Bayern

Erhebliche Defizite bei der sprachlichen Förderung von Migrantenkindern

In der sprachlichen Unterstützung von Migrantenkindern an Bayerns Grundschulen sieht der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, erheblichen Nachholbedarf. Defizite sind vor allem bei den Vorkursen für Kinder mit Migrationshintergrund zu beklagen.

In der sprachlichen Unterstützung von Migrantenkindern an Bayerns Grundschulen sieht der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, erheblichen Nachholbedarf. „Defizite sind vor allem bei den Vorkursen für Kinder mit Migrationshintergrund zu beklagen, wobei es häufiger an kleineren ein- oder zweizügigen Schulen in ländlichen Regionen zu Schwierigkeiten kommt als in Ballungsgebieten mit größeren Schuleinheiten“, erklärte er heute in München und bezog sich dabei auf eine aktuelle Studie des BLLV. In ihr geben lediglich 13% von rund 800 befragten Grundschullehrern/innen an, mit der Umsetzung der Vorkurse keine Probleme zu haben, über die Hälfte bedauert, dass sie nicht oder nur teilweise zustande kommen. Die Schwierigkeiten liegen vor allem im organisatorischen und personellen Bereich sowie an der mangelnden Ausbildung der Fachkräfte in der Unterrichtung im Fach „Deutsch als Zweitsprache“. Der BLLV führte die Befragung im Rahmen seiner landesweiten Kampagne „Starke Grundschule – Unsere Kleinen ganz GROSS“ durch.

Die Vorkurse zum Erlernen der deutschen Sprache werden von Grundschullehren/rinnen und Erziehern/innen durchgeführt. 25% der befragten Grundschullehrer/innen geben an, dass sich durch die Vorkurse die Startbedingungen der Migrantenkinder verbessert haben. 45% können dem nur „eher“ zustimmen und 23% haben dazu eine unentschiedene Haltung. Vor allem große Schulen und Großstadtschulen profitieren nach Aussagen der Befragten in besonderem Maße von dem Angebot. 99% sprechen sich dafür aus, bei einem hohen Migrantenanteil die Klassengröße auf 20 Schüler zu reduzieren – während das Kultusministerium andere Zahlen vorgibt: So soll bei einem Anteil von 50% Migrantenkindern die Klassenstärke auf 25 Schüler und bei einem Anteil von 25% auf 28 Schüler begrenzt werden. „Die politische Entscheidung geht an der Einschätzung der Lehrerinnen und Lehrer vorbei“, kritisierte Wenzel und forderte das Kultusministerium auf, die Zahlen für die Klassenhöchstgrenzen noch einmal zu überdenken.

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Neben den Vorkursen zum Erlernen der deutschen Sprache gibt es auch Deutschförderkurse, sie werden als zusätzlicher Unterricht Kindern mit Migrationshintergrund den Regelklassen angeboten, sowie eigene Deutschförderklassen. Ziel ist es, Sprachdefizite in Deutsch auszugleichen und Schulerfolge zu sichern. Nur 11% der Befragten Grundschullehrerinnen und -lehrer finden aber unabhängig von Schulort und -größe, dass mit diesen zusätzlichen Angeboten die Migrantenkinder gut versorgt sind. Wenzel fasste zusammen: „Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die sprachliche Unterstützung der Migrantenkinder vor und in der Grundschule immer noch kräftig ausgebaut werden muss.“

Kritik übten die Befragten auch an der Lehrerbildung: Erst seit der neuen Lehramtsprüfungsordnung vom März 2008 kann das Fach „Deutsch als Zweitsprache“ als reguläres Unterrichtsfach gewählt werden – exakt 50 Jahre nachdem der erste Vertrag für die Anwerbung sog. Gastarbeiter mit Italien abgeschlossen wurde. Vorher konnte das Fach nur freiwillig und zusätzlich gewählt werden. 89% der Befragten halten eine Verbesserung der Ausbildung in dem Fach „Deutsch als Zweitsprache“ für Erzieher/innen und Grundschullehrer/innen für notwendig.

29% der Grundschüler in Deutschland sind Kinder mit Migrationshintergrund der ersten und zweiten Generation. 33% sind jünger als sechs Jahre. In Ballungszentren wie München erreicht ihr Anteil in der Grundschule 50%, in der Hauptschule 70% bis 80%. Bei allen Vergleichsuntersuchungen haben diese Kinder besonders schlecht abgeschnitten, sowohl bezüglich ihrer Sprach- und Kompetenzentwicklung als auch ihrer Bildungsbeteiligung und ihres Schulerfolges. „Die Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund muss deshalb auch in Bayern ein besonders bildungspolitisches Anliegen sein“, erklärte Wenzel. Er betonte aber auch, dass sich Integration nicht allein in der sprachlichen Unterstützung erschöpfen dürfe: „Integration wird auch geleistet durch Anerkennung kultureller Vielfalt und Akzeptanz verschiedener kultureller Identitäten.“