Schäuble über Integration
Ein schwieriges, wichtiges und sensibles Thema
In einem Interview mit "Welt Online" spricht Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) unter anderem über gesteuerte Zuwanderung, Ehegattennachzug, Muslime die Burkinis tragen, Versäumnisse vergangener Jahre und über das Gefühl von Überfremdung.
Dienstag, 08.09.2009, 8:05 Uhr|zuletzt aktualisiert: Samstag, 21.08.2010, 12:45 Uhr Lesedauer: 3 Minuten |
Zunächst geht Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble auf die Frage nach dem Erfordernis von Sprachanforderungen vor dem Ehegattennachzug ein: „Ein erheblicher Teil der hier lebenden Türken heiratet, auch nach in Deutschland durchlaufener Schulzeit, jemanden aus dem Heimatland, oft von einem Dorf, der wieder kein Wort Deutsch spricht. So haben wir immer wieder eine „erste Generation“, die Integration wird nicht leichter mit den Jahren, sondern schwerer.“
Deutschland brauche aber qualifizierte Zuwanderer. „Wenn sich die Lage am Arbeitsmarkt – auch aufgrund des demografischen Wandels – erheblich entspannt hat, kann ich mir durchaus etwas wie ein Punktesystem in Ergänzung unserer Regelungen vorstellen“, wie es beispielsweise in Kanada der Fall ist.
Derzeit habe Deutschland keine hohen Zuwanderungszahlen. Allerdings kämpfe Deutschland mit den Folgen massiver Zuwanderung früherer Jahre. 1949 seien die Vertriebenen, ab Ende 50er die Gastarbeiter, Ende 80er die Spätaussiedler und in den 90ern die Asylbewerber und Flüchtlinge gekommen. „Wir müssen erst einmal die Folgen der Zuwanderung in den Achtziger- und den frühen Neunzigerjahren bewältigt haben“, so Schäuble.
Ein schwieriges, wichtiges und sensibles Thema
Wenn Integration gelingen solle, müsse man vermeiden, dass es zu viel innenpolitischen Streit darum gibt. Es solle auch nicht bei Migranten die Botschaft ankommen: Die streiten darüber, ob wir überhaupt hier sein dürfen. Dann gelinge die Integration nicht. Und je besser die Integration gelinge, desto weniger Fremdenfeindlichkeit gebe es. „Bei der Europawahl im Juni“, so Schäuble weiter, „haben ausländerfeindliche Parteien nirgendwo so wenig Stimmen bekommen wie bei uns. Wir haben das ganz gut hingekriegt. Es ist ein schwieriges, wichtiges und sensibles Thema.“
Beim Integrationsprozess sei es auch wichtig, die Gefühle der Deutschen ernst zu nehmen. “Vielleicht ist es auch besser, wenn Zuwanderer nicht auf einen Stadtteil konzentriert sind – da muss die kommunale Selbstverwaltung gestärkt werden. Aber man muss dann, so einfühlsam wie möglich, den Menschen erklären: Die Welt verändert sich in einem rasanten Tempo, immerfort. Und wir profitieren auch von diesen Veränderungen.“ Den Menschen, die ihre Heimatviertel nicht wiedererkennen, sich fremd fühlen, müsse man sagen, „Verschiedenheit ist keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung.“
Allerdings müsse man auch den Migranten sagen, angesprochen auf Burkiniträgerinnen in Schwimmbäder, dass, wenn sie hier heimisch werden wollen, beispielsweise die Gleichberechtigung von Mann und Frau akzeptieren müssen, wobei Burkini ein Extrembeispiel darstelle. Schäuble weiter: „Wem es nun gar nicht gefällt, dass seine Tochter so aufwächst, wie Frauen hier in Europa aufwachsen, der muss sich fragen, ob er in einem modernen, europäischen Land zu Hause sein will.“ Auf der anderen Seite könne die Aufnahmegesellschaft auch ein bisschen großzügiger sein: „Früher mussten alle Badekappen tragen, heute nicht mehr.“ Man müsse sich nicht aufregen, wenn jemand mit dem Kopftuch herumläuft.
Der Behauptung, dass trotz all den Integrationsanstrengungen, Zuwanderer doppelt so häufig kriminell seien und doppelt so häufig die Schule abbrechen, widerspricht Schäuble. „Bis positive Entwicklungen sich in der Statistik niederschlagen, das dauert … Und wenn ich mich Woche für Woche mit jungen Muslimen treffe, sie auszeichne, Schulmodellprojekte einweihe, begleite, fördere – dann zeige ich: Schaut her, es geht! Wir haben in der Vergangenheit in Deutschland vieles falsch gemacht. Aber mit der neuen Integrationspolitik der Union haben wir etwas richtig gemacht!“ Politik
Wir informieren täglich über das Wichtigste zu Migration, Integration und Rassismus. Dafür wurde MiGAZIN mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet. Unterstüzte diese Arbeit und verpasse nichts mehr: Werde jetzt Mitglied.
MiGGLIED WERDEN- EU-Asyl-Reform Das erwartet Schutzsuchende zukünftig in Europa
- „Rechentrick“ Größter Empfänger deutscher Entwicklungshilfe ist…
- Wahlprogramm beschlossen AfD Brandenburg beschließt Remigration „im großen Stil“
- Rassismus und Polizeigewalt 96 Schüsse gegen Schwarzen bei US-Verkehrskontrolle
- AfD und BSW auch dafür Bundestag beschließt Regelung für Bezahlkarte für…
- El Hierro statt Lampedusa? Routen von Bootsflüchtlingen ändern sich