Doppelpass

Sich in die Lage der Betroffenen hineinversetzen

Auf dem Neujahrsempfang des CDU-Wirtschaftsrates in Hamburg am 17. Januar 2010 sprach sich der Erste Bürgermeister der Hansestadt, Ole von Beust, in einer Grundsatzrede für die doppelte Staatsbürgerschaft für Türken aus. „Lassen wir doch beide Herzen schlagen! Wir brauchen die jungen Leute“.

Bisher bezogen führende Christdemokraten meist klar Position gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sagte zur Situation in Deutschland geborener Türken jüngst in der ZEIT: „Die müssen sich entscheiden. Das haben wir vor einigen Jahren so geregelt und müssen es jetzt auch durchhalten“. Maria Böhmer (CDU), Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, fordert diese jungen Leute auf: „Sagt Ja zu Deutschland!“ und meint damit, sie sollen die türkische Staatsbürgerschaft zugunsten der deutschen aufgeben.

Im Unterschied zu seinen Parteifreunden forderte nun Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust die doppelte Staatsbürgerschaft als einen wichtigen Beitrag zur Integration. So berichtet heute das Hamburger Abendblatt. Von Beust denkt vor allem an die Menschen, die in Deutschland geboren wurden, deren Familien aber aus der Türkei stammen. Bis spätestens zum Alter von 23 Jahren müssen die jungen Menschen wählen, ob sie den deutschen oder den türkischen Pass haben wollen. „Viele wollen sich aber nicht entscheiden. Da schlagen zwei Seelen in ihrer Brust“, sagte von Beust. „Lassen wir doch beide Herzen schlagen! Wir brauchen die jungen Leute“, ergänzte er.

___STEADY_PAYWALL___

Tatsächlich entscheiden sich mittlerweile immer mehr Jugendliche für die türkische Staatsbürgerschaft. Mit einem zweiten deutschen Pass, so von Beust, falle die Integration leichter.

Bis vor einigen Jahren gehörte es zu den konservativen Grundüberzeugungen, dass Deutschland kein Einwanderungsland ist. „Jedes Jahr kamen Zehntausende zu uns, aber wir haben zu lange wie eine Monstranz den Satz hochgehalten, dass Deutschland kein Einwanderungsland ist“, kritisierte nun von Beust. In den USA und in Großbritannien sind Einwanderung und doppelte Staatsbürgerschaft selbstverständlich anerkannte Tatsachen. Zwar sei die Tradition hierzulande eine andere, „aber uns fällt kein Zacken aus der Krone, wenn wir das ändern“.

Ob von Beust, der einer schwarz-grünen Landesregierung vorsteht, mit diesen Sätzen ein Umdenken in der Union einleiten kann, bleibt nur zu hoffen. Nach wie vor tut die CDU/CSU sich schwer mit Korrekturen in der Integrationspolitik, auch wenn sich bereits einiges geändert hat, seit den Tagen als Roland Koch (CDU) noch Unterschriften gegen die doppelte Staatsbürgerschaft sammelte. In jedem Falle bleibt anzuerkennen, dass von Beust sich in die Lage der Betroffenen hineinversetzt und der Diskussion so Impulse verleiht.