EU-Studie

Diskriminierung, Belästigung und rassistisch motivierte Gewalt weitaus verbreiteter als vermutet

Die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) hat die Ergebnisse [pdf] der ersten EU-weiten Erhebung zu den Erfahrungen von Zuwanderern und ethnischen Minderheiten mit Diskriminierung und rassistisch motivierten Straftaten veröffentlicht. Die Erhebung zeigt, dass Diskriminierung, Belästigung und rassistisch motivierte Gewalt weitaus verbreiteter sind, als amtliche Statistiken vermuten lassen. An der Befragung nahmen 23 500 Menschen aus 27 Ländern teil.

Montag, 27.04.2009, 8:49 Uhr|zuletzt aktualisiert: Mittwoch, 08.01.2020, 15:45 Uhr Lesedauer: 4 Minuten  |  

Die Ergebnisse zeigen auch, dass unter Minderheiten und Zuwanderern Resignation herrscht und das Vertrauen in die Mechanismen des Opferschutzes häufig fehlt. Die FRA fordert die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten auf, die Situation zu verbessern, indem die Meldung und Erfassung von Diskriminierungsfällen und rassistisch motivierten Straftaten gefördert, die Antidiskriminierungsgesetze umfassend angewendet und Minderheiten besser informiert werden.

Morten Kjaerum, Direktor der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA), stellt fest: „Die Erhebung zeigt, wie hoch die „Dunkelziffer“ rassistisch motivierter Straftaten und Diskriminierung in der EU tatsächlich ist. Die amtlichen Zahlen zum Rassismus sind dabei nur die Spitze des Eisbergs.“

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55 Prozent der von der FRA befragten Zuwanderer und Angehörigen von Minderheiten sind der Ansicht, dass in dem Land, in dem sie leben, Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft weit verbreitet ist. So meint beispielsweise die Hälfte der in Deutschland lebenden Türken, Diskrimienrung sei weitverbreitet. Gefolgt werden sie von den Bürgern Ex-Jugoslawiens mit 46 Prozent.

37 Prozent der Befragten gaben an, dass sie in den letzten 12 Monaten persönlich diskriminiert worden waren. 12 % wurden in den vergangenen 12 Monaten selbst Opfer rassistischer Vorfälle, wobei jedoch 80 Prozent dieser Betroffenen den Vorfall nicht der Polizei meldeten. Unter Türken lag die Quote, nicht gemeldeter rassistischer Angriffe bei 90 Prozent.

Der höchste Grad an Diskriminierung wurde von Roma berichtet. Die Hälfte aller Befragten gab an, dass sie in den letzten 12 Monaten diskriminiert worden waren. Afrikaner aus Ländern südlich der Sahara und Nordafrikaner berichteten ebenfalls über einen hohen Diskriminierungsgrad (41 Prozent bzw. 36 Prozent).

Extrem hohe Dunkelziffer bei rassistisch motivierten Straftaten und Diskriminierung
Morten Kjaerum sagte: „Die Erhebung zeigt, dass die überwältigende Mehrheit erlittene Diskriminierung oder rassistisch motivierten Straftaten nicht an eine zuständige Behörde meldet. Tausende Fälle von rassistisch motivierten Straftaten und Diskriminierung bleiben damit unsichtbar. Das bedeutet, dass die Straftäter ungestraft davonkommen, die Opfer keine Gerechtigkeit erfahren und die Entscheidungsträger keine entsprechenden Maßnahmen ergreifen können, um dafür zu sorgen, dass Derartiges nicht mehr vorkommt. Die Daten dieser neuen Erhebung werden hoffentlich dazu beitragen, das Bewusstsein für die Notwendigkeit gezielter politischer Maßnahmen zu schärfen, um diesem gesellschaftlichen Missstand zu begegnen.”

Resignation unter den Minderheiten und Zuwanderern
82 Prozent der Befragten, die angaben diskriminiert worden zu sein, hatten das jüngste Vorkommnis nicht gemeldet. Auf die Frage, warum sie dies nicht getan hätten, antworteten 64 Prozent, dass sie davon ausgegangen seien, dass trotz Meldung ohnehin nichts unternommen oder geändert worden wäre. Gleichzeitig kannten 80 Prozent der Befragten keine einzige Organisation, die Diskriminierungsopfer unterstützen oder beraten könnte. Dies zeigt, dass eine bessere Information dringend nötig ist, könnte jedoch auch das tatsächliche Fehlen von Unterstützungsdiensten in einigen Mitgliedstaaten widerspiegeln.

„Das wirft wichtige Fragen auf, zum Beispiel, wie das Bewusstsein für die eigenen Rechte geschärft und das Vertrauen in vorhandene Schutzmechanismen gestärkt werden kann. Es ist sehr wichtig, dass Opfer von Diskriminierung oder Belästigungen die Vorkommnisse melden – und dass sie auch sicher sein können, dass ihre Beschwerden ernst genommen werden.”, führte Morten Kjaerum aus.

Die meisten Opfer von Diskriminierung sind Roma
Von allen im Rahmen der FRA-Erhebung befragten Gruppen haben sich die Roma als diejenige Gruppe herausgestellt, die am meisten unter Diskriminierung und rassistisch motivierten Straftaten zu leiden hat. Die FRA hat daher die Situation der Roma im Rahmen eines “Data in Focus”-Berichts analysiert. Dieser Bericht über die Situation der Roma ist der erste einer Reihe von Berichten über die im Rahmen der Erhebung befragten Minderheiten und behandelten Themen.

Der Bericht über die Roma zeichnet ein düsteres Bild der Situation der geschätzten 12 Millionen Roma, die in der EU leben. Die Roma berichteten über den höchsten Grad an Diskriminierung in allen von der Erhebung abgedeckten Bereichen. Je nach Land meldeten zwischen 66 Prozent und 92 Prozent der Roma das jüngste Vorkommnis einer Diskriminierung keiner zuständigen Behörde. 65 Prozent bis 100 Prozent der befragten Roma gaben an, kein Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden und das Rechtssystem zu haben.

Morten Kjaerum dazu: „Die Zahlen zeigen, dass Diskriminierung und rassistisch motivierte Straftaten für Roma eine alltägliche Erfahrung sind. Politiker und andere öffentliche Personen müssen ihre Stimme erheben und beim Schutz der Menschenrechte mit gutem Beispiel vorangehen. Das Bewusstsein für die Verhütung von Diskriminierung muss geschärft werden, und rigorose Maßnahmen müssen gegen diejenigen ergriffen werden, die Roma diskriminieren. Die Roma weisen außerdem aus der Gesamtheit der befragten Gruppen die höchste Arbeitslosenquote und das niedrigste Bildungsniveau auf. Die gesellschaftliche Ausgrenzung der Roma muss dringend beendet werden.” Gesellschaft Studien

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