbolen und Bildern abzusehen und auf diesen Seiten wie weltoffene Menschen mit Interesse für Musik, Literatur und Kunst anzutreten, um die Menschen mit Höflichkeit zu beeindrucken und mit der Zeit auf eigene, rechtsextreme Webseiten zu locken.

Rechtspopulisten nutzen Islamophobie als Wahlpropaganda aus
Vor den bevorstehenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfahlen (NRW) am 9. Mai haben rechtspopulistische Parteien wie NPD und pro NRW die Islamophobie als effektives Wahlpropagandamittel entdeckt, berichtet die MILLIYET. Alexander Häusler von der Hochschule Düsseldorf habe gesagt, dass vor allem die NPD Angst habe, ihre Wähler zu verlieren. Daher greife sie oft auf den Islam zurück und versuche, innerhalb der Bevölkerung Ängste vor der vermeintlichen Islamisierung Deutschlands zu schüren. Beliebte Forderungen seien beispielsweise Verbote von Moscheeneubauten und Minaretten. Experten gehen davon aus, dass die pro NRW bei den Landtagswahlen sogar bis zu zwei Prozent der Stimmen erlangen könnte.

Islamratsvorsitzender Ali Kizilkaya ist neuer Sprecher des KRM
Die ZAMAN berichtet in ihrer heutigen Europaausgabe über den turnusgemäßen Sprecherwechsel innerhalb des Koordinierungsrates der Muslime (KRM). So hat Bekir Alboga (DITIB) sein Amt nach sechs Monaten an den Vorsitzenden des Islamrates, Ali Kizilkaya, übergeben. In seinen Aussagen habe Kizilkaya gesagt, dass er sich für die Einheit und den Zusammenhalt der Muslime in Deutschland einsetzen werde. „Der KRM war ein erster und wichtiger Schritt, um die Glaubensgemeinschaften unter einen Dach zu bringen. Leider hat aber die Deutsche Islamkonferenz (DIK) in ihrer jetzigen Form Enttäuschung unter den Muslimen ausgelöst. Wir werden unsere regionalen Arbeiten verstärken.“

Spaenle möchte das Angebot an Türkischunterricht erweitern
Der bayrische Staatsminister für Unterricht und Kultus, Ludwig Spaenle (CSU), habe gesagt, dass er das Angebot an türkischem Mutter- und Fremdsprachenunterricht in Bayern erweitern wolle. Dies sei ein notwendiger Schritt für die Integration der Migranten. Allerdings habe er sich gegen die Einführung von türkischen Schulen in Deutschland ausgesprochen. „In München gibt es ohnehin ein Gymnasium, das ab der 10. Klasse Türkischunterricht anbietet.“ (SABAH)

Erdogan: Integriert euch, doch assimiliert euch nicht
Die ZAMAN und HÜRRIYET räumen dem Frankreichbesuch des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdogan (AKP) jeweils breiten Raum ein. Erdogan habe in seiner Ansprache an etwa 10.000 Menschen im Pariser Zenith-Saal die Türken in Frankreich dazu aufgerufen, die doppelte Staatsangehörigkeit anzunehmen. „Eure türkische oder kurdische Identität verschwindet nicht, wenn ihr auch die französische Staatsangehörigkeit annimmt. Macht Gebrauch von eurem Wahlrecht“, forderte der Premierminister seine Landsleute auf. Darüber hinaus habe Erdogan die Bedeutung der Sprache nochmals unterstrichen und gesagt, dass die Menschen die Sprachen der jeweiligen Länder unbedingt erlernen müssten. Man solle sich in die Aufnahmegesellschaft integrieren; allerdings, so das türkische Staatsoberhaupt, komme die Assimilation nicht in Frage. Diese sei „ein Verbrechen gegen die Menschheit.“ Allem voran komme aber die eigene Muttersprache, ohne die man Fremdsprachen nur schwer erlernen könne. „Pflegt eure Kultur, eure Muttersprache, eure Traditionen“, rief Erdogan die Menschen auf.

Weiter habe Erdogan bekanntgegeben, dass das geplante Ministerium für Auslandstürken gegründet worden ist. Ziel und Zweck dieser Einrichtung ist es, sich intensiver als bisher um die Türken außerhalb der türkischen Grenzen zu kümmern. Auch gebe es Fortschritte im türkischen Wahlsystem; künftig sollen auch türkische Staatsbürger im Ausland wählen dürfen. „Die Türkei wird immer mit euch sein“, versprach der Premierminister seinen Landsleuten.

Ferner sprach Erdogan die Potenziale der Türkei in Bezug auf die Europäische Union an und sagte, dass man „mit 73 Millionen Einwohnern, der jungen und dynamischen Arbeitskraft und der starken Wirtschaft der EU nicht zur Last wird, sondern vielmehr Europa entlasten kann.“ Schließlich gab der Premierminister bekannt, dass man auch in Frankreich ähnlich wie in Deutschland türkische Gymnasien errichten werde.