Gesundheitliche Lage

Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund

Ein Leben in sozial benachteiligter Lage erhöht Krankheitsrisiken und verringert Gesundheitschancen. Die höchsten Armutsrisiken tragen - neben Kindern mit zwei oder mehr Geschwistern, Kindern von allein erziehenden Müttern - Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund.

Von Montag, 23.11.2009, 10:15 Uhr|zuletzt aktualisiert: Sonntag, 05.09.2010, 1:17 Uhr Lesedauer: 8 Minuten  |  

Mit 19% beziffert der Mikrozensus den Anteil an Personen mit Migrationshintergrund in der Bevölkerung. Wird nur die Gruppe der Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren betrachtet, erhöht sich dieser Anteil sogar auf 29%. Vielfach verfügen diese Kinder und Jugendlichen nicht mehr über eine eigene Migrationserfahrung, sie sind hier in Deutschland in der zweiten oder auch dritten Generation einer zugewanderten Familie geboren. Dennoch prägt Migration in spezifischer Art ihre Lebenswelt, ob selbst zugewandert oder in nachfolgenden Generationen geboren. Ein Leben in sozial benachteiligter Lage erhöht Krankheitsrisiken und verringert Gesundheitschancen. Die höchsten Armutsrisiken tragen – neben Kindern mit zwei oder mehr Geschwistern, Kindern von allein erziehenden Müttern – Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund.

Armutsassoziierte frühkindliche Entwicklungs- und Gesundheitsstörungen können den Beginn einer langen Krankheitskarriere markieren. Zudem prägen sich gesundheitsrelevante Verhaltensmuster bereits im Kindes- und Jugendalter aus. Aufgrund des Verfestigungscharakters von Verhaltensmustern und der Chronifizierungstendenz von Krankheiten im weiteren Lebensverlauf werden die Präventionspotenziale im Kindes- und Jugendalter als besonders bedeutsam eingeschätzt. Gerade Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren sowie aus Migrantenfamilien werden aber bislang von präventiven und gesundheitsfördernden Programmen schlechter erreicht. Ansatzpunkte für eine erfolgreiche Prävention und Gesundheitsförderung setzen daher nicht nur die Kenntnis ihrer gesundheitlichen bzw. Versorgungssituation und deren Einflussfaktoren voraus, sondern auch das Wissen um angemessene Zugangswege zu diesen Gruppen und eine „sozial-“ und kultursensible Gestaltung von Präventionsprojekten. Anhand der KiGGS-Daten können einige Trends verdeutlicht werden, die das Gesundheitsgeschehen bei Migrantenkindern charakterisieren und die eine wirksame Prävention sowie Gesundheitsförderung berücksichtigen sollte.

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Charakterisierung der Migrantenpopulation in KiGGS
Wie im Mikrozensus ist es auch in KiGGS möglich, zwischen einseitigem und beidseitigemMigrationshintergrund zu differenzieren. Diese Differenzierung ist wichtig, da sich Kinder undJugendliche in Abhängigkeit von der Art Ihres Migrationshintergrundes in ihrergesundheitlichen Lage voneinander unterscheiden. Über einenB beidseitigen Migrationshintergrund verfügen Kinder und Jugendliche, wenn

  • Beide Elternteile in einem anderen Land geboren und/oder nichtdeutscherStaatsangehörigkeit sind oder aber das Kind selbst zugewandert und mindestens ein Elternteil ist im Ausland geboren ist.

Von einem einseitigen Migrationshintergrund sprechen wir, wenn

  • Ein Elternteil nicht in Deutschland geboren und/oder nichtdeutscher Staatsangehörigkeit ist.

Dank zusätzlicher Anstrengungen ist es erstmals gelungen, Personen mit Migrationshintergrund entsprechend ihres Anteils in der Bevölkerung an einem bundesweiten Gesundheitssurvey in Deutschland zu beteiligen. Insgesamt weisen 17,1% der untersuchten Kinder und Jugendlichen einen beidseitigen Migrationshintergrund auf, weitere 8,3% der Kinder und Jugendlichen haben einen einseitigen Migrationshintergrund, so dass insgesamt ein Viertel der untersuchten entweder über einen einseitigen oder beidseitigen Migrationshintergrund verfügt. Die untersuchten Kinder und Jugendlichen stammen aus über 100 verschiedenen Ländern. Die am stärksten vertretenen Herkunftsländer sind die Türkei, die ehemalige Sowjetunion und Polen. Zusammengefasst wurden Kinder und Jugendliche aus Mittel- und Südeuropa, aus Westeuropa, den USA und Kanada, aus arabisch-islamisch geprägten Ländern sowie aus verschiedenen Ländern Lateinamerikas, Afrikas und Asiens zu anderen Ländern.

Dr. Liane Schenk ist seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin des Institut für Medizinische Soziologie an der Charité Universitätsmedizin Berlin und ist Leiterin des Projektbereiches: Medizinische und pflegerische Versorgung. Zuvor (2001 bis 2006) war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin des Robert Koch-Instituts, Abt. Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung.
Außerdem: Ute Ellert, Hanne Neuhauser

Migrantenkinder gehören überproportional der sozial untersten Statusgruppe an. Deutliche Unterschiede manifestieren sich in der anteilsmäßigen Zugehörigkeit zur niedrigsten Sozialschicht je nach Herkunftsland: Fast drei Viertel der Kinder und Jugendlichen türkischer Herkunft gehört der niedrigsten Statusgruppe an, gefolgt von Kindern aus der ehemaligen Sowjetunion und arabisch-islamischen Ländern. Kinder und Jugendliche aus Westeuropa, den USA und Kanada hingegen leben am häufigsten in Familien mit einem hohen Sozialstatus. Gesellschaft

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  1. municipal sagt:

    Und. Was will uns diese Studie sagen ?

    Etwa, das ein Großteil dieser Kinder in Familien aufwachsen, in denen der Fernseher den ganzen Tag läuft , wie der Berliner Bürgermeister Buschkowski kürzlich beklagte ?

    Möglichst noch mit türkischen oder arabischen Satellitenprogrammen ?

    Und das diese Kinder (dadurch) kaum Bewegung haben und sich mit Süßigkeiten und Kartoffelchips vollstopfen, und KEINE Fortschritte beim Erlernen der deutschen Sprache machen?

    Ist das AUCH die Schuld der deutschen Gesellschaft/Politik ?

  2. Pingback: Fachserie: Gesundheitliche Versorgung von Personen mit Migrationshintergrund | MiGAZIN