Türkische Presse Europa

16. und 17.08.2009 – Doppelpass, Doppelbesteuerung, Rechtsextremismus im Internet

Der Wahlkampf nimmt langsam seinen Platz in den Europaausgaben türkischer Tageszeitungen. So werden Auseinandersetzungen und Wahlversprechen zunehmend thematisiert. Außerdem findet die Studie über Rechtsextremismus im Internet breiten Raum.

16.08.2009

Aufruf: Werdet Lehrer!
Einer Meldung der TÜRKIYE zufolge hat die für Integration zuständige Staatsministerin Maria Böhmer (CDU) in Köln junge Migranten dazu aufgerufen, sich für den Lehrerberuf zu entscheiden. Deutschland brauch Lehrer mit Migrationshintergrund. Damit, so TÜRKIYE, wolle Böhmer dem Lehrer-Engpass entgegenwirken. Außerdem habe Böhmer gesagt, dass Migranten auf allen Ebenen mitwirken und mitreden müssten.

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Özdemir: Die betreiben Wahlfang
Die TÜRKIYE räumt den Worten von Grünen-Chef Cem Özdemir Raum ein, der der SPD vorwirft, Wahlfang zu betreiben mit dem Vorstoß Brigitte Zypries zur Doppelten Staatsbürgerschaft. Wenn die SPD doch für die doppelte Staatsbürgerschaft gewesen ist, so Özdemir, wieso hat sie dann gemeinsam mit der CDU sich gegen den Grünen-Antrag zur Abschaffung der Optionsregelung gestimmt? So kurz vor den Wahlen, stelle dieser Vorstoß lediglich ein Wahlkampfmanöver dar, die nicht ernst zu nehmen sei.

Die HÜRRIYET hingegen trägt die Worte von Brigitte Zypries auf die Titelseite der Europaausgabe. Zypries habe gegenüber HÜRRIYET gesagt, dass die Entscheidung zwischen zwei Staatsbürgerschaften vergleichbar sei mit der Entscheidung zwischen Mutter und Vater. Außerdem habe Zypries gesagt, dass sie in dieser Angelegenheit die Kritik gegen die SPD und gegen ihre Person nicht ernst nehme.

CDU: NPD muss gehindert werden
Unter dieser Schlagzeile berichtet die TÜRKIYE über den Vorstoß der CDU, die NPD bei den bevorstehenden Bundestagswahlen zu hindern. Die NPD hatte den aus Angola stammenden CDU-Kandidaten, Zeca Schall, bedroht, so die TÜRKIYE. Der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) habe zudem angekündigt, ab 2010 eine neue Strategie gegen die NPD zu entwickeln. Das Ziel sei die NPD zu verbieten.

Österreich: Beschämende Einbürgerungspraxis
Unter dieser Schlagzeile berichtet die MILLIYET auf der Titelseite der Europabeilage über die neue Einbürgerungspraxis in Österreich. Der Meldung zufolge wolle Österreich von den türkischen Einbürgerungsbewerbern eine Unterschrift, mit der sie bestätigen sollen, dass sie die türkische Staatsbürgerschaft nicht besitzen und auch nicht besitzen werden. Diesen Schritt habe das Land Vorarlberg getan, nachdem die Türkei ein Abkommen zur Mitteilung der Doppelstaatler zwischen den Ländern zum 30 September 2010 gekündigt habe. Die rechtsextreme FPÖ hätte daraufhin sogar gefordert, Türken von der Einbürgerung ganz auszuschließen.

Die HÜRRIYET gibt diese Meldung ebenfalls aber nur kurz wieder und titelt: „Österreich jagt Doppelstaatler“.

Das neue Zuhause der Rechtsextremisten: Internet
Unter diesem Titel gibt die MILLIYET die Studienergebnisse von Jugendschutz.net wieder, wonach rechtsextremistische Aktivitäten im Internet gestiegen sind (wir berichteten). Rechtsextreme, die zunehmend Videoportale für ihr Propaganda benutzten, habe unter anderem Bundesjustizministern Brigitte Zypries auf den Plan gerufen, die zu einem geschlossenen Kampf gegen Rechtsextremismus im Internet aufgerufen habe.

Haftbefehl für den 5. Mann
Über den Sauerlandprozess und den Haftbefehl an dem früheren türkischen Geheimdienstmitarbeiter im Zusammenhang mit der Sauerlandgruppe, berichtet die MILLIYET und gibt die jüngsten Entwicklungen wieder.

„Ihr Deutscher Ehemann muss bleiben, Sie dürfen weiterfahren“
Dies hat ein deutsch-türkisches Ehepaar mit zwei Kindern an der serbischen Grenze zu hören bekommen weil der deutsche Ehemann lediglich seinen Personalausweis dabei hatte. Die türkische Ehefrau mit den Kindern hingegen hätten die Reise weiterführen können. Die Familie habe aber die Rückreise angetreten (HÜRRIYET).

Sportwetten
Die SABAH macht auf der Titelseite der Europaausgabe auf die Spielsucht Hunderttausender aufmerksam, die mit der Eröffnung der neuen Fußballsaison in die Wettbüros stürmten.

Sahinler ist nicht pleite, wir begleichen unsere Schulden
Unter dieser Überschrift gibt die SABAH die Worte des türkischen Unternehmers Kemal Sahin wieder. Die Sahinler Holding sei nicht pleite, sie begleiche Schulden; sogar neue Mitarbeiter stelle sie ein.

Türkischunterricht
Die HÜRRIYET berichtet über den Eltern- und Lehrerverband in Ruhr, die türkische Eltern dazu aufgefordert haben, ihre Kinder in den muttersprachlichen Unterricht zu schicken. In einem weiteren Artikel titelt die HÜRRIYET: „Türkisch ist der Schlüssel zur Integration“ und beruft sich dabei auf Kurse einer Volkshochschule in Lich, die Türkischunterricht anbiete.

Vorbildlicher Bürgermeister
Der Bürgermeister aus dem baden-württembergischen Radolfzell habe einer fünfköpfigen türkischen Familie eine größere Wohnung versprochen. Die HÜRRIYET räumt einem Foto der Familie und dem Bürgermeister großen Raum ein.

Kinderspielplatz in der Moschee
Eine Moschee in Bremen habe auf dem Hof der Moschee ein Kinderspielplatz errichten lassen, damit die Kinder in ihrer Freizeit Bewegung haben. (HÜRRIYET)

17.08.2009

Steuerdruck auf Ankara
Ausführlich berichtet die MILLIYET über die einseitige Kündigung des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Türkei. Deutschland wolle mit der Kündigung ein für sich vorteilhafteres neues Abkommen mit der Türkei erzielen. Laut Experten würde das für die Türkei bedeuten, dass sie für Investoren an Attraktivität verliert.
Falls bis 2011 ein neues Abkommen nicht unterzeichnet wird, würden 2.500.000 Türken, 70.000 türkische Unternehmer und 3.700 deutsche Unternehmer mit Investitionen in der Türkei der Doppelbesteuerung unterliegen. Der Grund für die Kündigung sei unter anderem auch, Steuerbetrügern das Leben schwer zu machen.

Haben wir übertrieben?
Unter dieser Schlagzeile fragt die SABAH auf der Titelseite der Europabeilage, ob Migranten über Jahre hinweg übertrieben haben, wenn sie von Vorurteilen gegenüber Migranten gesprochen haben. Eine neue IMAP-Studie habe ergeben, dass 78 Prozent aller Befragten, positiv Erfahrungen mit Migranten gemacht hätten; lediglich neun Prozent hätten schlechte Erfahrungen gemacht.

SPD möchte einheitliche Vorschriften für Jugendämter
Hierüber berichtet die ZAMAN und gibt die Pläne der SPD wieder, die eine Vereinheitlichung der Vorschriften für die Jugendämter haben wollen. Die neuen Pläne sähen vor, wann ein Jugendamt tätig werden dürfe oder wann eine in Obhutsname in Betracht komme. Außerdem, so die ZAMAN, sollten Jugendämter verstärkt beratend tätig werden.

Symbolpolitik hat Integration nicht gefördert
Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen (Die Linke) habe in einem Interview mit dem Nachrichtendienst dpa gesagt, dass die Symbolpolitik der Bundesregierung in den letzten Jahren die Integration nicht gefördert habe. Insbesondere die wirtschaftliche Situation der Migranten sei ein Beleg dafür, die doppelt so häufig arbeitslos seien. (SABAH)

Aufenthaltstitel erloschen
Die Zahl derjenigen, deren Aufenthaltstitel erlöschen weil sie sich länger als sechs Monate im Ausland aufhalten, steige zunehmend, meldet die HÜRRIYET. Insbesondere Rentner seien oft betroffen, so die Zeitung. Zuletzt sei ein Fall bekannt geworden, in der ein seit 25 Jahren in Deutschland arbeitender Türke (65) seinen Aufenthaltstitel verloren habe und nun in der Türkei festsitze.

Deutsche mit Kindern bevorzugen All-Inklusive
Der „All-Inklusive-Urlaub“ in der Türkei werde insbesondere von deutschen Familien mit Kindern bevorzugt, schreibt die SABAH.

Mit Sport ist Integration einfacher
Unter dieser Schlagzeile berichtet die HÜRRIYET über den Aufruf Angela Merkels gemeinsam mit Staatsministerin Maria Böhmer an Mädchen und Migrationshintergrund. Sport leiste einen großen Beitrag zur Integration.

CDU-Frauen unterstützen Merkel
Unter dieser Schlagzeile berichtet die MILLIYET über eine Veranstaltung in Duisburg. Dort habe Bundeskanzlerin Angela Merkel starke Rückendeckung von den Frauen bekommen.

SPD-Kandidat Volkan Baran auf Wahlkampftour
Der Dortmunder SPD-Kandidat Volkan Baran habe gemeinsam mit weiteren SPD-Kandidaten mit seinem Besuch bei einer DITIB-Moschee den Wahlkampf eröffnet.

Wir sind bereit für Ramadan
Die türkischen Bäcker und Restaurants seien bereit für den Fastenmonat Ramadan, heißt es auf der Titelseite der Europabeilage der TÜRKIYE. Es würden spezielle Menüs für Ramadan angeboten, heißt es auf der Titelseite der HÜRRIYET. Türken, die aus dem Urlaub zurückkehren, hätten das Geschäft belebt, schreibt die SABAH.

Müntefering legt sich mit Merkel an
Die SABAH berichtet über Franz Müntefering (SPD), der über Angela Merkel gesagt habe, dass ihr die Arbeitslosenzahlen egal seien. Die CDU habe vor den Wahlen nicht einmal ein Konzept vorlegen können. Merkel denke nur an ihre Karriere.

Neue Frisurmode türkischer Jugendlicher
Über einen neuen Mode-Trend unter türkischen Jugendlichen berichtet die HÜRRIYET. Jugendliche würden zunehmend ihre Haare mit „Strich-Motiven“ schmücken.

Die Probleme sind Status- und nicht Migrationsbedingt
Der Essener SPD Bürgermeisterkandidat Reinhard Paß habe in einem Gespräch mit ZAMAN-Lesern gesagt, dass er sich für das kommunale Wahlrecht von Nicht-EU-Ausländern stark machen werde. Bildung sehe er als den Schlüssel zur Integration und wisse, dass das Problem nicht der Migrationshintergrund sei, sondern der soziale Status.

Internet Attacke der Extremisten
Unter diesem Titel gibt die HÜRRIYET die jüngsten Studienergebnisse über Rechtsextremismus im Internet wieder, wonach rechtsextremistische Aktivitäten im Internet gestiegen sind (wir berichteten). Clauda Roth (Die Grünen) habe in diesem Zusammenhang gesetzliche Neuregelungen und eine internationale Zusammenarbeit gefordert.

Die ZAMAN hingegen trägt über die sog. „Cyber-Cops“, in die Schlagzeile, die von der Polizeigewerkschaft gefordert werde.

Kommentar: Burkini
In seiner Kolumne in der ZAMAN geht Ismail Kul auf einen Burkini Vorfall aus Frankreich ein. Dort habe eine Französin mit einem Brukini einen Freibad besuchen wollen und sei von der Schwimmbadleitung daran gehindert worden. Nun sei in ganz Frankreich eine Diskussion über Burkinis entbrannt, die über die Landesgrenzen hinausgegangen seien. Auf solche Kulturkämpfe, so Kul, müsse man sich wohl einstellen. Erst kürzlich habe man noch über die Schalke-Hymne diskutiert und morgen könne ein anderes Thema an der Tagesordnung stehen.

Kul fragt, was die eine muslimische Frau in einem Burkini in einem Freibad verloren habe. So sehr man auf dem Papier auch Gleichberechtigung habe und dies auch tatsächlich einfordere, so unnötig und schädigend sei es mit einem Burkini in ein öffentliches Schwimmbad zu gehen. Seiner Ansicht nach sei eine freizügige Bekleidung aus religiöser Sicht genauso falsch, wie anderen zuzusehen, die freizügig sind. Außerdem, so Kul, sei es auch aus Sicht der gesellschaftspsychologischer Sicht falsch. Welchen Sinn habe es, mit etwas, auf dem so viel Symbolik laste, mitten in die Gesellschaft vorzudreschen?

Nach Ansicht Kuls, werden große und wichtige Probleme unserer Tage wie die Konfrontation der Modernen und der religiösen Kultur, Europa und die Islamische Welt, Mehrheits- und Minderheitsbeziehungen, Ehre von Mensch und Frau, der Lebensstil oder der Werte in kleine Vorfälle projiziert, weswegen sie aufgebläht zu einer großen Sache werden.

Was man machen müsse, sei einfach: sich in bestimmten Lebenslagen aus dem Weg gehen. Das der Leser als Aufruf zur Integrationsverweigerung oder für Parallelgesellschaften auffassen, aber Deutschland habe hier eine praktische Lösung gefunden. In Berlin würden für Birkiniträgerinnen der Schwimmbad für bestimmte Zeiten reserviert. Wer sage, dass Franzosen im Vergleich zu Deutschen besser Politik machen, der irre.