BVerfG

“Ausländer raus” ist keine Volksverhetzung

„Ausländer raus“ erfüllt nicht zwingend den Tatbestand der Volksverhetzung. Das entschied am Freitag das Bundesverfassungsgericht. Monika Lazar und Memet Kilic (beide Grüne) fordern gesonderten Straftatbestand für rassistische Gruppenbeleidigungen.

„Ausländer raus“ erfüllt nach Meinung des Bundesverfassungsgerichts nicht zwingend den Tatbestand der Volksverhetzung. Mit seinem am 5. März 2010 veröffentlichten Beschluss hob das Gericht die Verurteilung dreier Neonazis auf.

Zuvor hatten Amts- und Landgericht den Tatbestand der Volksverhetzung als erfüllt angesehen. Die Angeklagten waren wegen des öffentlichen Anschlagens volksverhetzender Schriften in Form des Angriffs auf die Menschenwürde durch böswilliges Verächtlichmachen eines Teils der Bevölkerung zu Geldstrafen verurteilt worden, weil sie als Mitglieder des Vereins „Augsburger Bündnis – Nationale Opposition“ für eine im Juni 2002 durchgeführte Aktionswoche großformatige Plakate mit der Aufschrift „Aktion Ausländerrückführung – Für ein lebenswertes deutsches Augsburg“ entworfen und gestaltet hatten.

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Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts verstoßen die strafgerichtlichen Verurteilungen gegen die Meinungsfreiheit. Die Strafgerichte müssten den Sinn einer zu beurteilenden Äußerung zutreffend erfassen und eine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem beeinträchtigten Rechtsgut vornehmen.

Ein Angriff auf die Menschenwürde sei nur dann gegeben, wenn der angegriffenen Person ihr Lebensrecht als gleichwertige Persönlichkeit in der staatlichen Gemeinschaft abgesprochen und sie als unterwertiges Wesen behandelt werde. „Zwar macht das Plakat unmissverständlich deutlich, dass die Initiative der Beschwerdeführer Ausländer „rückführen“ will. Der Umfang und die Mittel, ob nun beispielsweise durch Anreiz oder Zwang, werden jedoch nicht benannt. Dem Plakat ist daher nicht ohne weiteres zu entnehmen, dass Ausländer entrechtet oder zum Objekt gemacht werden sollen beziehungsweise als rechtlos oder Objekt angesehen werden“, so die Verfassungsrichter.

Grüne fordern gesonderten Straftatbestand
Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus und Memet Kilic, Sprecher für Migrations- und Integrationspolitik der Grünen-Bundestagfraktion forderten angesichts dieser Entscheidung einen gesonderten Straftatbestand, nach der rassistische Gruppenbeleidigungen sanktioniert werden können.

„Dieses Urteil macht deutlich, dass unsere Rechtsordnung vom Prinzip des individual-bezogenen Rechtsgüterschutzes geprägt ist. Gruppenbezogene Beleidigungen sind nur schwer zu verfolgen. Die Schwelle zum Straftatbestand der Volksverhetzung ist extrem hoch angesetzt. Die Verwendung derartiger Euphemismen nach dem Vorbild nationalsozialistischer Propaganda darf nicht widerspruchslos hingenommen werden“, so die Grünen-Politiker.

Daneben mache das Urteil auch klar, dass man sich im Kampf gegen Rechtsextremismus nicht allein auf den Staat verlassen dürfe. Stattdessen brauche man ein Klima der Toleranz und des gegenseitigen Respekts. Eine starke Zivilgesellschaft sei der Schlüssel zur wirksamen Bekämpfung von Rechtsextremismus.

„Demokratische Initiativen aktivieren Kräfte, beraten vor Ort und unterstützen Opfer rechter Gewalt. Diese Projekte brauchen eine kontinuierliche und ausreichende Unterstützung. Eine Bagatellisierung von Rechtsextremismus, wie es Familienministerin Schröder durch die Gleichsetzung mit Linksextremismus tut, ist in dieser Auseinandersetzung kontraproduktiv“, so Lazar und Kilic abschließend.