Türkische Presse Europa

15.09.2009 – Fernsehduell, Integrationsgipfel, Imamausbildung

In der heutigen türkischsprachigen Presse in Europa wird dem Fernsehduell zwischen Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel breiter Raum eingeräumt. Außerdem wird über den 1. Integrationsgipfel in Hessen berichtet. Kritik erntet erneut der niedersächsische Innenminister Schünemann für abwertende Äußerungen gegenüber Imamen aus der Türkei.

Steinmeier liegt einen Hauch weit vor Merkel oder doch nur unentschieden
TÜRKIYE, HÜRRIYET und ZAMAN waren sich über das Resultat des Duelles zwischen Frank-Walter Steinmeier und Angela Merkel nicht ganz einig. Die Bewertungen gingen von einem hauchdünnen Vorsprung des SPD-Kandidaten bis zu einem unentschieden. Das Duell hätten demnach ca. 14 Millionen Zuschauer verfolgt. Dominiert wurde das Duell von der Wirtschaftskrise. Während Steinmeier behauptete, gestärkt aus dem Duell herausgegangen zu sein, warfen die Oppositionen den beiden Kanzlerkandidaten vor, die Große Koalition auch im Fernsehduell weitergeführt zu haben. Einen Streit zwischen den Teilnehmern hätte es insoweit nicht gegeben, nur bei einzelnen Themen wie dem Atomausstieg wäre man unterschiedlicher Meinung gewesen. Bundeskanzlerin Angela Merkel setzte bei ihrem Auftritt eher auf die Bekämpfung der Wirtschaftskrise, während ihr Herausforderer das Thema soziale Gerechtigkeit in den Vordergrund stellte.

Integrationsgipfel in Hessen
Von dem 1. hessischen Integrationsgipfel in Wiesbaden berichten HÜRRIYET, ZAMAN und SABAH. Auf Einladung des hessischen Integrationsministers Jörg-Uwe Hahn kamen 118 Teilnehmer im wiesbadener Landtag zusammen. Hahn wies darauf hin, dass jeder Achte in Hessen keinen deutschen Pass hätte, jeder vierte und jedes zweite Kind unter sechs Jahren einen Migrationshintergrund habe. Deswegen würde die Integration zu den wichtigsten Themen gehören. Außerdem gestand Hahn, dass Migranten nicht die gleichen Rechte besitzen wie Deutsche. Dafür müsse man zusammenarbeiten. Wenn die Arbeistlosigkeit unter Migranten höher sei, die Teilnahme an Frauen mit Migrationshintergrund in der Arbeitswelt geringer sei, Kinder mit Migrationshintergrund in der Schule nicht ausreichend unterstützt werden könnten und eine hohe Abbrecher-Quote hätten, könne man nicht von einer Gleichberechtigung sprechen.

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Neues Ziel: Imame aus der Türkei
Die SABAH kritisiert in einem Beitrag den Niedersächsischen Innenminister Schünemann wegen seiner Aussagen gegenüber Imamen aus der Türkei. Schünemann, der schon seit Wochen wegen der verdachtsunabhängigen Kontrollen vor Moscheen in Niedersachsen in der Kritik steht, hätte sich auch abwertend zu Imamen aus der Türkei geäußert. Diese würden sich nur drei Jahre im Land aufhalten und könnten keinen Beitrag zur Integration leisten, weil sie kein Deutsch könnten. Mit in Deutschland ausgebildeten Imamen wolle er stattdessen Hasspredigten gegen Christen verhindern. Eine Ausbildung dazu solle im Wintersemester 2010 in Osnabrück starten. Im nächsten Monat wolle man dazu mit muslimischen Vertretern und Wissenschaftlern zusammen kommen.

Wahlaufrufe für die SPD
In der SABAH ruft die Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul Migranten zur Wahl der SPD auf. Bei einem Wahlsieg wolle die SPD das Optionsmodell abschaffen, dass jugendliche Migranten dazu zwingt, sich spätestens für eine Staatsbürgerschaft zu entscheiden. Die SPD wäre für die doppelte Staatsbürgerschaft. Ein Wahlaufruf für die SPD kommt auch von dem türkischen Politiker Mustafa Sarigül. Er könne sich noch an die guten Beziehungen zur Zeit Schröders erinnern. Nur die SPD würde die Türken unterstützen, deswegen solle man diese Partei unterstützen.

Identifizieren mit dem Herkunftsland und Deutschland
Dies fordere die SPD in ihrem Wahlprogramm, berichtet die HÜRRIYET. In einem breiten Beitrag stellt die Zeitung insbesondere die Migrationsthemen im Programm der SPD vor. Dabei werden die Ansichten der SPD zum Optionszwang, zur doppelten Staatsbürgerschaft und zum EU-Beitritt der Türkei wiedergegeben.

Schweigen beim Deutschen, Geschrei beim Türken
Mit dieser Überschrift bewertet die TÜRKIYE die Berichterstattung der Medien zu dem S-Bahnmord in München. Neben Informationen zum Tathergang geht die Zeitung auch auf die Resonanz in den Medien ein und vergleicht diese mit dem Aufschrei nach dem Angriff zweier türkisch- und griechischstämmiger Jugendlicher auf einen Rentner in der Münchner U-Bahn. Damals hätten die Zeitungen über die Täter mit der Überschrift „Das Monster von München“ berichtet, während sie diesmal das Thema eher ruhig angehen würden. Daraus könne wohl geschlossen werden, dass die Täter Deutsche sein müssten.

Özdemir: Wir können mit SPD und FDP koalieren
In der ZAMAN äußert sich der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir zu möglichen Koalitionsoptionen nach der Wahl. Während sich Özdemir dabei gegen eine Jamaika-Koalition aussprach, hielt er eine Ampelkoalition zwischen SPD, Grünen und der FDP für möglich. Ausgehend von den derzeitigen Umfragen erscheine eine Zweier-Koalition als eher unwarscheinlich. Man müsse sich wohl auf eine Dreier-Koalition einstellen. Özdemir legte dabei aber Wert darauf, dass die Grünen nicht für alle möglichen Koalitionsvarianten zur Verfügung stehen würden. Eine Dreier-Koalition mit der CDU und der FDP lehne man ab, weil in einer solchen Konstellation die Ansichten zur Umwelt, Arbeitslosigkeit, Sozialstaat und zum EU-Beitritt der Türkei entgegengesetzt liegen würden. Özdemir rief die Wähler dazu auf, den Grünen ihre Zweitstimme, ihm in Stuttgart auch ihre Ersttsimme zu geben.