Türkische Presse Europa

08.10.2009 – Sarrazin, Integration, Süssmuth

Die Europaausgaben türkischer Tageszeitungen berichten auch heute ausführlich über die öffentliche Debatte um den Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, Thilo Sarrazin. Die enquete Kommission zu Einwanderung und Integration in Hessen sowie eine Rede von Rita Süssmuth sind die weiteren Themen des Tages.

Zurücktreten oder zurückgetreten werden
Sebastian Edathy (SPD) hat in einem Interview mit der Bild-Zeitung gefordert, dass Thilo Sarrazin nach seiner Ausländer-Schelte in einem Kulturmagazin zurücktreten soll. Andernfalls solle vom Amt genommen werden. Edathy habe seine Forderung damit begründet, dass er diese Art bisher nur von der NPD kenne. Dies sei weder akzeptabel noch zu rechtfertigen. Hierüber berichtet die HÜRRIYET.

Auch die Einladung des Vorsitzenden der Türkisch-Deutschen Industrie und Handelkammer, Dr. Rainhardt Freiherr von Leoprecht, an Sarrazin findet Erwähnung. Freiherr von Leoprecht habe Sarrazin eingeladen, um ihm zu zeigen, auf welchen Gebieten Türken mittlerweile erfolgreich Geschäfte machen und was sie leisten.

___STEADY_PAYWALL___

Die ZAMAN hingegen berichtet über die Worte Cem Özdemirs, der Thilo Sarrazin ebenfalls den Rücktritt nahegelegt, dies aber nicht direkt gefordert habe. Außerdem kommen Soziologen zu Wort, die meinen, dass man Migranten in Bildungsfragen nicht beschuldigen dürfe. Die sei ungerecht angesichts der jahrelangen Vernachlässigung dieser Menschen. Schließlich schaut sich die ZAMAN-Redaktion, die Unterstützer von Thilo Sarrazin an – Ralf Giordano, Henry Broder und Necla Kelek – und fragt, was wohl passiert wäre, wenn Sarrazin nicht Muslime sondern Juden auf die gleiche Art und Weise kritisiert hätte.

In einem Kommentar in der ZAMAN stellt Dr. Latif Celik eine weitere Frage: „SPD, du auch?“ Laut Celik sind die Worte Thilo Sarrazins (SPD) geeignet, die politische Atmosphäre kurz bis mittelfristig zu ändern. Während des kalten Krieges habe Deutschland viel dafür getan, um Menschen nach West-Berlin zu locken. Als sich alle anderen zu schade dafür waren, hätten sich Türken dort niedergelassen und mit ihrer Arbeitskraft die Stadt mit zu dem gemacht, was sie heute ist. Angesichts dessen sei eine einfache Entschuldigung nicht ausreichend.

Enquete Kommission zu Einwanderung und Integration in Hessen
In Hessen, so die SABAH, habe die Landesregierung mit den Stimmen der SPD und den Grünen eine Enquete Kommission zu Einwanderung und Integration beschlossen. Die Kommission aus Experten und Abgeordneten soll in den nächsten zwei Jahren Chancen und Risiken von Einwanderung und Integration gründlich erfassen und analysieren.

Migranten werden ihre Identität niemals aufgeben
Unter dieser Überschrift berichtet die TÜRKIYE über die Worte Rita Süssmuths während einer Eröffnungsveranstaltung in Mannheim. Süssmuth habe in ihrer Rede betont, dass man von Migranten nicht verlangen dürfe, dass sie ihre Identität ablegen. Niemand dürfe auch erwarten, dass Migranten sagen, dass sie Deutsche sind. Es reiche aus, wenn sie „Ja“ zu Deutschland sagen.

Außerdem habe Süssmuth die Bedeutung des interreligiösen Dialogs sowie des „Wir-Gefühls“ hervorgehoben; man müsse gemeinsam handeln. Schließlich sei es auch wichtig, den Islam näher kennen zu lernen. Das veraltete und vorurteilsbehaftete Wissen, dass die Lehrer heute vermitteln, dürfe nicht wegweisend sein. Man habe sehr viele Gemeinsamkeiten.