Portrait: Linda Ortolani

Kinder, Küche, Menschenrechte

Linda Ortolani macht sich für die Rechte der Kinder stark und kämpft engagiert für eine bessere Integration von ausländischen Kindern im Rhein-Neckar-Delta. Für ihr Engagement wurde sie mit dem DAAD-Preis für ausländische Studierende ausgezeichnet.

Charlotte schreit unaufhörlich, krabbelt aufgebracht auf dem Küchenboden herum. Auf dem Herd kocht das Wasser, im Nebenraum läuft die Waschmaschine. Linda Ortolani eilt nachsichtig zu ihrer Tochter, umarmt sie und streichelt ihr durchs Haar. „Sie hat heute ihren Mittagsschlaf nicht gemacht“, entschuldigt sich die lebensfrohe 26-Jährige mit einem Lächeln in ihren dunklen Augen. Als die Zweijährige, mittlerweile durch ein Spielzeug abgelenkt, zufrieden ist, kann sich die Mutter mit den bunten Ohrringen wieder den Menschenrechten zuwenden.

Vor sieben Jahren kam sie aus Luxemburg nach Heidelberg, um hier ein Lehramtstudium an die Pädagogische Hochschule zu machen. Zurzeit sitzt sie an ihrer Magisterarbeit. Ein Schulpraktikum in Kolumbien, wo ihr heutiger Partner Juan herkommt, brachte für ihre Aktivitäten die Initialzündung: „Das Leiden der dortigen Kinder hat mich persönlich betroffen, schockiert und sogar richtig aggressiv gemacht“, erklärt Linda und verweist dabei mit lebhaften Handbewegungen auf die zahlreich aufgeklebten Postkarten an der Wand. Portraitierte Kinder, die einen erwartungsvoll mit großen Augen anschauen.

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Kindernot vor der eigenen Haustür erkannt
Zurück in Heidelberg stimmte die couragierte Studentin nicht in das verbreitete Klagelied über die Ungerechtigkeit der Welt ein. Auch drückte sie keine Überweisung an anonyme Hilfsorganisationen ab, denn sie möchte lieber an Ort und Stelle helfen: „Kolumbien hat mir die Augen geöffnet, ich habe erkannt, dass das die Not von Kindern bereits vor meiner eigenen Haustür beginnt“, erklärt Linda ihren Rücksprung von Lateinamerika nach Heidelberg. Akademisch nennt man Lindas Anliegen interkultureller Dialog, Toleranz und Integration. „Das sind Schlagworte, deren Akzente im Alltag spürbar werden müssen“, betont die durchaus bescheiden lebende Menschenrechtlerin hartnäckig, die Mutter, Hausfrau und Magistrandin zugleich ist.

Sie ist glücklich darüber, hilfsbedürftigen Kindern zu helfen. Ganz praktisch mit Deutschnachhilfe, kreativen Aktionen an der Schule und der Gründung eines Ateliers für Kinderrechte, was Ende Januar an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg eröffnet wird. Linda ist eine gutmütige Frau, welche – einen Koffer voller Ideen und Pläne im Kopf – ausländische Kinder tatkräftig unterstützt. „Es geht mir darum, dass die Sprösslinge bereits in der Grundschule lernen, sich selbstbewusst in der Gesellschaft zu bewegen und mutig die deutsche Sprache zu lernen“. Sie weiß nur zu gut, wie das ist, in einem Land zu leben, wo man im ersten Moment kein Wort versteht. Im flämisch-französischen Umfeld Luxemburgs aufgewachsen, begegneten der kontaktfreudigen Tochter eines Italieners bereits in der eigenen Kindheit verschiedene Sprachkulturen. Das italienische Blut ist der temperamentvollen Frau anzumerken.

Sprache als Instrument für ein besseres Leben
Egal ob Kinder von Asylbewerbern oder Spätaussiedlern: Linda engagiert sich neben der Uni an Grundschulen, damit diese Kinder die deutsche Sprache lernen, Freunde finden und das Gefühl einer gesunden Identität entwickeln. „Im jungen Alter haben wir noch große Chancen, diese Kinder in ihrem Lebenslauf zu fördern“. Diese Aufgabe macht die farbenfrohe Magistrandin glücklich, bildet einen Kontrast zur didaktischen Theorie an der Uni. „Die Kinder wollen verstanden werden“, kritisiert Linda erregt die deutsche Innenpolitik, welche „mehr Symptome bekämpft, anstatt deren Ursachen zu lösen“

In der Realität sieht sich die zukünftige Lehrerin im Klassenzimmer mit mangelndem Sozialbewusstsein, Eigeninitiative und Einsatzbereitschaft konfrontiert. „Die Kinder ausländischer Familien brauchen Hilfe, werden oft zu wenig in ihren individuellen Fähigkeiten unterstützt“. Das Erlernen der deutschen Sprache ist ein Hindernis. „Man muss kein Prophet sein, dass die Kinder später – ohne ausreichend Deutsch zu können – auf der Straße landen“, mahnt die Luxemburgerin mit hastigen Gesten. Egal ob aus Russland oder der Türkei fördere dies zusätzlich das Wachsen bestehender Subkulturen.

Kulturen mit Lasagne und Salsa schmecken
Der jungen Mutter geht es jedoch um mehr, als reinen Sprachunterricht zu erteilen: „Ich möchte aktiv Vorurteile und Ängste abbauen, auch bei den deutschen Kindern“. Der Unterricht bilde dabei die entscheidende Brücke, denn „das Pauken zwischen Genitiv und Dativ transportiert eine Menge der jeweiligen Kultur, aus der die Kinder kommen.“ Dazu veranstaltet Linda mit Freunden regelmäßige Feste. Man müsse nur aufpassen, dass die interkulturellen Kontakte unter den Kindern – sei es beim Salsa-Tanz, Orient-Musik oder Lasagne-Kochen – nicht nur pure Folklore bleiben. „Das Ziel ist, langfristige Freundschaften zu schaffen“, erhofft sich die Visionärin.

Linda gründete daher mit einigen Freunden vom Campus, welche überwiegend aus Lateinamerika und dem Nahen Osten kommen, den Verein „Interkulturelle Freundschaft“. Es geht hier nicht nur um Kinder, auch Eltern sollen angesprochen werden: „Ich möchte etwas in den Köpfen derjenigen bewegen, die den Kindern am nächsten stehen“.

Jan Thomas Otte hinterfragt mit kritischen Reportagen krustige Glaubenssätze und Denkstrukturen. Der Journalist schreibt Reportagen über Karrierestreben, soziales Engagement und Sinnsuche. Für seine Porträts über Einwanderer und Austeiger, Integration und Migration ist er zu mehreren Awards nominiert worden. Dabei bezieht er auch die Religion seiner Gesprächspartner mit ein. Als Theologe hält Jan Thomas Otte Fragen nach Glauben, Identität und Moral für unterschätzte Tugenden. Jan Thomas Otte studierte an der Universität Heidelberg. Parallel kam eine Journalistenausbildung bei der Konrad-Adenauer-Stiftung hinzu. Der Business-Querdenker, Deutschland-Fan und bekennende Christ schreibt für Medien wie den Rheinischen Merkur, die Rhein-Neckar-Zeitung oder DIE WELT. Regelmäßig schreibt er bei Perspektive Mittelstand eine Kolumne zum Thema WorkLife. In seiner Freizeit engagiert er sich ehrenamtlich in Kirchen und dem Kinderschutzbund in Deutschland. Mehr auf Jan Thomas Ottes Homepage.

Stützpunkt für Kinderrechte in Heidelberg gründen
Als Magisterstudentin wünscht sie sich, dass die Pädagogische Hochschule Heidelberg eine feste Basis wird, von der Kinderrechte aktiv geschützt werden. Das Konzept dazu hat sie schon in der Schublade, das „Atelier für Kinderrechte“ wird Ende Januar in Neuenheim eröffnet. Den Rahmen bildet dabei die didaktische Werkstatt der Sprachen, wo Studenten, Lehrer und Erzieher neue Anregungen zu Unterrichtsthemen finden, gerade auch im Hinblick auf zunehmend kulturell gemischte Klassenverbände.

Bereits im Februar wird die Menschrechtlerin wieder nach Kolumbien reisen. Trotz vieler Projekte in Deutschland hat sie die Kindernot in Kolumbien nicht losgelassen und kann nicht anders, als diesen Kindern vor Ort zu helfen. Ihre kleine Tochter Charlotte ist natürlich mit dabei.

Der Deutsche Akademische Austauschdienst vergibt Stipendien und unterstützt dabei die Internationalisierung der Hochschulen. Vorbilder und Erfolgsgeschichten sollten Mut machen. Deswegen gibt der DAAD den deutschen Hochschulen die Möglichkeit, ausländische Studierende, die sich durch exzellente akademische Leistungen und ein besonderes kulturelles und soziales Engagement ausgezeichnet haben, mit einem Preis auszuzeichnen.