Bayern

Unterbringung von Flüchtlingen soll ihre Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern

Der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann hat sich gegen Sozialministerin Christine Haderthauer im Streit über die Asylpolitik durchgesetzt. Diskussionspunkt war ein Halbsatz in der Verordnung, wonach die Unterbringung in Asylunterkünften „die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern“ soll. Die SPD, die Grünen und der Bayerische Flüchtlingsrat kritisieren nun, dass sich die „Hardliner“ der CSU durchgesetzt haben.

Sozialministerin Christine Haderthauer versucht eigenen Angaben zufolge bereits seit Monaten, die menschenunwürdige Zielsetzung der Lagerunterbringung im zweiten Halbsatz der Asyldurchführungsverordnung zu streichen: „Die Verteilung und die Zuweisung darf die Rückführung der betroffenen Personen nicht erschweren: sie soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern.“ Haderthauer möchte lieber die Flüchtlingsunterkünfte schließen und die Menschen in privaten Wohnungen unterbringen.

Herrmann hingegen stellt sich auf den Standpunkt, dass man keine neuen Anreize für Flüchtlinge schaffen wolle, nach Deutschland zu fliehen. Außerdem seien die Mehrheit der Lagerbewohner ausreisepflichtige Ausländer, die ihre Abschiebung „rechtsmissbräuchlich“ verhinderten.

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Nichtstreichung ist ein Skandal
Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert Herrmanns Argument jedoch als „schlicht menschenunwürdig“, weil Flüchtlinge nicht aufgrund der Unterbringung in Bayern fliehen würden, sondern aufgrund der Verfolgung im Herkunftsstaat. Auch kriminalisiere Herrmann Flüchtlinge, die gesetzeskonform Anträge stellen und Rechtsmittel gegen ablehnende Bescheide einlegen, um ihre Interessen durchzusetzen. Dieses Handeln zu einem Rechtsmissbrauch umzudefinieren, sei eine Verhöhnung des Rechtsstaats.

„Es ist ein Skandal, dass dieser menschenverachtende Passus, der die Abschreckung und Zermürbung von Flüchtlingen zum Ziel der bayerischen Lagerunterbringung erhebt, nicht gestrichen wird. Während Ministerpräsident Seehofer behauptet, die CSU sei schon immer dafür gewesen, dass Asylbewerber in Bayern menschenwürdig behandelt werden, spielt Herrmann die Bedeutung des Passus der Asyldurchführungsverordnung mit der Behauptung herunter, er werde von den Kritikern der bayerischen Asylpolitik nur ‚böswillig interpretiert’. Beide vergessen dabei, dass die Kritik an den Zuständen in den bayerischen Flüchtlingslagern von allen ExpertInnen geteilt wird, selbst der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats gehört dazu“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats die Entscheidung im Kabinett. „Wir erwarten jetzt, dass der Bayerische Landtag in seiner Funktion als Gesetzgeber die einmalige Chance nutzt und der Bayerischen Staatsregierung eine Neuregelung der Lagerunterbringung von Flüchtlingen in Bayern vorgibt.“

Verhängnisvoller Rückschritt
Auch die Landtagsgrünen haben den Ausgang des Machtkampfs innerhalb der Staatsregierung um die künftige Ausrichtung der Flüchtlingspolitik im Freistaat heftig kritisiert: „Dass sich hier offenbar die Hardliner in der CSU durchgesetzt haben, ist ein verhängnisvoller Rückschritt für die bayerische Flüchtlingspolitik“, sagte die migrationspolitische Sprecherin Renate Ackermann.

Alle Experten seien sich auf einer Landtagsanhörung einig gewesen, dass die restriktive Praxis bei der Unterbringung von Flüchtlingen in Bayern dringend geändert werden müsse. „Das haben selbst die Sozialpolitiker in der CSU erkannt“, so Renate Ackermann. Beklagt wurden nicht durch die teilweise katastrophalen hygienischen Verhältnisse, sondern auch die massiven sozialen Folgen der jahrelangen Kasernierung in Gemeinschaftsunterkünften. „Es kann doch nicht sein, dass diese Fakten jetzt einfach vom Tisch gewischt werden und der Innenminister gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten einfach alle hoffnungsvollen Ansätze zu Nichte macht.“

Nicht nachvollziehbar sei in diesen Kabinettsquerelen insbesondere die Rolle des Koalitionspartners FDP, der sich ebenfalls für eine Abkehr von der restriktiven bayerischen Flüchtlingspolitik ausgesprochen habe. „Wir können nicht nachvollziehen, warum sich die selbsternannten Liberalen jetzt von so einer Basta-Politik in die Schranken weisen lassen. Hier darf das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.“

Machtstreit nicht auf Rücken der Asylsuchenden austragen
Schließlich zeigte sich auch die migrations- und integrationspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Isabell Zacharias, tief enttäuscht über das Ergebnis der CSU-Internen Schlagabtauschs. „Flüchtlinge sollen nicht mehr in den Gemeinschaftsunterkünften leben müssen, sondern in Privatwohnungen ziehen dürfen, sie brauchen keine Essenspakete, sondern Gutscheine zum selbstständigen Einkauf und die Residenzpflicht muss aufgehoben werden“, fordert die SPD-Sprecherin für Integration und Migration. „Diese Ziele zur Verbesserung der Lebensqualität der Flüchtlinge sind ein Menschenrecht, Herr Herrmann!“, so Zacharias.