Chancengleichheit

Lüders fordert anonymisierte Lebensläufe bei Bewerbungen

Die neue Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), Christine Lüders, fordert anonymisierte Lebensläufe in Bewerbungsverfahren. „Ich möchte Lebensläufe, auf denen weder ein Foto zu sehen ist, noch Name, Adresse, Geburtsdatum oder Familienstand erkennbar sind. So erreichen wir mehr Chancengleichheit in Bewerbungsverfahren“, sagte Lüders am Montag in Berlin.

Dienstag, 23.03.2010, 8:03 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 2:46 Uhr Lesedauer: 2 Minuten  |  

Zur Begründung sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle: „Türkischstämmige Bewerberinnen und Bewerber beispielsweise werden von Personalverantwortlichen zum Teil eklatant benachteiligt. Allein ein türkischer Nachname reicht laut einer Studie des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA), die Chancen um 14 Prozent sinken zu klassen. In kleineren Firmen sind es sogar 24 Prozent. Der Grund sind Vorurteile und fehlende Erfahrungen der Personalverantwortlichen.“

Die Antidiskriminierungsstelle war mit Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) im August 2006 errichtet worden. Ziel des Gesetzes ist es, Diskriminierungen wegen ethnischer Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

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230 Bewerbungen, 1 Vorstellungsgespräch
In einem an die ADS herangetragenen Fall hatte ein promovierter Naturwissenschaftler mit verschiedenen Zusatzqualifikationen und Berufserfahrung 230 Bewerbungen verschickt. Nur ein einziges Mal aber war er zum Vorstellungsgespräch eingeladen worden. Ein Headhunter riet ihm schließlich, seinen Vornamen Ali in Alex ändern zu lassen und den Nachnamen seiner deutschen Ehefrau anzunehmen.

„So etwas können wir im Jahre 2010 nicht hinnehmen“, sagte Lüders. Sie fügte hinzu: „Ich bin mir sicher, dass das Interesse der Wirtschaft an anonymisierten Lebensläufen groß ist. Viele Unternehmen legen heute schon großen Wert auf Vielfalt in ihren Belegschaften und wissen, dass sie davon langfristig profitieren werden.“ Es könne nicht sein, dass Unternehmen gut ausgebildete Fachkräfte nicht einladen, nur weil diese nichtdeutsche Namen haben. Firmen, die so auf Talente verzichteten, schadeten sich am Ende selbst, unterstrich Lüders.

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    Vorbild Frankreich
    Sie verwies auf Modellversuche mit anonymisierten Lebensläufen in anderen Ländern, wie etwa Frankreich. Versuche gab es auch in der Schweiz und in Schweden. In den USA sei man in dieser Frage generell schon weiter. „Deutschland sollte hier dringend nachziehen“, verlangte Lüders. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle betonte, ein anonymisierter Lebenslauf erhöhe die Chancen, zum Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Wenn ein qualifizierter Bewerber oder eine qualifizierte Bewerberin mit angenehmer Ausstrahlung vor einem Gremium sitzt, verliere manches Vorurteil über einzelne Bevölkerungsgruppen seine Kraft.

    Lüders kündigte an, dass die ADS eine Expertise in Auftrag geben werde: „Dort wollen wir die Situation im internationalen Vergleich ermitteln und Handlungsmöglichkeiten für Deutschland aufzeigen. Die Ergebnisse erwarten wir im Sommer. Gesellschaft

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    1. surviver sagt:

      Ich wette: In guten Handwerksbetrieben ist die Ablehnung türkischstämmiger Bewerber noch höher. (Sogar bei Leihfirmen, die für die „grossen Automarken“ Mitarbeiter einstellen, bekommen hochqualifizierte Bewerber, die einen „anderen Namen“ haben, Absagen.)
      Macht doch mal eine Studie über Durchfallraten auf Meisterschulen oder überdurchschnittlich bezahlte Jobs bei Leihfirmen, die für „grosse Namen“ tätig sind.
      Ihr werdet Euch totlachen. Gibt Studien in Auftrag.
      Wieso konkurrieren die HWK nicht miteinander oder müssen Statistiken, oder Leute, die in Prüfungsausschüssen sitzen, nicht veröffentlichen?
      Viele sind nach durchgefallener Prüfung nur hoch verschuldet und bekommen ihr Leben nicht mehr in den Griff. Oder man muss teure „Meister“ einstellen wodurch der Gewinn am Anfang auf das Maximum minimiert wird und das Konkursrisiko in der „Anlaufphase“ erhöht wird.

    2. Handwerker sagt:

      Ja mei, Gerade das Handwerk sucht sich Leute, die tüchtig sind. Nachdem irgendein intelligenter Linker auf die Idee gekommen ist, alle Geeigneten auf die Universitäten zu schicken, herrscht im Handwerk Mangel an Arbeitskräften. Wenn ich den Leuten erst das „Grüß Gott“ beibringen muss und die elementarsten Bestandteile des Benehmens (kein Hallo, Tschüss, der Verkäufer grüßt zuerst), dann darf ich mich halt nicht wundern. Da wird dicht gemacht.
      Solange nicht bewusst wahrgenommen wird, dass zwischen den Milieus in Deutschland krasse Unterschiede soziokultureller Art herrschen, solange ist es sinnlos, auf „Sozialmechanik“ zu vertrauen. Es ist nun mal eine Binsenweisheit, dass man sich – um beim simplen Grüßen zu bleiben – in Österreich und Bayern anders benimmt als in St. Pauli oder Berlin-Kreuzberg. „Hallo Prof“, „Hi Meister“ geht halt nicht. Bei den harten beruflichen Fakten ist es ähnlich: Was nützt mir eine anonyme Bewerbung, wenn mir der Mann nicht empfohlen wird? Zeugnisse sind doch heute nicht mehr aussagekräftig, in einer Zeit, in der alle Genies sind!