Maria Böhmer

Mehr Migranten in den öffentlichen Dienst – aber ohne Quotenregelung

Eine vermeintliche Ankündigung von Maria Böhmer nach Migrantenquoten für den öffentlichen Dienst sorgt für Wirbel. Die Linke und die Grünen fordern Böhmer auf, endlich zu handeln, satt zu reden. Für die FDP sind Quotenvorgaben das falsche Instrument. Die Türkische Gemeinde hingegen begrüßte Migrantenquoten ausdrücklich.

Jeder fünfte Beschäftigte im öffentlichen Dienst soll nach dem Willen der Bundesregierung künftig aus einer Zuwandererfamilie kommen. Das sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer, der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“ (Donnerstagsausgabe). Jeder Fünfte in Deutschland habe einen Migrationshintergrund. Dies müsse „angemessen“ auch für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst gelten, sagte die CDU-Politikerin.

„Besonders dringend benötigen wir mehr Lehrerinnen und Lehrer sowie Erzieherinnen mit Migrationshintergrund“, so Böhmer. Auch im Polizeidienst, bei der Feuerwehr und in kommunalen Verwaltungen sei ein verstärkter Einsatz von Migranten richtig.

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Diese Aussagen verkündete die Rheinische Post unter dem Titel „Bundesregierung will Migrantenquote für den öffentlichen Dienst“ und sorgte für Wirbel. Gegenüber MiGAZIN dementierte das Bundeskanzleramt jedoch Forderungen nach einer Migrantenquote: „Eine Quote steht nicht zur Diskussion“. Es gehe darum, den Anteil der Zuwanderer unter den Beschäftigten unter Berücksichtigung von Eignung, Leistung und Befähigung zu erhöhen und dabei deren sprachliche und interkulturelle Kompetenzen einzubeziehen. Dies müsse Aufgabe der Personalplanung jeder einzelnen Behörde sein.

Bis die Meldung der Rheinischen Post allerdings dementiert wurde, äußersten sich Politiker wie Vertreter von Verbänden zum vermeintlichen Vorstoß Maria Böhmers und gaben einen groben Meinungsbild zum Thema.

Handeln statt immer nur Versprechen zu geben
So forderte die migrationspolitische Sprecherin der Linkspartei, Sevim Dagdelen, Frau Böhmer solle „handeln“ statt „immer nur zu versprechen“. Dass die gesellschaftliche Zusammensetzung sich auch und im besonderen im Öffentlichen Dienst widerspiegeln müsse, habe die Linkspartei immer gefordert. Insoweit sei die Forderung nach mehr Migranten im öffentlichen Dienst richtig. Doch soziale Ausgrenzung und diskriminierende Gesetze ließen sich weder mit Appellen noch durch Quoten beheben.

„In nur wenigen Ländern ist die Qualifikationsstruktur der Migrantinnen und Migranten im Verhältnis zur übrigen Bevölkerung so ungünstig wie in Deutschland. Dies ist auch der entscheidende Grund für ihre oft schlechteren Arbeitsmarktergebnisse. Empirisch kommt hinzu, dass auch qualifizierte Migrantinnen und Migranten beim Zugang zum Arbeitsmarkt in Deutschland benachteiligt werden“, so Dagdelen.

Eine Quote im Öffentlichen Dienst sei nicht der Ausdruck einer Politik, die die Ursachen für soziale Ungleichheit bekämpfe, sondern Ausdruck einer Politik, die hoffnungslos versagt habe. Die Benachteiligungen und Diskriminierungen seien es, die den Betroffenen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben tagtäglich erschweren.

Die Linkspolitikerin weiter: „Nach jahrzehntelanger Diskriminierung und Ausgrenzung von Migranten sind statt Quotendiskussionen wirksame und strukturelle Maßnahmen bei der Ausbildung, im Arbeitsmarkt und im Bildungssystem dringend nötig. Hier wäre schon viel getan, wenn die Bundesregierung die EU-Antidiskriminierungsrichtlinien vollständig und umfassend umsetzen würde.“

Konkrete Ziele statt schöner Worte
Der migrations- und integrationspolitischer Sprecher der Grünen, Memet Kilic, äußerte sich ähnlich: „Mit schönen Worten und bloßen Appellen der Integrationsbeauftragten ist den Migrantinnen und Migranten nicht geholfen.“ Maria Böhmer scheue sich davor, „konkrete und überprüfbare Maßnahmen zur Erhöhung des Migrantenanteils im Öffentlichen Dienst zu nennen, mit deren Hilfe die historische Benachteiligung der Migrantinnen und Migranten kompensiert werden kann. Sie scheut sich auch vor der Nennung eines Datums, bis wann dieses Ziel erreicht werden soll. 13 Prozent bis 2013 wären ambitionierter als 20 Prozent bis zum St.-Nimmerleinstag.“

Die CDU geführten Bundesländer und Kommunen sollten sich nicht weiter vor fairen Migrantenquoten im öffentlichen Dienst drücken und konkrete Verbesserungen der Beschäftigungschancen für Migrantinnen und Migranten schaffen. Hamburg gehe hier mit der Vereinbarung im schwarz-grünen Koalitionsvertrag, den Migrantenanteil der Landesbeschäftigten auf 20 Prozent zu erhöhen, mit gutem Beispiel voran.

Auch der Bund sei in der Pflicht, mehr Migranten einzustellen. Maria Böhmer könne sich als ersten Schritt in diese Richtung dafür einsetzen, dass das Bundeskanzleramt endlich die „Charta der Vielfalt“ unterschreibt und somit eine Selbstverpflichtung zur aktiven Förderung von Migranten eingeht.

„Leider sind Migrantinnen und Migranten bei der Jobsuche immer noch klar benachteiligt. Aufgrund von Vorurteilen und direkter Diskriminierung werden oft einheimische Bewerberinnen und Bewerber bevorzugt. Die Beschäftigungschancen von Menschen mit Migrationshintergrund müssen deutlich verbessert werden. Schon vor zwei Jahren wurden diese Fakten durch eine OECD-Studie belegt, doch leider ist man hier größtenteils – auch im Öffentlichen Dienst – nur auf taube Ohren gestoßen“, so Kilic abschließend.

Eignung statt Quote
Für den integrationspolitischen Sprecher der FDP Bundestagsfraktion, Serkan Tören, hingegen ist eine Quotenvorgabe „das falsche Instrument“. Zwar wolle auch die FDP die Unterrepräsentation von Migranten im öffentlichen Dienst beenden. Genau wie erfolgreiche Wirtschaftsunternehmen müssten sich auch Institutionen des öffentlichen Dienstes interkulturell orientieren und öffnen. Das sei vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und im Wettbewerb um kluge Köpfe unerlässlich.

„Positive Diskriminierung wie sie Quotensysteme darstellen sind jedoch das völlig falsche Instrument. Das führt zu willkürlichen Klassifikationen, die Frustration und Unverständnis bei den Bürgern verursachen. Nicht irgendwelche Quoten, sondern die Eignung ist entscheidend“, so Tören. Bewerber müssten darüber hinaus befähigt und leistungsbereit sein, unabhängig von ihrem Herkunftsland oder ihrer Hautfarbe.

Türkische Gemeinde begrüßt Migrantenquote
Ausdrücklich begrüßt wurde die vermeintliche Ankündigung der Bundesregierung zur Einführung von einer „Migrantenquote“ vom Vorsitzenden der Türkischen Gemeinde in Deutschland (tgd), Kenan Kolat: „Diese Forderung hatten wir im Jahre 2006 beim Integrationsgipfel aufgestellt. Damals wurden wir belächelt. Wir freuen uns, dass die Bundesregierung nun unsere Forderung aufgenommen hat.“

Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz seien solche Maßnahmen möglich, um die Gleichstellung und Partizipation der Einwanderer zu fördern. Kenan Kolat zufolge erfülle die Bundesregierung somit einen wichtigen Aspekt für die Chancengleichheit.

In den Ländern Berlin und Hamburg gäbe es bereits Quoten im öffentlichen Dienst. „Aus den Erfahrungen dieser beider Länder kann man viel lernen“, erklärte Kolat, „wichtig ist, dass diese wichtige gesellschaftliche Frage als Querschnittsaufgabe gesehen wird.“

Die Türkische Gemeinde in Deutschland plädierte für einen neuen Ansatz in der Integrationspolitik. Wie bei der Gleichstellungspolitik über gender-mainstreaming diskutiert werde, sollte bei der Eingliederungsfrage der Einwanderer über migration-mainstreaming gesprochen werden.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland werde Anfang April einen umfassenden Gesetzesentwurf zu mehr Teilhabe vorlegen, an dem zur Zeit gearbeitet werde. Quoten seien auch Teil des Entwurfes.