Schleswig-Holstein

Zwei Lager, zwei Staatsbürgerschaften – Debatte um die Optionsregelung

Im Schleswig-Holsteinischen Landtag wurde gestern über die Streichung der Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht debattiert. Während SPD, Grüne und der Schleswigscher Wählerverbund (SSW) sich für die Streichung aussprachen, stellten sich CDU und FDP dagegen.

Unter dem Motto „Doppelt hält besser – Für ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht“ plädierten die Grünen gestern im Schleswig-Holsteinischen Landtag für ihren Antrag, in der die Abschaffung der Optionsregelung im Staatsangehörigkeitsrecht gefordert wurde. Nach der gelten Rechtslage müssen sich Jugendliche aus Nicht-EU-Ländern nach Vollendung des 18. Lebensjahres zwischen der deutschen Staatsbürgerschaft und der ihrer Eltern entscheiden.

Aus der Rede Luise Amtsbergs:
„Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustandkommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Paß niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.“ Bertolt Brecht, „Flüchtlingsgespräche“, 1940

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Wofür das ganze?
„Es ist eine Entscheidung für die eine und gegen die andere Staatsangehörigkeit. Für das Land, in dem ich lebe und gegen die Wurzeln meiner Familie. Für die Herkunft meiner Eltern und gegen das Land meiner Freunde. Für ein Gefühl und gegen den Verstand“, sagte die migrationspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Luise Amtsberg.

Sie fragte: „Und wofür all diese rationalen und irrationalen Gedanken? Wozu diese Menschen quälen, wo sie doch all die Jahre mit ihrer Doppelstaatigkeit in Deutschland gelebt haben? Wie haben sich diese Menschen verändert, als sie volljährig wurden? Warum gibt es plötzlich eine Gefahr, die noch vor einem Tag nicht da war? Und was unterscheidet diese Personen von Menschen aus binationalen Beziehungen und der europäischen Union, für die die Doppelstaatigkeit eine Selbstverständlichkeit ist?“

Das Statistische Bundesamt habe Zahlen veröffentlicht, die zeigten, dass im Jahre 2008 über 96 Prozent aller EU-Bürger als Doppelstaater eingebürgert wurden. Die Zahl der türkischstämmigen Betroffenen, hingegen habe lediglich 18 Prozent betragen. „Doppelpass ja, aber nicht für jeden! Was also unterscheidet sie?“, so Amtsberg weiter.

Würden Sie das tun?
Unterstützung bekam die Grünen-Politikerin von Serpil Midyatli (SPD), die sich ebenfalls die Streichung der Optionsregelung stark machte. „Ich bin Deutsche. Aber glauben Sie, ich höre jetzt auf, mit meinen Kindern türkisch zu sprechen, türkisch zu kochen oder türkische Musik zu hören? Sie glauben doch wohl nicht allen Ernstes, dass, wenn man seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt und die deutsche annimmt, man seine kulturelle Identität auch aufgibt. Warum auch! Und wie Sie an meinem Beispiel sehen können, geht ja auch wunderbar beides. Und das, meine Damen und Herren, nenne ich Integration. Denn ich habe oftmals den Eindruck in der Debatte, dass Kolleginnen und Kollegen Integration mit Assimilation verwechseln“, trug Midyatli im Landtag vor.

Schließlich, so die Sozialdemokratin, würden auch ganz pragmatische Gründe gegen das Optionsmodell sprechen. Nach türkischer Gesetzeslage dürfe ein Nichttürkischer Staatsbürger „das in all den Jahren mühsam erarbeitete Erbe von ihren Eltern in der Türkei nicht antreten.“ So falle der Erbe an den türkischen Staat. „Was würden Sie tun?“, wollte Midyatli von den CDU und FDP Abgeordneten wissen. Solche Gründe würden Jugendliche davon abhalten, sich für die deutsche Staatsbürgerschaft zu entscheiden, selbst wenn sie es wollten.

CDU und FDP abwartend
Die zuständige Sprecherin der CDU-Fraktion, Astrid Damerow, hingegen plädierte dafür, die Ergebnisse der Evaluation des Optionsmodells abzuwarten, bevor über Veränderungen diskutiert wird. Daneben müsse auch der Bericht der Innenministerkonferenz zum Optionsmodell für die Entscheidungsfindung berücksichtigt werden.

„Wer das Optionsmodell heute als untauglich bezeichnet, der tut das ohne jegliche Faktenkenntnis. Belastbare Erfahrungen mit diesen ersten Optionsfällen liegen, laut Bundesamt für Migration, Flüchtlinge, noch nicht vor, da die Betroffenen die ihnen gegebene Frist weitgehend ausschöpfen“, so Damerow. Ergebnisse einer bereits laufenden Evaluierung seien in keinem Fall vor 2011/2012 zu erwarten.

Die CDU sei zwar offen für eine sachliche Diskussion über die Weiterentwicklung des Staatsbürgerschaftsgesetztes. Es sei jedoch nicht damit getan, auf die Schnelle mal eben ein Gesetz zu ändern, noch bevor die Erfahrungen aus dem jetzt geltenden Gesetz bewertet und berücksichtigt wurden.

Ähnlich sah es auch der innen- und rechtspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Gerrit Koch. Er betonte aber auch, dass man über das Staatsangehörigkeitsrecht tatsächlich nachdenken und diskutieren müsse. „Eine Überarbeitung könnte dabei aus unserer Sicht schon deshalb in Betracht kommen, weil die Bestimmungen in § 29 Staatsangehörigkeitsgesetz, in dem die sog. Optionspflicht normiert ist, auch verfassungsrechtlich nicht unumstritten sind“, so Koch.

Vergleich mit Dänen
Frischen Wind in die Diskussion brachte Silke Hinrichsen (SSW) in die Debatte. Sie zog einen Vergleich mit den in Schleswig-Holstein lebenden Dänen: „Eigentlich müssten wir in Schleswig-Holstein am besten wissen, dass der Pass nichts über die Gesinnung und die Loyalitäten eines Menschen aussagt. Es gibt hier viele Menschen, die sich zur dänischen Nationalität bekennen, trotzdem stellt niemand ihre Loyalität zum deutschen Staat in Frage.“

Wenn man junge Menschen in den Minderheiten im deutsch-dänischen Grenzland nach ihrer Zugehörigkeit frage, dann falle die Antwort häufig so aus: „Ich habe zwar den einen oder anderen Pass, aber eigentlich bin ich eine Mischung aus beidem.“ Dies habe nichts mit einer gespalteten Persönlichkeit zu tun. Eine doppelte Staatsbürgerschaft oder länderübergreifende Gesinnung sei kein Problem, sondern eine Bereicherung. Identität und Gefühle ließen sich eben nicht auf Schwarz oder Weiß reduzieren.